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»Dieses Buch kann man unmöglich wieder aus der Hand legen.« Dave Eggers
Miranda July, Filmemacherin, Künstlerin, Autorin, sprengt nach ihrem spektakulären Erzählungsband »Zehn Wahrheiten« mit ihrem ersten Roman alle Erwartungen - einen Roman wie diesen haben Sie noch nicht gelesen. Cheryl Glickman ist eine Mittvierzigerin mit System: Sie besitzt nur, was sie wirklich benötigt (z.B. einen Teller, eine Gabel, einen Löffel ...) und bündelt ihre Energien maximal (»Wenn Sie schon ein Buch lesen müssen, dann tun Sie es doch gleich neben dem Bücherregal und halten den Finger in die Lücke, damit…mehr

Produktbeschreibung
»Dieses Buch kann man unmöglich wieder aus der Hand legen.« Dave Eggers

Miranda July, Filmemacherin, Künstlerin, Autorin, sprengt nach ihrem spektakulären Erzählungsband »Zehn Wahrheiten« mit ihrem ersten Roman alle Erwartungen - einen Roman wie diesen haben Sie noch nicht gelesen. Cheryl Glickman ist eine Mittvierzigerin mit System: Sie besitzt nur, was sie wirklich benötigt (z.B. einen Teller, eine Gabel, einen Löffel ...) und bündelt ihre Energien maximal (»Wenn Sie schon ein Buch lesen müssen, dann tun Sie es doch gleich neben dem Bücherregal und halten den Finger in die Lücke, damit Sie es dann wieder zurückstellen können!«). Cheryl arbeitet bei einer Firma, die Selbstverteidigung zu Fitnesszwecken lehrt, sie ist seit Jahren verliebt in den 20 Jahre älteren Philipp (der wiederum eine 16-Jährige begehrt) und von dem Gedanken überzeugt, dass sie beide eigentlich seit Jahrtausenden ein Paar sind (Höhlenmann und Höhlenfrau). Als die Tochter ihrer Chefs bei ihr einzieht, wird ihre Ordnungs-Obsession gnadenlos zerstört: Clee, 20 Jahre alt, ist ein Messie, hat Schweißfüße und keinerlei Manieren. Und sie greift Cheryl körperlich an. Bald kämpfen die beiden nach Vorlage der alten Selbstverteidigungsvideos von Open Palm. Eine Choreografie, die Cheryl ganz neue körperliche Erfahrungen verschafft. Die beiden werden ein Paar, zumindest eine Art Paar, und als Clee schwanger wird, übernimmt Cheryl die Rolle ihres Lebens: Sie wird Mutter. Ein Roman, bei dem Sie laut lachen und gegen Ende glücklich lächeln und gleich wieder von vorn zu lesen anfangen werden.
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Autorenporträt
Miranda July, 1974 in Barre (Vermont) geboren, ist Filmemacherin, Künstlerin und Schriftstellerin. Ihre Arbeiten wurden schon im Museum of Modern Art und auf der Biennale in Venedig gezeigt. Bei den Spielfilmen »Ich und du und alle, die wir kennen« (2005) und »The Future« (2011) schrieb sie das Drehbuch, führte Regie und spielte die Hauptrolle. »Zehn Wahrheiten«, ihr Debüt als Autorin, wurde mit dem Frank O'Connor-Preis ausgezeichnet, dem höchstdotierten Kurzgeschichtenpreis der Welt. Sie entwickelte die Messaging-App »Somebody«, die Nachrichten nicht elektronisch übermittelt, sondern Personen in der Nähe sucht, um diese persönlich zu überbringen. Miranda July lebt in Los Angeles.

Stefanie Jacobs, geboren 1981, lebt und arbeitet als freie Übersetzerin in Wuppertal. Für ihre Übersetzungen von K-Ming Chang, Lisa Halliday, Ben Marcus, Edna O'Brien und vielen anderen Autor:innen wurde sie mehrfach auszeichnet, zuletzt mit dem Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2015

Sex mit vierzig Jahren

Nicht heroisch oder kosmisch sollte der Liebesakt sein, sondern surreal und unkompliziert: so wie in Miranda Julys immer besser werdendem Roman "Der erste fiese Typ".

Die erste Überraschung dieses vollständig überraschenden Romans ist eine Enttäuschung. Sie ereignet sich gleich auf der dritten Seite. Dort erfahren wir, dass Cheryl Glickman, die Protagonistin der nächsten gut dreihundert Seiten, an dem Globussyndrom leidet, einer Erkrankung, bei der Patienten sich einen riesigen Kloß im Hals einbilden, was zu Schluck- und Atemproblemen führt. Außerdem lesen wir, dass Cheryl Glickman Anfang vierzig ist, von der Figur her birnenförmig, dass sie eine knollige Nase hat, Holzketten trägt und flache Schuhe. Es gibt viele Gründe, einen Roman zu lesen, und Außenseiter sind ein beliebter Stoff. Dass aber diese Person ausgerechnet aus dem Miranda-July-Kosmos kommen soll, scheint auf den ersten Blick ganz und gar unglaubwürdig. Es ist in etwa so, als wäre man Zuschauer in einem prächtigen Theater, der Vorhang geht auf, eine glitzernde Treppe steht auf der Bühne, angeleuchtet von Scheinwerfern. Und plötzlich purzelt die Stufen eine kleine rundliche Frau in geschmackloser Kleidung hinunter - eben Cheryl Glickman.

Um diese Fallhöhe zu verstehen, muss man wissen, wer Miranda July ist. Geboren 1974, hat sie bereits Filme gedreht, Performances aufgeführt, Musik eingespielt, eine App entwickelt und Kurzgeschichten geschrieben. Dafür wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, ihre Kunst war auf der Biennale in Venedig zu sehen und im New Yorker Museum of Modern Art. Ins Zentrum stellt sie häufig eigenwillige Personen. Ihr Blick gilt den Unzulänglichkeiten und Missverständnissen, die so ziemlich allen Menschen unterlaufen, wenn sie mit anderen kommunizieren oder es versuchen. Der Miranda-July-Kosmos ist also keine reibungslose Welt. Ihr Knarzen fiel aber deswegen weniger auf, weil sie trotz allem meistens schön anzusehen ist. Stil und Eleganz spielen eine große Rolle, schon deshalb, weil die Künstlerin und Schriftstellerin häufig selbst darin auftritt. Mit dem Modelabel Miu Miu kooperiert sie bei ihrer App, ihr Roman wurde per Twitter von der Sängerin Lorde empfohlen, von Dave Eggers per Blurb auf dem Umschlag. July und ihr Kreis besitzen jene Flamboyanz, um die man amerikanische Intellektuelle beneiden kann - von Truman Capote über Susan Sontag bis zu Joan Didion.

Davon ist in diesem Romandebüt aber nichts zu spüren. In einem Interview (F.A.S. vom 8. März) sagte July, sie habe beim Schreiben der Gedanke befreit, "dass ich niemanden in diesem Buch spielen könnte". Cheryl Glickman arbeitet in einer Agentur, die ihr Geld vorwiegend damit verdient, Selbstverteidigungskurse für Frauen als Fitness-DVDs zu vertreiben. Das Ehepaar, das die Firma gegründet hat, ist nicht nur verrückt, sondern auch selbstgerecht und übergriffig, in jeder Hinsicht also unliebenswert. Verliebt ist Cheryl in Phillip, einen mehr als zwanzig Jahre älteren Mann, von dessen hartnäckigem Fußpilz gleich zu Beginn die Rede ist. Die Tochter ihrer Arbeitgeber wiederum ist zwanzig Jahre jünger als Cheryl. Sie heißt Clee, zieht gegen Cheryls Willen bei ihr ein und wird als blondes, braungebranntes Busenwunder beschrieben. Allerdings: Clee ist zwar schön, aber unfreundlich, sogar gewalttätig, sie hat ebenfalls Fußpilz, der noch dazu stinkt.

Nach etwa dreißig Seiten stellt sich die Frage, warum es irgendwer mit diesen Figuren aushalten soll. Nach zehn weiteren Seiten kommt sogar der Verdacht auf, dass alle diese Idioten von der Autorin losgeschickt worden sein könnten, um wirklich lebende Menschen zu beleidigen, denen sie ähneln und die sich nun als blödsinnige Karikatur in einem Buch wiederfinden müssen. Aber dann ändert sich alles, als Cheryls und Clees Beziehung eine merkwürdige Wendung nimmt.

Das ist die zweite Überraschung, die nun keine Enttäuschung mehr ist, sondern ein Geschenk. Von hier an wird "Der erste fiese Typ" ein kluges, lustiges Buch - und eines der originellsten über das Sexleben einer Vierzigjährigen, das seit langem geschrieben wurde.

Cheryls Problem besteht darin, dass sie sich gegen die Übergriffe anderer nicht wehren kann. Clee lässt ihr allerdings keine Wahl. Sie greift sie an, tätlich, mehrfach, bis Cheryl zurückschlägt. Beide Frauen gründen daraufhin eine Art intimen Fight-Club, sie treffen eine unausgesprochene Verabredung. Ihr Ring ist Cheryls Wohnung, die Regeln geben die Selbstverteidigungs-Videos der Agentur vor, an deren Handlung sich beide halten. Mit Genauigkeit und Sprachwitz beschreibt July das Treten, Schlagen, Ringen und Wälzen, eine Choreographie, die schließlich in Sex mündet. Ein Kind wird auch noch geboren, ein kleiner Junge, dessen erste Tage auf der Welt July hinreißend schildert.

Aber zurück zum Sex: Die körperliche Liebe zwischen einer Frau mittleren Alters und einem viel jüngeren Partner - oder einer viel jüngeren Partnerin - ist Gegenstand vieler Romane. Cheryl und Clee verbindet jedoch nicht etwa die harmonische Innerlichkeit, die Vita Sackville-West ihrer Heldin Evelyn Jarrold und dem jungen Geliebten Miles Vane-Merrick schenkte, als sie 1932 ihren Roman "Eine Frau von vierzig Jahren" veröffentlichte. Was zwischen den beiden geschieht, wird dort eher elegant verschwiegen als beschrieben: "Sie schauten einander an", heißt es, "obwohl sie sich in der hereinbrechenden Nacht kaum noch sehen konnten."

Sex ist bei July auch nicht das fast schon esoterische Entgrenzungserlebnis, das Patricia Highsmith 1952 in "Salz und sein Preis" beschwor, als sich die junge Therese in die deutlich ältere Carol verliebt. "Und dann", schreibt sie, "war es, als verginge ihr Körper in immer größeren Kreisen, die sich immer weiter ausbreiteten, bis über die Grenzen des Denkens hinaus."

Bei July ist Sex nicht heroisch, nicht kosmisch, aber auch nicht triebhaft oder physiologisch. Er ist schnell, verrückt, wild, verkopft, surreal und dabei häufig ausgesprochen unkompliziert. Wie bei den Fallgeschichten des kürzlich verstorbenen Neurologen Oliver Sacks liest man staunend, wozu Cheryls Gehirn in der Lage ist. Es lässt ihr die wolligen haarigen Hände des angehimmelten Phillip wachsen, mit denen sie den Reißverschluss von Clees Hose öffnet. Es gibt ihr sämtliche männlichen Organe, die sie in der Situation braucht, in einer unwirklichen Perfektion noch dazu. Sie fühlt sich "warm und prall gefüllt mit Sperma", heißt es an anderer Stelle - und vieles mehr, das sich besser in einem Roman lesen lässt als in einer Zeitung.

Kurzum: Cheryl wird beim Sex mit Clee zu einem Überphillip, der phantastischen Version des Mannes, in den sie sich verliebt hat und mit dem sie später, am Ende des Romans, auch schlafen wird. Cheryl verwandelt sich beim Sex. Ihr Sexualorgan ist der Kopf. Und davon zu lesen ist ebenso komisch wie weltvergrößernd.

Was heißt es eigentlich, fragt man sich nach der Lektüre, wenn eine Frau beim Sex an den Film "Gefährliche Liebschaften" denkt? Ist sie dann Michelle Pfeiffer? Nein, würde Miranda Julys Cheryl wohl antworten. Sie ist John Malkovich.

JULIA VOSS

Miranda July: "Der erste

fiese Typ". Roman.

Aus dem amerikanischen Englisch von Stefanie Jacobs. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2015. 332 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Egal ob es um ihre Filme, ihre Kunst oder ihre Literatur geht, in all ihren Arbeiten verfremdet Miranda July ein Stück traurige Realität sanft ins surrealistische, erklärt Rezensentin Katharina Granzin. So auch in dieser, in losen Episoden erzählten Geschichte über eine Frau, die sich stets zurücknimmt, unfreiwillig eine Mitbewohnerin bekommt und sich von dieser schließlich bis zu Prügelstrafe drangsalieren lässt. Das, so die Kritikerin, ist aber nicht bloßer Masochismus, vielmehr beschreibe Julie, wie sonderbar sich Nähebedürfnisse äußern können. Mit einem Kind ändert sich dann alles, und die Ironie weicht einer emotionaleren Erzählweise. Kitschig? Vielleicht, aber auch traurig und schön, meint die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein herrlich schräger Roman, der die verrückten Tricks der Liebe und der Menschen feiert.« Susanne Walsleben Für Sie 20150831