Der Geschichtslehrer Afonso lebt seit der Scheidung von seiner Frau allein. Schulalltag und Privatleben haben ihn desillusioniert. Er neigt zu Depressionen. Seine angespannte psychische Situation bleibt dem aufmerksamen Umfeld nicht verborgen. Ein Kollege aus dem Lehrerkollegium macht ihn auf einen
Film aufmerksam, den er sich zur Ablenkung anschauen soll. In diesem Film entdeckt Afonso einen…mehrDer Geschichtslehrer Afonso lebt seit der Scheidung von seiner Frau allein. Schulalltag und Privatleben haben ihn desillusioniert. Er neigt zu Depressionen. Seine angespannte psychische Situation bleibt dem aufmerksamen Umfeld nicht verborgen. Ein Kollege aus dem Lehrerkollegium macht ihn auf einen Film aufmerksam, den er sich zur Ablenkung anschauen soll. In diesem Film entdeckt Afonso einen Nebendarsteller, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Fassungslos schaut er sich die Szene erneut an. Das Drama beginnt.
Nach einigen Tagen intensiver Recherche gelingt es ihm, seinen Doppelgänger zu ermitteln. Die perfekte äußerliche Übereinstimmung überrascht beide. Wer ist das Original und wer die Kopie? Nach einem längeren Gespräch, das nicht frei ist von Provokationen, vereinbaren sie, sich nicht wieder zu treffen. Aber die Büchse der Pandora ist geöffnet. Nach dem Motto „Es kann nur einen geben“ spitzt sich die Situation zu. Das Ende des Romans ist nicht vorhersehbar.
Dem wissenschaftlich interessierten Leser bleibt Saramago die Antwort schuldig, wie denn die Verdoppelung zustande gekommen ist. Er beschreibt ausschließlich deren Auswirkungen. Die biologischen Ursachen bleiben im Dunkeln. Der Doppelgänger dient als Mittel zum Zweck. Im Fokus stehen Afonsos Identitätsprobleme. Saramago thematisiert seine psychische Zerrissenheit. Hierzu passen auch Nebensächlichkeiten, wie Afonsos Unzufriedenheit mit seinem ersten Vornamen, die Untersuchung der Videos, seine Erlebnisse in der Videothek und der Vorschlag, die Geschichte rückwärts zu lehren.
Saramago verwendet keine Anführungszeichen für die wörtliche Rede, sondern trennt Dialoge mit Beistrichen. Die jeweils folgende wörtliche Rede beginnt wieder mit Großbuchstaben. Eine weitere persönliche Note verleiht Saramago dem Roman durch immer wieder eingeschobene Zwiesprachen mit dem „gesunden Menschenverstand“ - auch dies ein Indiz für Afonsos innere Spaltung. „Der Doppelgänger“ ist ein Leseerlebnis der besonderen Art.