Der Regensburger Dom dürfte das bedeutendste gotische Bauwerk in Süddeutschland sein und zeigt in seinem ungewöhnlich guten Erhaltungszustand, wie vielschichtig eine mittelalterliche Bischofskirche gewesen ist: Architektur, Skulptur, Glasmalereien, Altäre, liturgische Ausstattung fließen zu einer Einheit zusammen, deren Facettenreichtum sich nur in einer Gesamtschau erschließt. In leicht verständlicher, ja spannender Schilderung wird die Baugeschichte chronologisch verfolgt. Man sieht die Kathedrale von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wachsen. Die Persönlichkeiten engagierter Bischöfe und Baumeister werden dabei lebendig, aber auch die Leistungen der anonym gebliebenen Handwerker. Die mit Genuss zu betrachtenden räumlichen Zeichnungen geben einen leicht faßlichen Einblick selbst in kompliziertere Zusammenhänge. Die zahlreichen Abbildungen zeigen den Dom in seiner Schönheit und seinem künstlerischen Reichtum.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2019Regensburg,
Dom, total
Eine fünfbändige Publikation,
die Maßstäbe setzt
Mehr kann ein Verlag für ein Gebäude, das sich in seiner Stadt befindet, nicht tun als der Regensburger Verlag Friedrich Pustet für den Dom in Regensburg. Bei Pustet ist 1995 unter dem Titel „Der Dom zu Regensburg“ ein Bildband erschienen, in dem der Kunsthistoriker Achim Hubel die Geschichte des Bauwerks von seiner Entstehung im hohen Mittelalter bis in unsere Zeit auf gut lesbare Weise referiert und mit zahlreichen Abbildungen lebendig macht. Dieses kunsthistorische Einführungswerk wurde 2001 durch den Fotoband „Kathedrale im Licht“ wirkungsvoll ergänzt. In diesem Buch hat der Fotograf Stefan Hanke die fast dramatischen Wandlungen, die der Dom im Lauf des Tages im Licht erfährt, mit den Mitteln der Schwarz-Weiß-Fotografie suggestiv beschworen.
Alle gewohnten Publikationsmaßstäbe aber sprengt die von Achim Hubel und dem Bauhistoriker Manfred Schuller herausgegebene fünfbändige Publikation „Der Dom zu Regensburg“, die im Rahmen der Reihe „Kunstdenkmäler von Bayern“ von einem Heer von Wissenschaftlern erarbeitet worden ist. Die beiden überwältigend reich bebilderten Foto-und Tafelbände, die den Textbänden vorausgingen, waren schon nach wenigen Monaten vergriffen. Doch sie sind rechtzeitig nachgedruckt worden, sodass, als auch der letzte Textband ausgeliefert wurde, das Forschungsprojekt erstmals in seinen ungeheuren Dimensionen begreifbar wurde.
Im schwergewichtigen Band der „Fotodokumentation“, dem wir auch unsere Abbildung entnehmen, sind auf 800 Seiten nicht weniger als 2687 Fotografien abgedruckt, die während der umfassenden Restaurierungsarbeiten im Inneren wie am Äußeren angefertigt worden sind. Sie führen uns in alle Winkel des Gebäudes bis hinauf in die obersten Etagen des Dachstuhls. Wir schweben wie in einem Film über die Fassaden hinweg, bekommen alle skulpturalen Elemente in Detailaufnahmen vorgeführt. Die Portale mit ihren Gewändefiguren, die Reihen der Wasserspeier, aber auch die plastischen Meisterwerke im Inneren, die an den Pfeilern angebracht sind oder an den Wänden auf Konsolen ruhen, werden in ihrer unerschöpflichen Vielfalt gewürdigt. Noch nie ist ein Baukunstwerk ähnlich gründlich erforscht und ähnlich präzis in Bildern dokumentiert worden.
Noch aufregender ist aber, was der DIN A 3 große Tafelband mit seinen acht gewaltigen Aufschlagtafeln und den Hunderten ganzseitigen Auf- und Grundrisszeichnungen über das allmähliche Heranwachsen des gotischen Doms in den langsam verschwindenden Resten des romanischen Vorgängerbaus zu erzählen hat. Anhand der Pläne, die jeden einzelnen Steinblock im Bauwerk erfassen und einer bestimmten Bauphase zuordnen, könnte man den Dom fast im Rhythmus seiner Entstehung heute noch einmal errichten.
In den Textbänden werden die Vorgänge, die man in den Bildbänden beobachten kann, präzise erläutert und beschrieben. Aber auch riesige Bildstrecken sind hier eingebaut. So bietet der erste Band neben sämtlichen schriftlichen Dokumenten , die zum Dombau erhalten sind, eine Anthologie historischer Ansichten des Doms von den Rissen des Mittelalters bis zu den Stadtansichten neusachlicher Maler. Der zweite Band ist ganz der kunstgeschichtlichen Einordnung des Doms, seiner Architektur, seiner Glasmalereien, seiner Skulpturen und seiner Bauplastik gewidmet. Im dritten Band aber hat das Wissenschaftler-Team die in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse über die Farbfassungen mittelalterlicher Bauten und ihrer Bildwerke systematisiert. Wir bekommen digital vorgeführt, wie beispielsweise die Hochwände und das Gewölbe des Chors um 1320 eingefärbt waren oder wie die beiden berühmten Figuren des Erminoldmeisters an den Vierungspfeilern – Maria und der ihr zugewandte Verkündigungsengel – ausgesehen haben, als sie, in kräftigen Farben leuchtend, um 1280 einander gegenübergestellt wurden.
Nun darf man gespannt sein, ob die editorische Großtat, die in Regensburg gelungen ist, Vorbild sein kann für ähnliche wissenschaftliche Großunternehmungen an anderen Orten.
GOTTFRIED KNAPP
Achim Hubel / Manfred Schuller: Der Dom zu Regensburg. Gesamtwerk Band 1 - 5. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2018. 2959 Seiten, 268 Euro.
Hauptportal des Doms, zwischen 1385 und 1420/30.
Foto: Verlag Friedrich Pustet
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Dom, total
Eine fünfbändige Publikation,
die Maßstäbe setzt
Mehr kann ein Verlag für ein Gebäude, das sich in seiner Stadt befindet, nicht tun als der Regensburger Verlag Friedrich Pustet für den Dom in Regensburg. Bei Pustet ist 1995 unter dem Titel „Der Dom zu Regensburg“ ein Bildband erschienen, in dem der Kunsthistoriker Achim Hubel die Geschichte des Bauwerks von seiner Entstehung im hohen Mittelalter bis in unsere Zeit auf gut lesbare Weise referiert und mit zahlreichen Abbildungen lebendig macht. Dieses kunsthistorische Einführungswerk wurde 2001 durch den Fotoband „Kathedrale im Licht“ wirkungsvoll ergänzt. In diesem Buch hat der Fotograf Stefan Hanke die fast dramatischen Wandlungen, die der Dom im Lauf des Tages im Licht erfährt, mit den Mitteln der Schwarz-Weiß-Fotografie suggestiv beschworen.
Alle gewohnten Publikationsmaßstäbe aber sprengt die von Achim Hubel und dem Bauhistoriker Manfred Schuller herausgegebene fünfbändige Publikation „Der Dom zu Regensburg“, die im Rahmen der Reihe „Kunstdenkmäler von Bayern“ von einem Heer von Wissenschaftlern erarbeitet worden ist. Die beiden überwältigend reich bebilderten Foto-und Tafelbände, die den Textbänden vorausgingen, waren schon nach wenigen Monaten vergriffen. Doch sie sind rechtzeitig nachgedruckt worden, sodass, als auch der letzte Textband ausgeliefert wurde, das Forschungsprojekt erstmals in seinen ungeheuren Dimensionen begreifbar wurde.
Im schwergewichtigen Band der „Fotodokumentation“, dem wir auch unsere Abbildung entnehmen, sind auf 800 Seiten nicht weniger als 2687 Fotografien abgedruckt, die während der umfassenden Restaurierungsarbeiten im Inneren wie am Äußeren angefertigt worden sind. Sie führen uns in alle Winkel des Gebäudes bis hinauf in die obersten Etagen des Dachstuhls. Wir schweben wie in einem Film über die Fassaden hinweg, bekommen alle skulpturalen Elemente in Detailaufnahmen vorgeführt. Die Portale mit ihren Gewändefiguren, die Reihen der Wasserspeier, aber auch die plastischen Meisterwerke im Inneren, die an den Pfeilern angebracht sind oder an den Wänden auf Konsolen ruhen, werden in ihrer unerschöpflichen Vielfalt gewürdigt. Noch nie ist ein Baukunstwerk ähnlich gründlich erforscht und ähnlich präzis in Bildern dokumentiert worden.
Noch aufregender ist aber, was der DIN A 3 große Tafelband mit seinen acht gewaltigen Aufschlagtafeln und den Hunderten ganzseitigen Auf- und Grundrisszeichnungen über das allmähliche Heranwachsen des gotischen Doms in den langsam verschwindenden Resten des romanischen Vorgängerbaus zu erzählen hat. Anhand der Pläne, die jeden einzelnen Steinblock im Bauwerk erfassen und einer bestimmten Bauphase zuordnen, könnte man den Dom fast im Rhythmus seiner Entstehung heute noch einmal errichten.
In den Textbänden werden die Vorgänge, die man in den Bildbänden beobachten kann, präzise erläutert und beschrieben. Aber auch riesige Bildstrecken sind hier eingebaut. So bietet der erste Band neben sämtlichen schriftlichen Dokumenten , die zum Dombau erhalten sind, eine Anthologie historischer Ansichten des Doms von den Rissen des Mittelalters bis zu den Stadtansichten neusachlicher Maler. Der zweite Band ist ganz der kunstgeschichtlichen Einordnung des Doms, seiner Architektur, seiner Glasmalereien, seiner Skulpturen und seiner Bauplastik gewidmet. Im dritten Band aber hat das Wissenschaftler-Team die in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse über die Farbfassungen mittelalterlicher Bauten und ihrer Bildwerke systematisiert. Wir bekommen digital vorgeführt, wie beispielsweise die Hochwände und das Gewölbe des Chors um 1320 eingefärbt waren oder wie die beiden berühmten Figuren des Erminoldmeisters an den Vierungspfeilern – Maria und der ihr zugewandte Verkündigungsengel – ausgesehen haben, als sie, in kräftigen Farben leuchtend, um 1280 einander gegenübergestellt wurden.
Nun darf man gespannt sein, ob die editorische Großtat, die in Regensburg gelungen ist, Vorbild sein kann für ähnliche wissenschaftliche Großunternehmungen an anderen Orten.
GOTTFRIED KNAPP
Achim Hubel / Manfred Schuller: Der Dom zu Regensburg. Gesamtwerk Band 1 - 5. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2018. 2959 Seiten, 268 Euro.
Hauptportal des Doms, zwischen 1385 und 1420/30.
Foto: Verlag Friedrich Pustet
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