Das vergnügungssüchtige Kirchenoberhaupt, Sohn von Lorenzo de Medici,"dem Prächtigen", unterhält eine Menagerie mit Vögeln und wilden Tieren, unter ihnen sein Liebling Hanno, ein junger weißer indischer Elefant. Dieser ist als Geschenk des portugiesischen Königs nach Rom gebracht worden. Hanno kann auf Kommando niederknien, tanzen, trompeten und sogar weinen. Er wird nicht nur Liebling des Papstes und des Volkes, sondern auch der Star auf Prozessionen und Festen sowie Gegenstand vieler Bilder und Skulpturen.
Im Land der beginnenden Reformation wird der Elefant zum Symbol für die Weltlichkeit, für Exzesse und Frivolitäten; im Italien jener Epoche steht er für den Beginn eines Goldenen Zeitalters, für Pracht und politische Macht.
Auf der Grundlage literarischer und kunstgeschichtlicher Quellen erzählt der Autor die außergewöhnliche Geschichte des Papstes Leo X. und seines Elefanten. Zugleich läßt der Autor Lebensformen, Machtpolitik und Mentalität im Italien jener Zeit wiederaufleben.
Im Land der beginnenden Reformation wird der Elefant zum Symbol für die Weltlichkeit, für Exzesse und Frivolitäten; im Italien jener Epoche steht er für den Beginn eines Goldenen Zeitalters, für Pracht und politische Macht.
Auf der Grundlage literarischer und kunstgeschichtlicher Quellen erzählt der Autor die außergewöhnliche Geschichte des Papstes Leo X. und seines Elefanten. Zugleich läßt der Autor Lebensformen, Machtpolitik und Mentalität im Italien jener Zeit wiederaufleben.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2007Mit Pauken und Trompeten
Wie ein weißer Elefant Rom eroberte und zum Darling des Papstes wurde
Auf den Straßen Roms wird getanzt und gesungen. Heiterkeit überall, vorbei die Zeiten der Trauer: Der Papst ist gestorben. Ebenso überstürzt wie von niemandem beklagt. Er kam als Fremdling her, und fremd ist er immer geblieben, in der römischen Hochrenaissance. Hadrian VI. kam zwar nicht aus Deutschland, wie man zuletzt so oft hören konnte, aber doch von jenseits der Alpen. Noch mehr als das – er kam aus einer völlig anderen Welt. Humorlos und fromm, betont schlicht und unerträglich sparsam, wurde er zum Schrecken des prunksüchtigen päpstlichen Hofes und der leichtlebigen Stadt. Hadrian VI. war eine Katastrophe für die Römer. Für die Freunde der Feste, des Prunks, der Kunst und des Lachens.
Als sein Vorgänger 1521 starb, Leo X. aus dem Haus Medici, war dies ganz anders. Da herrschte tiefe Trauer in Rom: Untergangsstimmung. Mit diesem Papst hatte man glänzende Zeiten erlebt. Freigiebig und prunkliebend, ein großer Mäzen und Liebhaber des Schönen und Heiteren, war Leo X. ein Fürst, wie er nicht besser passen konnte in diese Stadt und diese Zeit. Einer, der ungeniert den Kirchenschatz verprasste. Ein ruinöser Verschwender. Nicht einmal für seine Beisetzung hatte er genügend Geld hinterlassen. Deshalb auch, so lautet ein Bonmot, nennt man seine Regierungszeit ein Goldenes Zeitalter: weil niemals sonst das Gold so leichtfertig verschleudert wurde. Für Luxus und Divertissements. Fürs Gaukeln und fürs Reimen. Für die heidnische Freude am Leben.
Und auch für Hanno, das Lieblingstier des Papstes, die berühmte Attraktion seiner privaten Menagerie. Einen Elefanten, hatte man in der Stadt seit den Zeiten der Caesaren nicht mehr gesehen. War ein sinnfälligeres Symbol für die Wiedergeburt glorreicher Zeiten denkbar? Natürlich hat der Unterhalt des Elefanten die päpstliche Schatulle arg strapaziert – er verschlang täglich ein veritables Vermögen. Der Elefant bewohnte ein eigens für ihn errichtetes Gebäude auf dem Cortile del Belvedere und wurde betreut von mehreren Hütern. Natürlich ließ man dem Elefanten, als er sterbenskrank wurde, auch die denkbar beste Behandlung widerfahren, von den Leibärzten des Papstes. Sie haben ihm, weil sie nichts anderes zu tun wussten, ein Abführmittel verpasst, ein ganz besonders exquisites: Sie flößten ihm reines Gold im Wert von mehreren hundert Dukaten ein. Natürlich war all das nicht nur ein Riesenspektakel. Es war, in reformatorischen Zeiten, auch ein Riesenskandal.
Silvio A. Bedini, ein emeritierter Historiker von der Smithsonian Institution, hat nun die Geschichte dieses päpstlichen Elefanten geschrieben, der 1514 in die ewige Stadt einzog und 1516 dort eingegangen ist, zur denkbar größten Trauer aller Römer. Eine höchst spannende, vorzüglich recherchierte, ungemein lesenswerte Geschichte. Weil sie sich einer besonders pittoresken Episode aus der römischen Hochrenaissance widmet, die bislang eher in Fußnoten, im Anekdotischen abgehandelt wurde und erstmals so gründlich und ausführlich beleuchtet wird. Und weil Bedini es versteht, in diesem Kuriosum die Wesenszüge der Epoche freizulegen. Die Geschichte Hannos, des weißen Elefanten aus Indien, den der portugiesische König Manuel I. als Hauptattraktion einer ohnehin schon spektakulären Obedienzgesandtschaft nach Rom schickte, um dem Papst zu huldigen und Privilegien zu erwerben, ist letztlich mit allem verbunden, was das Zeitalter prägte und bewegte. Mit der Entdeckung der Neuen Welt und wissenschaftlichem Naturinteresse wie mit dem dunkelsten Aberglauben und apokalyptischen Prophezeiungen. Mit der portugiesischen Seefahrt und der deutschen Reformation. Mit imperialen Gesten und Caesarenwahn, der gelehrten Anknüpfung auch an antike Sitten, und der unwiderstehlichen Schwäche für grausame Streiche und tolldrastische Possen.
Festschmaus für Propaganda
Im schillernden Hofleben Leos X. nimmt der Elefant Hanno eine ebenso symptomatische Rolle ein wie die fürstlich entlohnten, mit Adelstiteln und Burgen beschenkten Musikanten und Dichterlinge. Wie die virtuosen Vielfresser an seiner Tafel, zu deren überaus hochgeschätzten Künsten es etwa gehörte, eine ganze Taube mit einem Biss oder vier Dutzend Eier ohne Pause zu verschlingen. An diesem Hof wurde ein ehemaliger Hundedresseur zum Schatzmeister und ein früherer Barbier zum obersten Siegelbewahrer. Und ein indischer Elefant zum allerliebsten Spielzeug. Zum Symbol prächtiger und ruhmreicher Zeiten in den Augen der Römer. Zum Signum der römischen Dekadenz, zum schändlichen Attribut des Antichristen in den Augen der Reformatoren. Dass der Papst sich entzücken ließ von einem Elefanten, der zur Flötenmusik tanzen und auf Befehl „Tränen” vergießen und sich höfisch verbeugen konnte – das war ein gefundenes Fressen, ein Festschmaus geradezu für die antirömische Propaganda. In bester angelsächsischer Historiker-Tradition, ebenso akribisch wie anschaulich, beschreibt Bedini den langen Weg des Elefanten: Von Cochin, wo ihn Afonso de Albuquerque an den portugiesischen König adressierte, über Lissabon bis nach Rom, wo er schließlich, von immer größer werdenden Aufläufen, von Tumulten begleitet, in einem grandiosen Triumphzug eintraf.
Klug und umsichtig ordnet er die Erscheinung Hannos in die Kulturgeschichte der römischen Hochrenaissance und in das Pontifikat Leos X. ein. Und er verfolgt, bisweilen vielleicht zu sehr inventarisierend, all die Spuren, die der Elefant hinterlassen hat: in den Schriften der Zeitgenossen oder in den Namen römischer Straßen und Tavernen, in den erstaunlich zahlreichen Denkmälern und Kunstwerken vor allem, die sein Konterfei zeigen. Noch heute figuriert er in einigen damals geschaffenen Dekorationselementen des Vatikans. Verschwunden aber ist sein stattliches Grabmonument und ein großes Wandgemälde, das Raffael ihm zum Andenken schuf, gleich am Eingang des Palastes – für alle sichtbar. Seine so faszinierende, aber im Lauf der Zeiten weitgehend vergessene Geschichte wieder sichtbar gemacht zu haben, dafür haben wir nun Silvio A. Bedini zu danken: Dass der Vatikan im Zeitalter Leos X. eben nicht nur köstlich „von Gesang und Saitenspiel tönte”, wie es Jacob Burckhardt einmal lächelnd schrieb. Sondern auch vom Trompeten eines weißen Elefanten. MANFRED SCHWARZ
SILVIO A. BEDINI: Der Elefant des Papstes. Aus dem Engl. von Klaus Kochmann. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006. 336 Seiten, 29,50 Euro.
Vielfresser Hanno in einer zeitgenössischen Handschrift. Abb. aus d. bespr. Band
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Wie ein weißer Elefant Rom eroberte und zum Darling des Papstes wurde
Auf den Straßen Roms wird getanzt und gesungen. Heiterkeit überall, vorbei die Zeiten der Trauer: Der Papst ist gestorben. Ebenso überstürzt wie von niemandem beklagt. Er kam als Fremdling her, und fremd ist er immer geblieben, in der römischen Hochrenaissance. Hadrian VI. kam zwar nicht aus Deutschland, wie man zuletzt so oft hören konnte, aber doch von jenseits der Alpen. Noch mehr als das – er kam aus einer völlig anderen Welt. Humorlos und fromm, betont schlicht und unerträglich sparsam, wurde er zum Schrecken des prunksüchtigen päpstlichen Hofes und der leichtlebigen Stadt. Hadrian VI. war eine Katastrophe für die Römer. Für die Freunde der Feste, des Prunks, der Kunst und des Lachens.
Als sein Vorgänger 1521 starb, Leo X. aus dem Haus Medici, war dies ganz anders. Da herrschte tiefe Trauer in Rom: Untergangsstimmung. Mit diesem Papst hatte man glänzende Zeiten erlebt. Freigiebig und prunkliebend, ein großer Mäzen und Liebhaber des Schönen und Heiteren, war Leo X. ein Fürst, wie er nicht besser passen konnte in diese Stadt und diese Zeit. Einer, der ungeniert den Kirchenschatz verprasste. Ein ruinöser Verschwender. Nicht einmal für seine Beisetzung hatte er genügend Geld hinterlassen. Deshalb auch, so lautet ein Bonmot, nennt man seine Regierungszeit ein Goldenes Zeitalter: weil niemals sonst das Gold so leichtfertig verschleudert wurde. Für Luxus und Divertissements. Fürs Gaukeln und fürs Reimen. Für die heidnische Freude am Leben.
Und auch für Hanno, das Lieblingstier des Papstes, die berühmte Attraktion seiner privaten Menagerie. Einen Elefanten, hatte man in der Stadt seit den Zeiten der Caesaren nicht mehr gesehen. War ein sinnfälligeres Symbol für die Wiedergeburt glorreicher Zeiten denkbar? Natürlich hat der Unterhalt des Elefanten die päpstliche Schatulle arg strapaziert – er verschlang täglich ein veritables Vermögen. Der Elefant bewohnte ein eigens für ihn errichtetes Gebäude auf dem Cortile del Belvedere und wurde betreut von mehreren Hütern. Natürlich ließ man dem Elefanten, als er sterbenskrank wurde, auch die denkbar beste Behandlung widerfahren, von den Leibärzten des Papstes. Sie haben ihm, weil sie nichts anderes zu tun wussten, ein Abführmittel verpasst, ein ganz besonders exquisites: Sie flößten ihm reines Gold im Wert von mehreren hundert Dukaten ein. Natürlich war all das nicht nur ein Riesenspektakel. Es war, in reformatorischen Zeiten, auch ein Riesenskandal.
Silvio A. Bedini, ein emeritierter Historiker von der Smithsonian Institution, hat nun die Geschichte dieses päpstlichen Elefanten geschrieben, der 1514 in die ewige Stadt einzog und 1516 dort eingegangen ist, zur denkbar größten Trauer aller Römer. Eine höchst spannende, vorzüglich recherchierte, ungemein lesenswerte Geschichte. Weil sie sich einer besonders pittoresken Episode aus der römischen Hochrenaissance widmet, die bislang eher in Fußnoten, im Anekdotischen abgehandelt wurde und erstmals so gründlich und ausführlich beleuchtet wird. Und weil Bedini es versteht, in diesem Kuriosum die Wesenszüge der Epoche freizulegen. Die Geschichte Hannos, des weißen Elefanten aus Indien, den der portugiesische König Manuel I. als Hauptattraktion einer ohnehin schon spektakulären Obedienzgesandtschaft nach Rom schickte, um dem Papst zu huldigen und Privilegien zu erwerben, ist letztlich mit allem verbunden, was das Zeitalter prägte und bewegte. Mit der Entdeckung der Neuen Welt und wissenschaftlichem Naturinteresse wie mit dem dunkelsten Aberglauben und apokalyptischen Prophezeiungen. Mit der portugiesischen Seefahrt und der deutschen Reformation. Mit imperialen Gesten und Caesarenwahn, der gelehrten Anknüpfung auch an antike Sitten, und der unwiderstehlichen Schwäche für grausame Streiche und tolldrastische Possen.
Festschmaus für Propaganda
Im schillernden Hofleben Leos X. nimmt der Elefant Hanno eine ebenso symptomatische Rolle ein wie die fürstlich entlohnten, mit Adelstiteln und Burgen beschenkten Musikanten und Dichterlinge. Wie die virtuosen Vielfresser an seiner Tafel, zu deren überaus hochgeschätzten Künsten es etwa gehörte, eine ganze Taube mit einem Biss oder vier Dutzend Eier ohne Pause zu verschlingen. An diesem Hof wurde ein ehemaliger Hundedresseur zum Schatzmeister und ein früherer Barbier zum obersten Siegelbewahrer. Und ein indischer Elefant zum allerliebsten Spielzeug. Zum Symbol prächtiger und ruhmreicher Zeiten in den Augen der Römer. Zum Signum der römischen Dekadenz, zum schändlichen Attribut des Antichristen in den Augen der Reformatoren. Dass der Papst sich entzücken ließ von einem Elefanten, der zur Flötenmusik tanzen und auf Befehl „Tränen” vergießen und sich höfisch verbeugen konnte – das war ein gefundenes Fressen, ein Festschmaus geradezu für die antirömische Propaganda. In bester angelsächsischer Historiker-Tradition, ebenso akribisch wie anschaulich, beschreibt Bedini den langen Weg des Elefanten: Von Cochin, wo ihn Afonso de Albuquerque an den portugiesischen König adressierte, über Lissabon bis nach Rom, wo er schließlich, von immer größer werdenden Aufläufen, von Tumulten begleitet, in einem grandiosen Triumphzug eintraf.
Klug und umsichtig ordnet er die Erscheinung Hannos in die Kulturgeschichte der römischen Hochrenaissance und in das Pontifikat Leos X. ein. Und er verfolgt, bisweilen vielleicht zu sehr inventarisierend, all die Spuren, die der Elefant hinterlassen hat: in den Schriften der Zeitgenossen oder in den Namen römischer Straßen und Tavernen, in den erstaunlich zahlreichen Denkmälern und Kunstwerken vor allem, die sein Konterfei zeigen. Noch heute figuriert er in einigen damals geschaffenen Dekorationselementen des Vatikans. Verschwunden aber ist sein stattliches Grabmonument und ein großes Wandgemälde, das Raffael ihm zum Andenken schuf, gleich am Eingang des Palastes – für alle sichtbar. Seine so faszinierende, aber im Lauf der Zeiten weitgehend vergessene Geschichte wieder sichtbar gemacht zu haben, dafür haben wir nun Silvio A. Bedini zu danken: Dass der Vatikan im Zeitalter Leos X. eben nicht nur köstlich „von Gesang und Saitenspiel tönte”, wie es Jacob Burckhardt einmal lächelnd schrieb. Sondern auch vom Trompeten eines weißen Elefanten. MANFRED SCHWARZ
SILVIO A. BEDINI: Der Elefant des Papstes. Aus dem Engl. von Klaus Kochmann. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006. 336 Seiten, 29,50 Euro.
Vielfresser Hanno in einer zeitgenössischen Handschrift. Abb. aus d. bespr. Band
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Eine Art Wunderkammer sei Silvio A. Bedinis Geschichte des Elefanten von Leo XI., lobt Rezensentin Caroline Schnyder in ihrer sehr inhaltslastigen Besprechung, immer neue und "überraschende" Fundstücke warteten auf den Leser. Beispielsweise habe Hanno, so der Name des erst vierjährigen Elefanten, in seiner kurzen Verweildauer in Italien nicht mehr Italienisch gelernt, bevor er dann an Angina oder Heimweh starb. Ein zusammenhängendes Porträt hingegen habe der Autor nicht entwickelt, und auch die politischen Hintergründe der damaligen Zeit würden nur in einigen Exkursen beleuchtet. Im Wesentlichen zeige der Autor, warum Hanno zusammen mit einem Nashorn als Geschenk des portugiesischen Königs zum Papst kam, wie er in Rom als Attraktion bewundert wurde, und wie die Reformatoren nördlich der Alpen in solchen Vorlieben und Pläsierchen ihre schlechte Meinung vom Papst bestätigt sahen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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