Flandern 1922. Noen Merckem hat infolge seiner Erlebnisse als Soldat im Krieg sein Gedächtnis verloren und lebt in einer Einrichtung für psychisch Kranke. Nach einer Zeitungsannonce besuchen ihn immer wieder Frauen, die auch lange nach Kriegsende noch nicht die Hoffnung aufgegeben haben, ihren geliebten Mann oder Sohn wiederzufinden. Eines Tages taucht eine Frau aus Kortrijk auf, Julienne, die in Noen ihren Ehemann erkennt, den Fotografen Amand Coppens, und ihn gegen ärztlichen Rat mit nach Hause nimmt. Doch die wundersame Wiedervereinigung nach acht Jahren gestaltet sich nicht so, wie Julienne es ihren neidischen Freundinnen glauben machen will. Erst allmählich nähern sich die beiden einander an, und anhand der Erzählungen Juliennes fügt sich Amands Biografie - nur wie kann er sicher sein, dass Julienne die Wahrheit sagt? Der erinnerte Soldat ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und ein fesselnder Roman über die Macht der Erinnerung und der Fantasie. Anjet Daanje lässtuns eintauchen in die Psyche eines kriegstraumatisierten Mannes, der mit den Erinnerungen an seine Vergangenheit auch seine Identität verloren hat. Als Amand an den Worten Juliennes Zweifel kommen, beginnt für den Leser ein packendes Verwirrspiel, wie es nur ganz große Literatur zu spielen weiß.
»Aufwühlend, psychologisch abgründig und keine Seite zu lang.« - Helmut Böttiger, SWR2 Helmut Böttiger SWR 2 20240301
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger bestaunt Anjet Daanjes rund 800 Seiten langen Roman, der "keine Seite zu lang" sei. Denn die Geschichte, die von einem belgischen Soldaten erzählt, der im Ersten Weltkrieg sein Gedächtnis verlor, nehme an Komplexität und Sog immer mehr zu, so Böttiger: Der Roman beginnt in einer von Mönchen geführten psychiatrischen Anstalt, aus der der Protagonist unvermittelt von seiner Ehefrau abgeholt wird, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Wie Daanje dann von der allmählichen Rückkehr des Kriegstraumatisierten in sein altes, fremdes Leben zurückkehrt, wie sich Gefühle von Ekel und wiedergewonnener Liebe abwechseln, wie sich Albträume in die Realität des Textes mischen und wichtige Informationen über die Vergangenheit ans Licht kommen, findet Böttiger virtuos und packend erzählt. Insbesondere das "Und", mit dem jeder neue Absatz beginnt, eine gewisse "Unendlichkeit" suggerierend, fällt ihm als stilistische Besonderheit auf. Dass sich gegen Romanende schließlich abzeichnet, wie beide Figuren auf ihre Weise "unter die Deutschen gekommen" sind, und wie Daanjes dabei in Anlehnung an E.T.A. Hoffmann ein literarisches Spiel mit Doppelgängern führt und die deutsche Romantik "fortführt", imponiert dem Kritiker. Ein komplexes, dennoch äußerst lebendig erzähltes Buch, lobt Böttiger.
© Perlentaucher Medien GmbH
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