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"Warum? Sie töten unsere Seelen, die nur dafür da sind, um zu lieben. Aber trotzdem werde ich euch nicht verfluchen, weil auch ihr Väter von Kindern seid, die Frieden und Glück suchen." Die zwölfjährige Nina aus Sarajewo schreibt diese Sätze in ihr Tagebuch, wenige Tage bevor sie auf dem Schulweg durch eine Granate getötet wird. Basierend auf Ninas Tagebuch schickt der Journalist Peter Münch einen fiktiven Freund Ninas auf die Suche nach dem toten Mädchen und dem Sinn des Krieges.

Produktbeschreibung
"Warum? Sie töten unsere Seelen, die nur dafür da sind, um zu lieben. Aber trotzdem werde ich euch nicht verfluchen, weil auch ihr Väter von Kindern seid, die Frieden und Glück suchen." Die zwölfjährige Nina aus Sarajewo schreibt diese Sätze in ihr Tagebuch, wenige Tage bevor sie auf dem Schulweg durch eine Granate getötet wird. Basierend auf Ninas Tagebuch schickt der Journalist Peter Münch einen fiktiven Freund Ninas auf die Suche nach dem toten Mädchen und dem Sinn des Krieges.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Elvis und das Mädchen aus Sarajevo
Ein Tagebuch erzählt vom Krieg / Von Eva-Maria Magel

Eines Tages kommt ein Päckchen mit Schokolade darin. Als die Mutter sagt, jeden Tag solle das Kind nur ein Stück essen, um länger von dem Vorrat zu zehren, sagt das Kind: "Ach Mama, wer weiß, vielleicht bin ich schon morgen tot."

Nina, die eigentlich Nirvana heißt, was "himmlischer Frieden" bedeutet, denkt oft über den Tod nach. Ihr Tagebuch ist das Herzstück von Peter Münchs Jugendbuch "Der Duft des Lindenbaums". Auf den mit Aufklebern und Zeichnungen verzierten Seiten schreibt sie von Spielen mit ihren Freundinnen, sie schreibt viele Male den Namen Dino und dass sie in ihn verliebt sei. Sie berichtet mit vielen Ausrufezeichen über verkicherte Nachmittage, Streit und kleine Flirts in der Straße: Nina ist ein ganz normales Mädchen an der Schwelle der Pubertät. Am liebsten geht sie zum Training und übt für Wettkämpfe in lateinamerikanischen Tänzen. Meist aber fällt das Training aus, weil überall geschossen wird. Sie schreibt von Hunger, Aufenthalten im Schutzkeller und davon, dass sie Angst hat. "Verdammter Krieg!" steht in Großbuchstaben da - ihre Freundinnnen konnten der Schüsse wegen nicht zu ihrem Geburtstag kommen.

So sieht die Welt aus, in der die 12 Jahre alte Nina Zeljkovic gelebt hat, bis sie am 27. August 1995 beim Spielen in der Tepebasinastraße von Sarajevo von einer Granate getroffen wurde und wenige Tage später starb. Vermutlich war sie das letzte Kind, das am Bosnien-Krieg gestorben ist. Einige Wochen später war er vorbei, im Dezember 1995 wurde das Abkommen von Dayton unterzeichnet.

Derlei Informationen allerdings enthält Münch seinen Lesern vor. Eine historische und geographische Orientierung gibt es weder im Nachwort noch in der Rahmenhandlung, obwohl "Der Duft des Lindenbaums" mehr sein will als die Übertragung von Ninas Tagebuch ins Deutsche. Münch, der als Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung" darüber berichten wollte, wie es in Sarajewo zehn Jahre nach dem Kriegsende zugeht, hat die Familie Zeljkovic kennengelernt und von Ninas Tagebuch erfahren. Kurios, dass er nicht der Einzige ist, den gerade dieses Kinderschicksal interessiert hat: Durch einen Zufall hat der australische Dokumentarfilmer Tahir Cambis jenen Tanzwettbewerb festgehalten, an dem Nina einen Tag vor der tödlichen Attacke teilnahm. Der Ausschnitt aus seinem Emmy-gekürten Film "Exile in Sarajevo" ist im Internet zu sehen (http://australianscreen.com.au/titles/exile-sarajevo/clip1/). Auch der Film wird in der fiktiven Rahmenhandlung erwähnt, in die Münch das Tagebuch bettet. Denn das Tagebuch allein, so eindrucksvoll es als Dokument ist, reicht nicht aus für eine Publikation. Es fehlt der Kontext, der basso continuo zu Ninas Alltag.

Schon die Wahl dieses Ich-Erzählers, der all dies liefern soll, wirkt allerdings allzu bemüht. Denn Münch fühlt sich, obwohl er doch das Genre Roman gewählt hat, ganz der Authentizität verpflichtet. Und Nina hat, ähnlich wie Anne Frank an die fiktive Kitty, ihr Tagebuch an einen "Vili" adressiert. Also erfindet Münch nach realem Vorbild den Erzähler Elvis, Spitzname "Vili". Der ist 22 Jahre alt und war vor dem Krieg nach München geflohen, nun kehrt er in seine Geburtsstadt Sarajevo zurück. Münch lässt den fiktiven Elvis zufällig die - echte - Gedenkplakette für Nina entdecken und macht ihn zum ehemaligen Schulkameraden Ninas. Elvis alias Vili erzählt sozusagen die Lücken in Ninas Tagebuch und wie es nach ihrem Tod weiterging. Doch diese gut gemeinte Fiktion stillt weder die Neugier ganz noch das Bedürfnis nach einer gut erzählten Geschichte.

Das Berührendste an Ninas Tagebuch ist gewissermaßen seine Harmlosigkeit - auch wenn die Schreiberin weiß, was auf dem Spiel steht: "Alle Kinder lieben den Frieden. / Dann werden sie fröhlich spielen / und glücklich wachsen" lautet eines der Gedichte, die sie geschrieben hat.

Ninas schlichter Wahrheit aber hat Münchs Rahmenhandlung nichts gleich Kraftvolles entgegenzusetzen. Sie speist sich aus den Schilderungen ihrer Familie und aus den Kenntnissen des Autors und vereint allzuoft Platitüde und Pathos: "Wenn es wenigstens nachträglich einen Sinn ergeben sollte, dass Nina diese Briefe an mich geschrieben hatte, dann musste ich eine Schuld ausgleichen. Ich musste versuchen, Ninas Leben im Krieg zu verstehen", heißt es etwa.

Verstehen aber kann niemand sonderlich viel, wenn sich der Verfasser hinter einem jungen Ich-Erzähler versteckt, der sagt, die Friedenstruppe "machte nichts anderes, als dem Krieg zuzuschauen", und zum Bosnien-Krieg nur zu sagen weiß: "Warum sich die Menschen gegenseitig umbrachten. Ich habe es ihnen auch nicht erklären können, denn ich habe es selber nicht verstanden." Dass die 12 Jahre alte Nina in ihrem Tagebuch beim "Warum?" verharrt, ist die eine Seite. Die andere ist ein "Roman über die Sinnlosigkeit des Krieges", der keinen Versuch unternimmt, dieser Sinnlosigkeit mit der Kraft der Sprache auf die Schliche zu kommen.

Peter Münch: "Der Duft des Lindenbaums". Ein Tagebuch aus Sarajewo. Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2008. 190 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2008

„Ich werde euch
nicht verfluchen”
Das Tagebuch einer Zwölfjährigen, die in Sarajewo getötet wurde
Nina Zeljkovic ist 12 Jahre alt, als in Sarajewo der Krieg in den vierten Sommer geht. Mit aller Kraft versucht sie, ein ganz normales Leben zu leben. Sie hat sich verliebt, sie will Spaß haben, zum Tanztraining gehen, Freunde treffen. All das vertraut sie ihrem Tagebuch an. Doch sie schreibt auch über ihre Angst in den langen Tagen und Nächten des Granatenhagels, über Hunger am Geburtstag und über die vergeblichen Versuche, zu verstehen, was um sie herum passiert. „Warum? Sie töten unsere Seelen, die nur dafür da sind, um zu lieben. Aber trotzdem werde ich euch nicht verfluchen, weil auch ihr Väter von Kindern seid, die Frieden und Glück suchen.” Kurze Zeit nach diesem Eintrag wird Nina im Spätsommer 1995 in den letzten Tagen des Krieges beim Spielen auf der Straße von einer Granate getötet.
SZ-Redakteur Peter Münch ist bei einer Reportagereise nach Sarajewo auf Ninas Aufzeichnungen gestoßen. Ihr Tagebuch hat er zum dokumentarischen Kern eines Romans gemacht, der das Leben dieses Kindes im Krieg erzählt. Es ist eine wahre Geschichte, die von einem halb-fiktiven Freund Ninas namens Elvis erzählt wird. Dieser Elvis kehrt zehn Jahre nach Kriegsende aus Deutschland nach Sarajewo zurück. Er entdeckt eine Gedenktafel für Nina, findet ihre Familie, findet das Tagebuch – und geht damit auf Spurensuche in Sarajewo.
PETER MÜNCH: Der Duft des Lindenbaums. Ein Tagebuch aus Sarajewo. Ravensburger Buchverlag, 2008. 192 Seiten, 12,95 Euro. Ab 12 Jahre.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieses Buch ist eine eigentümliche und, wie die Rezensentin Eva-Maria Magel findet, auch befremdliche Mischung aus Fakt und Fiktion. Das Tagebuch der zwölf Jahre alten, in Sarajevo lebenden Nina Zeljkovic, die Ende August 1995 als eines der letzten Opfer des Jugoslawien-Kriegs ums Leben kam, existiert wirklich. Nichts daran ist sehr außergewöhnlich, seinen Wert und seinen Reiz erhält es in erster Linie als Zeugnis eines Lebens im Krieg - von dessen Gefährdungen ist oft die Rede. Nicht gelungen scheint der Rezensentin in erster Linie der Versuch, dieses Tagebuch durch die Erfindung eines Ich-Erzählers namens Elvis zu rahmen. Allzu ungelenk versuche der Autor dadurch, Lücken im Tagebuch durch Fiktionen zu füllen. Leider aber tue er das nicht selten mit "Platitüde und Pathos", so dass alles, was dieses Buch dem Originalmaterial hinzufügt, wenig Verständnishilfe bietet, so Magel.

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