In einer textnahen Lektüre, die unter der leitenden Thematik der Bildlichkeit steht, rollt die Autorin Goethes "rätselhaftesten Roman" neu auf. Die Sprache selbst wird als Ausgangspunkt des Romans betrachtet: der Roman als Erzählung von einer Sprache, die freilich nicht anders als in der Sprache erzählen kann. Die Selbstreferentialität von Literatur, die Sprache als Thema literarischer Texte ist im Zuge von Literatursemiotik und Dekonstruktion längst als Untersuchungsfeld etabliert. Die Besonderheit der "Wahlverwandtschaften" aber liegt darin, daß Sprache hier in konstitutiver Weise an Bildlichkeit geknüpft wird - und daß das Bild, das der Sprache einfällt, auch in die Sprache einfällt: ihre Grenze markiert. Dieser Einfall des Bildes dehnt die Sprache zugleich, weitet sie in ihr Unartikuliertes: Bildlichkeit scheint mehr oder anderes zu ,zeigen' als die Sprache zu sagen vermag. Aber auch diese Bildlichkeit hat ihre Grenzen. Das dem Bild Vorgängige, die ,Wirklichkeit' als eine zufällige, unfaßbare, chaotische, geht im schönen Schein eines vom Subjekt geordneten Bildes nicht auf. Das Einfallen des Bildes: sein Zerfallen, seine Auflösung bilden diejenige Grenze, an die der Roman sich immer wieder tastend vorwagt.