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Der Theoretiker hält sich dem Leben fern: Ihn interessieren abstrakte Begriffe und Argumente. Aber natürlich steckt hinter jedem Gedankengebäude auch ein Mensch, der es entworfen hat. Und dieser Mensch muss sich immer wieder eingestehen, dass seine Theorien der eigenen Lebenserfahrung möglicherweise widersprechen. Ist es dann überhaupt sinnvoll und möglich, eine solche Theorie zu konstruieren? "Der Einfall des Lebens" porträtiert einflussreiche Philosophen, Soziologen, Ethnologen und Literaturwissenschaftler, deren Theorien eine "autobiographische Wende" nahmen: ein neuer, höchst inspirierender Zugang zur Ideengeschichte der Gegenwart.…mehr

Produktbeschreibung
Der Theoretiker hält sich dem Leben fern: Ihn interessieren abstrakte Begriffe und Argumente. Aber natürlich steckt hinter jedem Gedankengebäude auch ein Mensch, der es entworfen hat. Und dieser Mensch muss sich immer wieder eingestehen, dass seine Theorien der eigenen Lebenserfahrung möglicherweise widersprechen. Ist es dann überhaupt sinnvoll und möglich, eine solche Theorie zu konstruieren? "Der Einfall des Lebens" porträtiert einflussreiche Philosophen, Soziologen, Ethnologen und Literaturwissenschaftler, deren Theorien eine "autobiographische Wende" nahmen: ein neuer, höchst inspirierender Zugang zur Ideengeschichte der Gegenwart.
Autorenporträt
Thomä, DieterDieter Thomä, geboren 1959 in Heidelberg, ist Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen. Zuvor arbeitete er als Redakteur beim Sender Freies Berlin. Er schreibt regelmäßig für Die Zeit, die NZZ und andere Zeitungen und Zeitschriften. Bei Hanser ist erschienen: Väter. Eine moderne Heldengeschichte (2008) und (mit Vincent Kaufmann und Ulrich Schmid) Einfall des Lebens. Theorie als Autobiographie (2015).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Michael Stallknecht gewährt den Autoren Dieter Thomä, Vincent Kaufmann und Ulrich Schmid gern ihre Arbeit am Verhältnis zwischen Philosophie und Autobiografie an 25 Beispielen, Philosophen des 20. Jahrhunderts allesamt. Schon weil die Herren selber Philosophen sind und ihre Motivation zu diesem Band laut Stallknecht sicherlich autobiografischer Natur. Gut nur, findet er, dass der Band Philosophie nicht auf Autobiografisches zu reduzieren versucht, sondern eher versteckte Wechselbeziehungen offenzulegen trachtet, wie Stallknecht erklärt. So bleiben Erörterungen wie die über das Verhältnis von Derridas Dekonstruktivismus zu seiner eigenen Identität oder über Wittgensteins Objektivität als subjektive Notwendigkeit laut Rezensent angenehm undogmatisch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2015

Gemischter Satz

Wie Autobiographie und Theorie zusammenhängen: Drei Autoren widmen sich in einem anregenden Band markanten Figuren der Geistesgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Von Helmut Mayer

An diesem Buch ist vieles bemerkenswert. Schon der Umstand, dass es drei Professoren zu Autoren hat, akademische Üblichkeiten aber hinter sich lässt; und auch den Typus des Sammelbands, den man bei fünfundzwanzig Essays über ebenso viele Autoren eigentlich erwartet. Doch Vincent Kaufmann, Ulrich Schmid und Dieter Thomä haben statt dessen gemeinsam ein dichtes, anregendes Buch komponiert. Es widmet sich einigen Autoren, die in der geistigen Landschaft des zwanzigsten Jahrhunderts markante Spuren hinterließen und gleichzeitig mehr oder minder deutliche autobiographische Akzente setzten.

Das ist freilich eine recht vage Charakterisierung, und die Aufzählung lässt sich kaum ersetzen. Halten wir uns an den starken französischen Anteil, der für sich schon zeigt, welch unterschiedliche Figuren behandelt werden. Nach dem Geburtsjahr gereiht, macht Paul Valéry den Anfang, es folgt die im weiteren Sinn surrealistische Gruppe André Breton, Georges Bataille und Michel Leiris, dann Jean-Paul Sartre, Maurice Blanchot, Claude Lévi-Strauss und Roland Barthes, schließlich Michel Foucault, Pierre Bourdieu, Jacques Derrida, Guy Debord und zuletzt Julia Kristeva. Letztere vertritt mit Stanley Cavell den schmalen Anteil noch lebender Autoren, mit Hannah Arendt, Susan Sontag und Nadja Petöfsky den kaum größeren der Frauen.

Die Namen zeigen, dass "Theorie" und "Autobiographie", wie sie der Untertitel des Buches anführt, in sehr unterschiedlichen Mischungsverhältnissen und Bedeutungen auftreten. Natürlich muss Leiris als hervorstechende Figur autobiographischen Schreibens vertreten sein, aber als Theoretiker im einigermaßen handfesten Sinn wird man ihn kaum führen. Während Lévi-Strauss, um den ethnologischen Übergang zu benutzen, zweifellos ein solcher Theoretiker war, die autobiographische Reflexion aber äußerst zurückhaltend pflegte. Bei Sartre mag das Verhältnis ein wenig ausgeglichener aussehen, rückt man die zahlreichen biographischen Versuche, von Flaubert bis Genet, nicht zu weit von den autobiographischen Texten ab. Dafür steht man beim späten Barthes oder Debord vor Autoren, bei denen theoretische und autobiographische Einsätze ineinander übergehen, freilich auch wieder auf sehr unterschiedliche Weise.

Dieses Spiel der Unterscheidungen kann man weitertreiben. Zumal auch der Untertitel des Bandes, "Theorie als geheime Autobiographie", keinen wirklichen gemeinsamen Nenner gibt und missverständlich ist. Denn es geht um viele Autoren, die aus ihrer autobiographischen Neigung durchaus kein Hehl machten (selbst wenn das eine gute Variante sein kann, Geheimnisse zu verbergen), von deren Aufdeckung also nicht gut die Rede sein kann.

Kurz, es gibt den Hut nicht, unter den die versammelten Autoren passen, kein Prinzip erklärt ihre Auswahl und auch kein bündiges Resümee ihrer Behandlungsart - aber das gerät dem Band nicht zum Nachteil. Zwar versuchen die drei Autoren in einer Einleitung redlich, so etwas wie einen Grundriss zu geben. Aber die Empfehlung ist, diesen Vorspann zu überblättern und gleich je nach den eigenen Vorlieben einen Weg durch die Essays zu wählen. Man bemerkt dann schon, wie sich die "Fälle" zueinander verhalten, auf welche Ähnlichkeiten und Gegenstrebigkeiten abgehoben ist.

Auch auf Filiationen, wie sich an den gewählten französischen Autoren zeigt. Valérys ans Paradoxe streifende Programm einer privaten Wissenschaft vom Geist - immerhin untergründig versetzt mit privaten Weltereignissen, vulgo Liebesgeschichten - ist zwar zu idiosynkratisch, um als Ausgangspunkt zu dienen. Aber eine Generation später zelebriert André Breton - mit leicht vergifteter Reverenz an seinen frühen Mentor Valéry - den Abschied vom Roman, sofern dieser vom autobiographisch ausgewiesenen Pfad der Erkenntnis abirrt ins "bloß" Literarische. Ein Anstoß, der über die wechselnden inneren surrealistischen Zirkel hinaus wirkte.

Der Essay zu Breton ist ein Stück weit Erläuterung dieses Motivs autobiographischer Authentifizierung theoretischer Einsätze, ein Exkurs, um eine Patenfigur gebührend ins Licht zu rücken. Im Übrigen bleiben die Essays aber nahe an ihren Autoren. Sie tun das elegant, kenntnisreich, manchmal auch im Sinn gewagter Interpretationen, die man durchaus nicht alle teilen muss. Es sind Texte, die Lust darauf machen, bei den ins Auge gefassten Autoren gleich wieder oder auch zum ersten Mal nachzulesen. Sie bieten keine akademische Zerschrotung, sondern Anregung zur Lektüre - ein viel zu selten anzutreffender Typus von Buch.

Dieter Thomä, Vincent Kaufmann, Ulrich Schmid: "Der Einfall des Lebens". Theorie als geheime Autobiographie.

Carl Hanser Verlag, München 2015. 416 S., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es sind Texte, die Lust darauf machen, bei den ins Auge gefassten Autoren gleich nachzulesen. Sie bieten keine akademische Zerschrotung, sondern Anregung zur Lektüre - ein viel zu selten anzutreffender Typus Buch." Helmut Mayer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.15

"Das macht das Buch so lesenswert: Für jeden der Porträtierten lotet es das Verhältnis von Ich und Werk bedacht unterschiedlich aus." Maja Beckers, Hohe Luft 6/15

"Das Buch wird geradezu zu einem der spannendsten Bücher über das Geistesleben des 20. Jahrhunderts, wenn man es als eine Art philosophischen Familienroman liest." Walter van Rossum, WDR3, 21.08.15