Das magische Leuchten - über die Elektrifizierung der Welt und die erste Energiewende
Im Jahr 1878 sind sich die führenden Ingenieure der Kaiserzeit einig: Niemals wird Elektrizität das Gaslicht verdrängen. Strombetriebene Lampen seien unpraktisch und schadeten der Gesundheit. Leuchtgas werde unentbehrlich bleiben, meint etwa der Ingenieur Werner Siemens.
Dieses Licht hat der Menschheit aber auch eine Bedrohung beschert: Immer mehr Gasbrände verzeichnet die Statistik, immer mehr Explosionen. Und nirgendwo ist die Gefahr größer als in den Theatern, den Zentren des Zeitgeists im 19. Jahrhundert. Doch das Risiko ist zur Routine geworden - bis es 1881 im Wiener Ringtheater zur Katastrophe kommt und fast 400 Menschen sterben. Ein Wendepunkt mit weitreichenden Folgen.
Mit Verve und erhellender Sachkenntnis erzählt Alexander Bartl von einer Energierevolution, die ganz Europa und Amerika in Aufregung versetzte. Letztlich triumphiert Thomas Alva Edisonmit der Erfindung seiner Glühbirne und bringt unsere Welt zum Leuchten.
Im Jahr 1878 sind sich die führenden Ingenieure der Kaiserzeit einig: Niemals wird Elektrizität das Gaslicht verdrängen. Strombetriebene Lampen seien unpraktisch und schadeten der Gesundheit. Leuchtgas werde unentbehrlich bleiben, meint etwa der Ingenieur Werner Siemens.
Dieses Licht hat der Menschheit aber auch eine Bedrohung beschert: Immer mehr Gasbrände verzeichnet die Statistik, immer mehr Explosionen. Und nirgendwo ist die Gefahr größer als in den Theatern, den Zentren des Zeitgeists im 19. Jahrhundert. Doch das Risiko ist zur Routine geworden - bis es 1881 im Wiener Ringtheater zur Katastrophe kommt und fast 400 Menschen sterben. Ein Wendepunkt mit weitreichenden Folgen.
Mit Verve und erhellender Sachkenntnis erzählt Alexander Bartl von einer Energierevolution, die ganz Europa und Amerika in Aufregung versetzte. Letztlich triumphiert Thomas Alva Edisonmit der Erfindung seiner Glühbirne und bringt unsere Welt zum Leuchten.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Urs Hafner hält Alexander Bartls Technikgeschichte nur gelegentlich für überdramatisiert. Eine Geschichte der Elektrizität sollte ohne Altherrenwitze auskommen, findet er. Davon abgesehen aber bietet ihm Bartl spannende Einblicke in die Entwicklungen um Thomas Edison und die Glühbirne in Wien, Nizza, Berlin und Menlo Park, New Jersey, gespickt immer wieder mit individuellen Schicksalen und Miniaturen zu Theaterbränden (Gaslampen!) und den Umtrieben der Gaslobby.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Man stößt ständig auf verblüffende Zusammenhänge, die szenische Darstellung ist auch sehr einprägsam, man bekommt einen starken Einblick der damaligen Fortschrittsjahre um 1880. Wolfgang Schneider Deutschlandfunk Kultur Lesart 20231005
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2023Nachdem der richtige Faden gefunden war
Alexander Bartl erzählt mit dramaturgischem Eifer vom Triumph der Glühbirne über die Gasflamme
"Wien stand unter Schock." Alexander Bartl hat den Satz in sein Buch zur Geschichte der Elektrizität gestanzt. Was also war passiert? 1875 hätte in einer Wiener Theateraufführung ein Elefant auftreten sollen, doch die Behörden untersagten das Spektakel kurz vor der Premiere mit der Begründung, es sei nicht erwiesen, dass das Tier gezähmt und also für das Publikum ungefährlich sei. Ein paar Tage später durfte der von der Presse "Mister Kennedy" genannte Elefant die Bühne dann doch noch betreten, nämlich in einer Bearbeitung von Jules Vernes' Roman "Die Reise um die Welt in achtzig Tagen".
Natürlich stand Wien wegen des zunächst untersagten Elefantenauftritts nicht unter Schock. Allenfalls dürften ein paar Theaterfreundinnen und Elefantenfans enttäuscht gewesen sein. Das weiß auch Alexander Bartl. Aber er setzt in seinem Buch über ein Kapitel der Technikgeschichte beherzt auf Dramatisierung. Es liest sich trotz gelegentlichen narrativen Übereifers und einiger Altherrenwitze recht vergnüglich.
Der Autor konzentriert seine Elektrizitätsgeschichte auf die Zeit um 1880 und auf die Orte Wien, Nizza, Berlin, München, Manhattan, Brünn und Menlo Park in New Jersey, USA (nicht zu verwechseln mit Menlo Park im Silicon Valley, Kalifornien). In Letzterem tüfteln Thomas Alva Edison und seine Schüler, die ihn bedingungslos verehren, in ihrer Werkstätte nächtelang an der Erfindung der Glühbirne herum. Der Weg dahin ist steinig, ein im Glasvakuum gespannter Papier- und dann Bambusfaden bringt schließlich den Durchbruch. Der Faden wird vom durchfließenden Strom nicht mehr in Sekundenschnelle verglüht wie die Platin- und anderen Metallstäbchen, die Edison ausprobiert hatte, sondern hält Hunderte von Stunden durch. Erst jetzt ist die Glühbirne außerhalb des Labors für praktische Zwecke benutzbar.
Zum Beispiel - hier kommt der Elefant ins Spiel - in den europäischen Theaterhäusern, in Nizza, Wien, München. Diese nämlich sind auf Beleuchtung angewiesen, die noch immer vom gefährlichen Gas kommt. In den Garderoben und Gängen, vor allem aber über und neben der Bühne züngeln Tausende von Flämmchen. Die Brand- und Explosionsgefahr ist immens, auch wegen der oft undichten Gasleitungen. Mehrere Theater brennen denn auch während Vorführungen nieder, so 1881 das Wiener Ringtheater. Da steht die Stadt tatsächlich unter Schock. Bartl malt die Katastrophe in einer schmucken Miniatur aus, unter Einbezug individueller Schicksale.
Unversehrt bleibt die Schauspielerin Sarah Bernhardt, die in jenen Tagen in Wien gastiert. Der Star hätte die Vorzüge elektrischen Lichts gekannt. In einer Winternacht, die von den allerersten Glühbirnen überhaupt illuminiert wurde, hatte "die Bernhardt" Edison in Menlo Park besucht. Nicht nur der Auftritt von Mister Kennedy, dem Elefanten, auch der Auftritt Bernhardts ist für Bartl ein weiterer dramaturgischer Kniff. Inhaltlich tun beide eigentlich nichts zur Sache.
Bartl bringt die Umschlagmomente auf die Bühne: Edison, den "Geburtshelfer der Moderne", in Menlo Park, die Theater in Europa. Es sind die Theaterbrände, die dem elektrischen Licht in Europa um 1880 dem Weg ebneten, so Bartls These. Die Theaterhäuser mussten umdenken. Die Gaslobby, die sich weigerte, ihre maroden Leitungen zu sanieren, und gegen die neue Technik intrigierte, wo sie nur konnte, zog schließlich den Kürzeren. Am schnellsten reagierte nicht Wien, sondern Brünn. Schon 1882 eröffnete dort das erste vollelektrische Theater. Nach den Theatern wurden weitere öffentliche Gebäude mit dem sauberen Licht ausgestattet, später dann wohlhabende Stadtquartiere. In München fand die erste Elektrizitätsausstellung im deutschen Sprachraum statt, Werner Siemens sprang doch noch auf den Zug auf. Diesen Strang der Elektrizitätsgeschichte deutet Bartl nur noch an.
Das ist hier also der "Fortschritt in die Moderne", der Triumph der sicheren Glühbirne über die rußende Gasflamme. Aber woher kommt der Strom? Am Ende des Buchs scheint den Autor ein leises Unbehagen beschlichen zu haben. Am Rand merkt er an, dass Gas weiterhin fürs Heizen benutzt und der saubere Strom mit der schmutzigen Kohle produziert wurde. Der Bruch scheint also doch nicht so einschneidend gewesen zu sein. Der Fortschritt war nur einer für die Theaterbesucher. URS HAFNER
Alexander Bartl: "Der elektrische Traum". Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom.
HarperCollins Verlag, Hamburg 2023. 320 S., geb., 24,- Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alexander Bartl erzählt mit dramaturgischem Eifer vom Triumph der Glühbirne über die Gasflamme
"Wien stand unter Schock." Alexander Bartl hat den Satz in sein Buch zur Geschichte der Elektrizität gestanzt. Was also war passiert? 1875 hätte in einer Wiener Theateraufführung ein Elefant auftreten sollen, doch die Behörden untersagten das Spektakel kurz vor der Premiere mit der Begründung, es sei nicht erwiesen, dass das Tier gezähmt und also für das Publikum ungefährlich sei. Ein paar Tage später durfte der von der Presse "Mister Kennedy" genannte Elefant die Bühne dann doch noch betreten, nämlich in einer Bearbeitung von Jules Vernes' Roman "Die Reise um die Welt in achtzig Tagen".
Natürlich stand Wien wegen des zunächst untersagten Elefantenauftritts nicht unter Schock. Allenfalls dürften ein paar Theaterfreundinnen und Elefantenfans enttäuscht gewesen sein. Das weiß auch Alexander Bartl. Aber er setzt in seinem Buch über ein Kapitel der Technikgeschichte beherzt auf Dramatisierung. Es liest sich trotz gelegentlichen narrativen Übereifers und einiger Altherrenwitze recht vergnüglich.
Der Autor konzentriert seine Elektrizitätsgeschichte auf die Zeit um 1880 und auf die Orte Wien, Nizza, Berlin, München, Manhattan, Brünn und Menlo Park in New Jersey, USA (nicht zu verwechseln mit Menlo Park im Silicon Valley, Kalifornien). In Letzterem tüfteln Thomas Alva Edison und seine Schüler, die ihn bedingungslos verehren, in ihrer Werkstätte nächtelang an der Erfindung der Glühbirne herum. Der Weg dahin ist steinig, ein im Glasvakuum gespannter Papier- und dann Bambusfaden bringt schließlich den Durchbruch. Der Faden wird vom durchfließenden Strom nicht mehr in Sekundenschnelle verglüht wie die Platin- und anderen Metallstäbchen, die Edison ausprobiert hatte, sondern hält Hunderte von Stunden durch. Erst jetzt ist die Glühbirne außerhalb des Labors für praktische Zwecke benutzbar.
Zum Beispiel - hier kommt der Elefant ins Spiel - in den europäischen Theaterhäusern, in Nizza, Wien, München. Diese nämlich sind auf Beleuchtung angewiesen, die noch immer vom gefährlichen Gas kommt. In den Garderoben und Gängen, vor allem aber über und neben der Bühne züngeln Tausende von Flämmchen. Die Brand- und Explosionsgefahr ist immens, auch wegen der oft undichten Gasleitungen. Mehrere Theater brennen denn auch während Vorführungen nieder, so 1881 das Wiener Ringtheater. Da steht die Stadt tatsächlich unter Schock. Bartl malt die Katastrophe in einer schmucken Miniatur aus, unter Einbezug individueller Schicksale.
Unversehrt bleibt die Schauspielerin Sarah Bernhardt, die in jenen Tagen in Wien gastiert. Der Star hätte die Vorzüge elektrischen Lichts gekannt. In einer Winternacht, die von den allerersten Glühbirnen überhaupt illuminiert wurde, hatte "die Bernhardt" Edison in Menlo Park besucht. Nicht nur der Auftritt von Mister Kennedy, dem Elefanten, auch der Auftritt Bernhardts ist für Bartl ein weiterer dramaturgischer Kniff. Inhaltlich tun beide eigentlich nichts zur Sache.
Bartl bringt die Umschlagmomente auf die Bühne: Edison, den "Geburtshelfer der Moderne", in Menlo Park, die Theater in Europa. Es sind die Theaterbrände, die dem elektrischen Licht in Europa um 1880 dem Weg ebneten, so Bartls These. Die Theaterhäuser mussten umdenken. Die Gaslobby, die sich weigerte, ihre maroden Leitungen zu sanieren, und gegen die neue Technik intrigierte, wo sie nur konnte, zog schließlich den Kürzeren. Am schnellsten reagierte nicht Wien, sondern Brünn. Schon 1882 eröffnete dort das erste vollelektrische Theater. Nach den Theatern wurden weitere öffentliche Gebäude mit dem sauberen Licht ausgestattet, später dann wohlhabende Stadtquartiere. In München fand die erste Elektrizitätsausstellung im deutschen Sprachraum statt, Werner Siemens sprang doch noch auf den Zug auf. Diesen Strang der Elektrizitätsgeschichte deutet Bartl nur noch an.
Das ist hier also der "Fortschritt in die Moderne", der Triumph der sicheren Glühbirne über die rußende Gasflamme. Aber woher kommt der Strom? Am Ende des Buchs scheint den Autor ein leises Unbehagen beschlichen zu haben. Am Rand merkt er an, dass Gas weiterhin fürs Heizen benutzt und der saubere Strom mit der schmutzigen Kohle produziert wurde. Der Bruch scheint also doch nicht so einschneidend gewesen zu sein. Der Fortschritt war nur einer für die Theaterbesucher. URS HAFNER
Alexander Bartl: "Der elektrische Traum". Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom.
HarperCollins Verlag, Hamburg 2023. 320 S., geb., 24,- Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main