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"Ich bin die Krankheit und die Medizin, ich bin die kanzeröse Zelle und das verpflanzte Herz, ich bin die Immunsystem schwächende Kraft. ich bin die Enden der eisernen Fäden, die meinen Brustkorb zusammenhalten und die Einspritzöffnung, die für den Rest meines Lebens unterhalb meines Schlüsselbeins angebracht ist, so wie ich früher bereits die Schrauben in meiner Hüfte und die Platte in meinem After war."

Produktbeschreibung
"Ich bin die Krankheit und die Medizin, ich bin die kanzeröse Zelle und das verpflanzte Herz, ich bin die Immunsystem schwächende Kraft. ich bin die Enden der eisernen Fäden, die meinen Brustkorb zusammenhalten und die Einspritzöffnung, die für den Rest meines Lebens unterhalb meines Schlüsselbeins angebracht ist, so wie ich früher bereits die Schrauben in meiner Hüfte und die Platte in meinem After war."
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Autorenporträt
Jean-Luc Nancy, geb. 1940, ist Professor für Philosophie an der Université Marc Bloch in Straßburg. Er war als Gastprofessor auch in Berlin, Irvine, San Diego und Berkeley tätig.

Alexander García Düttmann ist Professor für Philosophie und Visuelle Kultur am Goldsmiths College der University of London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2000

Das Ich als Index
Philosophie am offenen Herzen: Jean-Luc Nancys „Eindringling”
„Mein Herz wurde zu meinem Fremden”, schreibt Jean-Luc Nancy, und man muss das, zunächst, ganz wörtlich nehmen. Im Jahr 1991 musste der französische Philosoph sich einer Herztransplantation unterziehen. Und der Begriff des Fremden, der gerade die französische Philosophie immer wieder bestimmt, wurde ganz konkret für ihn. Das Herz des Fremden, das fremde Herz: „Fremd wurde es gerade deshalb, weil es sich innen befand. Von Außen konnte der Fremde nur in dem Maße kommen, in dem er zunächst innen aufgetaucht war. ”
Es ist ein schmerzliches Stück Philosophie, das Nancy in Der Eindringling/L’Intrus nun präsentiert. Die Konzentration des Textes steht dem oft weitschweifigen Lamento entgegen, mit der sonst Krankheits- und Heilungsgeschichten marktgerecht geschrieben werden. Nancy registriert die Veränderungen des Körpers nach der Operation, seine Konfrontation mit dem fremden Herzen mit unglaublicher Nüchternheit – die Schwächung der Nierenfunktion, die starke Trägheit, schließlich eine Krebsgeschwulst, die durch die begleitenden Mittel sich entwickelt. Und er reflektiert die philosophischen Nebenwirkungen der medizinischen Behandlung – die Veränderungen von Ich und Identität.
Das Ich-Sagen hat eine lange Tradition in der französischen Philosophie. Von Rousseau oder Descartes bis Michel Onfray und Michel Serres wird vor den jenseitigen Dingen die physische, die körperliche Erfahrung behandelt. In Frankreich ist zugleich mit L’Intrus ein weiteres Buch von Nancy herausgekommen, das eher abstrakter operiert, Le Regard du portrait (beide bei Galilée, Paris), und dazu ist ein Band erschienen, den der Kollege Jacques Derrida dem Straßburger Philosophen widmet (Le Toucher, Jean-Luc Nancy, ebenfalls Galilée).
Der kranke Philosoph – bei Nancy wird seine Krankheit fast eine Voraussetzung für die Philosophie. Der eigene Körper, nicht nur das Herz des Fremden, ist ihm völlig fremd geworden, und diese Erfahrung geht weit über jede Subjekts- und Identitätskrise hinaus. Die Fremdbestimmung, die Kontrolle durch Mediziner und ihre Geräte, die Mühe sich zu konzentrieren geben dem Gang der Gedanken doppelte Schärfe. Eine der radikalsten, der erstaunlichsten Erfahrungen, war im Kampf gegen den Krebs die Verpflanzung von Stammzellen, ein komplexer Prozess, in dem das Immunsystem geschwächt wurde, um die Produktion von Lymphozyten anzuregen. „Man fühlt sich nach diesem Abenteuer verirrt und verwirrt. Man erkennt sich nicht wieder. Doch hat es keinen Sinn, weiterhin von einem ,Wiedererkennen‘ zu reden. Bald schwebt man nur noch, in der Fremdheit einer Suspension, zwischen Zuständen, die man nicht richtig bestimmen kann, zwischen Schmerzen, Ohnmacht und Versagen. Sich zu sich selbst zu verhalten ist zu einem Problem geworden, zu etwas Schwierigem und Undurchsichtigem. Es geschieht durch Schmerz, Leiden oder Angst hindurch, und ist nichts Unmittelbares mehr. Vermittlungen aber ermüden. ”
Abstoßung, Widerstand hat Nancy von Kindheit an erfahren, auch in komischen Formen. Der Vater war fünf Jahre Besatzungsoffizier in Baden-Baden. „Nach unserer Rückkehr”, erzählt Nancy in einem Interview der Zeitung Libération, „spotteten meine Schulkameraden über mich, weil meine Mutter darauf bestand, mich bayerisch anzuziehen, mit Lederhosen und so. ”
Der Merve Verlag Berlin hat L’Intrus in einer zweisprachigen Ausgabe herausgebracht – und gerade im französischen Original lernt man das Staunen über die unsentimentale Präzision dieses Denkens. Wie es Schmerzen und Erschöpfung in reflexive Passagen verwandelt. Und dabei an gesellschaftliche Fragen stößt, politisch wird. Der Mensch wird zu seinem eigenen Eindringling, am Ende ist es kaum noch Philosophie, was Nancy treibt, sondern Science-Fiction – er verwandelt sich in einen Androiden oder, wie sein jüngster Sohn sagt, in einen Scheintoten. So erinnert die Arbeit des Philosophen Nancy an das, was sonst die berüchtigten mad scientists machen. „Das ,Ich‘ ist deutlich zum formalen Index einer nicht nachprüfbaren und nicht faßbaren Verkettung geworden. Immer schon hat sich zwischen meinem Selbst und meinem Selbst ein Zeitraum erstreckt; doch jetzt ist da die Öffnung eines Einschnitts, das Unversöhnliche einer Immunität, der man in die Quere gekommen ist. ”
FRITZ GÖTTLER
JEAN-LUC NANCY: Der Eindringling/L’Intrus. Das fremde Herz. Aus dem Französischen von Alexander Garcia Düttmann. Merve Verlag, Berlin 2000. 60 Seiten, 14 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Eine kurze Lesempfehlung schickt Krischan Schroth seiner ansonsten kommentarlosen Abhandlung des Buches von Jean-Luc Nancy hinterher. Ein Essay, der persönliches Erleben mit.philosophischen Betrachtungen verknüpft, teilt uns der Rezensent mit. Aber wie schreibt dieser Autor, was fasziniert den Rezensenten? Der lässt uns die Antwort nur erahnen, indem er den Autor Sätze lang zitiert. Nancy selbst hat sich einer Herztransplantation unterzogen, die ihn zu vielerlei Mutmaßungen über das vermeintlich Eigene und vermeintlich Fremde veranlasst. Das Eigene muss der Körper abstoßen und das Fremde nimmt er an, referiert Schroth, indem seine Immunität herabgesetzt wird, also der Körper sich selbst entfremdet wird. Am Ende ist nicht mehr das Herz nur der Eindringling, fasst Schroth Nancys philosophisch gefärbte Eigenerkenntnis zusammen, sondern die Gattung Mensch spielt und ist sich selbst "Der Eindringling". Ob es sich um ein eindringliches Buch handelt - Nancy erkrankte anschließend an Krebs und musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen -, teilt uns der Rezensent im übrigen nicht mit.

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