Andre Wilkens, bekannt durch seinen Bestseller 'Analog ist das neue Bio', hat ein kluges, witziges und optimistisches Buch zu Europa geschrieben: 'Der diskrete Charme der Bürokratie. Gute Nachrichten aus Europa'.
Wir haben Europa viel zu verdanken: Freiheit, positive Utopien, grenzenloses Reisen. Andre Wilkens erzählt die Geschichten dazu. Von Europa, von Menschen in Europa, von sich selbst. Nicht abstrakt, sondern selbst erlebt. Es geht um Fußball, Musik, Architektur und vieles mehr - selbst Habermas und Angelina Jolie kommen zu Wort. Denn Europa muss neu erzählt werden, besser, spannender, moderner, persönlicher, im Guten wie im Bösen, mit Höhen und Tiefen. Mit all den Zutaten eben, die gute Storys auszeichnen.
Ein wichtiger Beitrag zur Europa-Debatte - informativ und kurzweilig.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Wir haben Europa viel zu verdanken: Freiheit, positive Utopien, grenzenloses Reisen. Andre Wilkens erzählt die Geschichten dazu. Von Europa, von Menschen in Europa, von sich selbst. Nicht abstrakt, sondern selbst erlebt. Es geht um Fußball, Musik, Architektur und vieles mehr - selbst Habermas und Angelina Jolie kommen zu Wort. Denn Europa muss neu erzählt werden, besser, spannender, moderner, persönlicher, im Guten wie im Bösen, mit Höhen und Tiefen. Mit all den Zutaten eben, die gute Storys auszeichnen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2017Raumschiff Brüssel an Erde
Andre Wilkens zieht gegen die EU-Skepsis zu Felde - aber wen erreicht er damit?
Auf dieses Buch haben sie gewartet, in Brüssel und Berlin, in der Europa-Union und den etablierten Parteien von Grün bis Schwarz. Es ist das Buch zur "Pulse of Europe"-Bewegung. Der Versuch, dem ewigen Lamentieren und Kritisieren an der Europäischen Union, dem realen Brexit, dem drohenden Frexit, Nigel Farage, Marine Le Pen, Alexander Gauland und ja, auch Donald Trump eine positive Botschaft für die und über die EU - heute würde man wohl eher von einem Narrativ sprechen - entgegenzustellen. Geschrieben hat "Der diskrete Charme der Bürokratie. Gute Nachrichten aus Europa" der (Ost-)Berliner Andre Wilkens. Er ist das Ideal des "wahren Europäers".
Nach dem Fall der Mauer brach er mit dem Lada von Berlin nach Brüssel auf, machte ein Praktikum bei der Kommission, verliebte sich in seine heutige englische Frau und blieb. In den folgenden Jahren arbeitete Wilkens in Brüssel, studierte noch einmal in London, zog nach Mailand, machte einen kurzen Abstecher nach Genf und kehrte schließlich nach Berlin zurück. Er arbeitete für EU-Institutionen, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und eine Werbeagentur. Ein Leben, an dem entlang sich eine andere Geschichte als die von Euro-Krise und Euroskepsis erzählen lässt, eine Geschichte, die "Menschen berühren, inspirieren, mitreißen" soll, wie es im Buch heißt.
Ein Kalkül, das im Ansatz gar nicht schlecht funktioniert. Wer Wilkens Reise durch Europa, die noch dazu außerhalb - in der DDR - beginnt, verfolgt, ihn in englische Pubs und italienische Intensiv-Barista-Kurse begleitet, ihn über seine Mitarbeit im Erasmus-Projekt, dem Austauschprogramm der EU, sprechen hört, kann nachvollziehen, warum Wilkens ein "Fan von Europa" ist. Zudem gelingt es dem Autor, den Leser auf diesem Weg en passant durch die Geschichte und das intuitiv wahrlich nicht leicht zu erschließende Gestrüpp der diversen EU-Institutionen mitzunehmen.
Wer verstehen will, in welchem Verhältnis EU-Kommission, Europaparlament und Ministerrat zueinander stehen, was die diversen EU-Agenturen machen und wofür es Einrichtungen wie den "Rat der Gemeinden und Regionen" gibt, ist bei Wilkens besser aufgehoben als bei manchem Lehrbuch zur Europäischen Union. Jenseits des Anekdotischen und Erklärenden überzeugt Wilkens weniger. Da wird die Europäische Union auf die imaginäre Coach von Sigmund Freud zu einer eher albernen Psychoanalyse verfrachtet, im Epilog wird der selbstmordgefährdeten "Frau Europa Union" vor Augen geführt, wie sich Europa ohne sie (natürlich viel schlechter) entwickelt hätte. Es gibt ein Kapitel über europäische Architektur und den Eurovision Song Contest, die wie Fremdkörper wirken, als habe der Verlag Wilkens aufgefordert, noch irgendetwas "ohne EU" zu Europa einzufügen. Vieles wirkt eher angedacht als durchdacht, etwa wenn Wilkens die Entwicklung des Fußballregelwerks mit der Entwicklung der EU-Verträge vergleicht.
Das gilt auch für das namengebende erste Kapitel, über den diskreten Charme der Bürokratie. Das ist natürlich als Provokation gemeint. Tatsächlich ließen sich wohl so einige Argumente dafür anführen, warum sich die Europäische Union zu Recht fünfzigtausend teuer bezahlte Beamte leistet. Wilkens listet auch einige auf. Am Ende aber besteht der "diskrete Charme der Bürokratie" vor allem darin, dass es immer noch besser ist, Eurokraten zu erdulden, als Krieg zu führen.
Am Ende wirkt vieles im Buch wie von der Kommissions-Internetseite zur Richtigstellung von "EU-Mythen" abgeschrieben. Vor allem hat Wilkens eben auch keine überzeugende Idee dazu, wie die Europäer wieder von der Europäischen Union eingenommen werden könnten. Die Überschrift des achtzehnten Kapitels ("Woanders is' auch Scheiße") ist in dieser Hinsicht durchaus entlarvend. Letztlich verfällt auch Wilkens in seinem abschließenden "Eurovisionen" auf den reichlich "durchgekauten" und kaum zu bezahlenden Vorschlag, jedem Europäer zum achtzehnten Geburtstag ein Interrail-Ticket zu schenken. Das zumindest würde es normalen Bürgern erlauben, im Ansatz Wilkens' Begeisterung nachzuvollziehen - auf etwas bodenständigere Weise.
Denn letztlich ist die große Stärke des Buches - Wilkens' Leben in und mit der Europäischen Union - zugleich seine große Schwäche. Denn seine Perspektive ist jene der privilegierten europäischen Elite. Diese dürfte sich in seinen Überlegungen an so manches eigene Gespräch in den Restaurants und Cafés von Brüssel, Straßburg oder Berlin erinnert fühlen. Den "normalen Bürger" holt Wilkens mit diesem Buch nicht ab. Es bleibt ein Buch der Selbstvergewisserung für alle Pro-Europäer. Ein Buch aus der Blase für die Blase.
HENDRIK KAFSACK
Andre Wilkens:
"Der diskrete Charme
der Bürokratie".
Gute Nachrichten aus Europa.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2017. 320 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andre Wilkens zieht gegen die EU-Skepsis zu Felde - aber wen erreicht er damit?
Auf dieses Buch haben sie gewartet, in Brüssel und Berlin, in der Europa-Union und den etablierten Parteien von Grün bis Schwarz. Es ist das Buch zur "Pulse of Europe"-Bewegung. Der Versuch, dem ewigen Lamentieren und Kritisieren an der Europäischen Union, dem realen Brexit, dem drohenden Frexit, Nigel Farage, Marine Le Pen, Alexander Gauland und ja, auch Donald Trump eine positive Botschaft für die und über die EU - heute würde man wohl eher von einem Narrativ sprechen - entgegenzustellen. Geschrieben hat "Der diskrete Charme der Bürokratie. Gute Nachrichten aus Europa" der (Ost-)Berliner Andre Wilkens. Er ist das Ideal des "wahren Europäers".
Nach dem Fall der Mauer brach er mit dem Lada von Berlin nach Brüssel auf, machte ein Praktikum bei der Kommission, verliebte sich in seine heutige englische Frau und blieb. In den folgenden Jahren arbeitete Wilkens in Brüssel, studierte noch einmal in London, zog nach Mailand, machte einen kurzen Abstecher nach Genf und kehrte schließlich nach Berlin zurück. Er arbeitete für EU-Institutionen, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und eine Werbeagentur. Ein Leben, an dem entlang sich eine andere Geschichte als die von Euro-Krise und Euroskepsis erzählen lässt, eine Geschichte, die "Menschen berühren, inspirieren, mitreißen" soll, wie es im Buch heißt.
Ein Kalkül, das im Ansatz gar nicht schlecht funktioniert. Wer Wilkens Reise durch Europa, die noch dazu außerhalb - in der DDR - beginnt, verfolgt, ihn in englische Pubs und italienische Intensiv-Barista-Kurse begleitet, ihn über seine Mitarbeit im Erasmus-Projekt, dem Austauschprogramm der EU, sprechen hört, kann nachvollziehen, warum Wilkens ein "Fan von Europa" ist. Zudem gelingt es dem Autor, den Leser auf diesem Weg en passant durch die Geschichte und das intuitiv wahrlich nicht leicht zu erschließende Gestrüpp der diversen EU-Institutionen mitzunehmen.
Wer verstehen will, in welchem Verhältnis EU-Kommission, Europaparlament und Ministerrat zueinander stehen, was die diversen EU-Agenturen machen und wofür es Einrichtungen wie den "Rat der Gemeinden und Regionen" gibt, ist bei Wilkens besser aufgehoben als bei manchem Lehrbuch zur Europäischen Union. Jenseits des Anekdotischen und Erklärenden überzeugt Wilkens weniger. Da wird die Europäische Union auf die imaginäre Coach von Sigmund Freud zu einer eher albernen Psychoanalyse verfrachtet, im Epilog wird der selbstmordgefährdeten "Frau Europa Union" vor Augen geführt, wie sich Europa ohne sie (natürlich viel schlechter) entwickelt hätte. Es gibt ein Kapitel über europäische Architektur und den Eurovision Song Contest, die wie Fremdkörper wirken, als habe der Verlag Wilkens aufgefordert, noch irgendetwas "ohne EU" zu Europa einzufügen. Vieles wirkt eher angedacht als durchdacht, etwa wenn Wilkens die Entwicklung des Fußballregelwerks mit der Entwicklung der EU-Verträge vergleicht.
Das gilt auch für das namengebende erste Kapitel, über den diskreten Charme der Bürokratie. Das ist natürlich als Provokation gemeint. Tatsächlich ließen sich wohl so einige Argumente dafür anführen, warum sich die Europäische Union zu Recht fünfzigtausend teuer bezahlte Beamte leistet. Wilkens listet auch einige auf. Am Ende aber besteht der "diskrete Charme der Bürokratie" vor allem darin, dass es immer noch besser ist, Eurokraten zu erdulden, als Krieg zu führen.
Am Ende wirkt vieles im Buch wie von der Kommissions-Internetseite zur Richtigstellung von "EU-Mythen" abgeschrieben. Vor allem hat Wilkens eben auch keine überzeugende Idee dazu, wie die Europäer wieder von der Europäischen Union eingenommen werden könnten. Die Überschrift des achtzehnten Kapitels ("Woanders is' auch Scheiße") ist in dieser Hinsicht durchaus entlarvend. Letztlich verfällt auch Wilkens in seinem abschließenden "Eurovisionen" auf den reichlich "durchgekauten" und kaum zu bezahlenden Vorschlag, jedem Europäer zum achtzehnten Geburtstag ein Interrail-Ticket zu schenken. Das zumindest würde es normalen Bürgern erlauben, im Ansatz Wilkens' Begeisterung nachzuvollziehen - auf etwas bodenständigere Weise.
Denn letztlich ist die große Stärke des Buches - Wilkens' Leben in und mit der Europäischen Union - zugleich seine große Schwäche. Denn seine Perspektive ist jene der privilegierten europäischen Elite. Diese dürfte sich in seinen Überlegungen an so manches eigene Gespräch in den Restaurants und Cafés von Brüssel, Straßburg oder Berlin erinnert fühlen. Den "normalen Bürger" holt Wilkens mit diesem Buch nicht ab. Es bleibt ein Buch der Selbstvergewisserung für alle Pro-Europäer. Ein Buch aus der Blase für die Blase.
HENDRIK KAFSACK
Andre Wilkens:
"Der diskrete Charme
der Bürokratie".
Gute Nachrichten aus Europa.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2017. 320 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit einem energischen Ja tritt Andre Wilkens jeglichem Euroskeptizismus entgegen. [...] Mit Witz erzählt Wilkens die Geschichte Europas anhand der eigenen Biografie neu Isabelle-Christine Panreck Der Tagesspiegel 20170830