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Auf kenntnisreiche und fesselnde Weise beschreibt Amos Elon den Aufstieg des Frankfurter Juden und Gründers des einflußreichen Rothschild-Clans Meyer Amschel Rothschild. Im 18. Jahrhundert brachte es Rothschild, der als Altwaren- und Münzhändler begann, zu Macht und ungeheurem Reichtum, bestimmte über Krieg und Frieden, blieb aber sein Leben lang der Enge des Frankfurter Ghettos verhaftet.

Produktbeschreibung
Auf kenntnisreiche und fesselnde Weise beschreibt Amos Elon den Aufstieg des Frankfurter Juden und Gründers des einflußreichen Rothschild-Clans Meyer Amschel Rothschild. Im 18. Jahrhundert brachte es Rothschild, der als Altwaren- und Münzhändler begann, zu Macht und ungeheurem Reichtum, bestimmte über Krieg und Frieden, blieb aber sein Leben lang der Enge des Frankfurter Ghettos verhaftet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.1998

Fern vom Großen Hirschgraben
Amos Elon erweckt mit dem ersten Rothschild das tote Frankfurt

Die Lebensgeschichte des Meyer Amschel Rothschild wäre beinahe eine glänzende Aufsteigergeschichte, die für sich die ersten Sätze von Benjamin Franklins Autobiographie in Anspruch nehmen dürfte: Eine exemplarische Schilderung, wie der Mensch durch seine Klugheit vermag, die Armut und Dunkelheit, worin er geboren und aufgewachsen ist, hinter sich zu lassen. Und der Leser würde das Buch fast hochgestimmt verlassen, gäbe es da nicht jene sparsam eingestreuten Beobachtungen Amos Elons, die den Text von Anfang an durchziehen und die der Leser später immer mitdenken muß, gleich ob der Held Demütigungen erfährt oder ob ihm Ehrungen zuteil werden. Eine dieser Beobachtungen beschäftigt sich mit dem Wandel des Frankfurter Stadtbilds seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Elon schildert, wie das Straßensystem weitgehend aufgegeben wurde. Judengasse und Geburtshaus Rothschilds sind verschwunden unter mehrspurigen Straßen und modernen Bürohäusern. Und über der Judengasse liegt heute ausgerechnet das Verwaltungsgebäude der Gaswerke, setzt Elon nüchtern hinzu.

Meyer Amschel Rothschild wurde 1744 in Frankfurt am Main geboren. Aus dem Kind eines kleinen Händlers wird der Gründer eines europäischen Bankhauses. Den Reiz, den diese Lebensgeschichte birgt, schöpft Amos Elon kunstvoll aus. Am Anfang ist das Werk ein Sachbuch, dessen klare Erzähllinie manche fragwürdige Wertung der historischen Zusammenhänge kompensiert, am Ende wird es erzählerischer und reißt den Leser in seinem Elan geradezu mit. Wie hier der Lebenslauf des Gründers der Bankendynastie verknüpft wird mit den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zwischen Siebenjährigem Krieg und Rheinbundzeit, ist bisweilen meisterhaft. Es ist die Darstellungsökonomie des Schriftstellers Elon, der es gelingt, das Entscheidende aus der Flut der Archivalien hervortreten zu lassen.

Meyer Amschel Rothschild wächst auf unter den altständischen Bedingungen der Ungleichheit. Als Jude unterfällt er einem Sonderrecht, das ihn gegenüber anderen Gruppen benachteiligt. Rechtlos war er - anders als Elon schreibt - wenigstens in diesem Sinne (als "Schutzjude") nicht. Die Juden werden mit hohen Sondersteuern belegt. In Frankfurt dürfen sie nicht außerhalb des Ghettos wohnen, nicht auf öffentlichen Plätzen verweilen, keine Parks betreten. An vielen Tagen ist es ihnen verboten, das Ghetto zu verlassen. Die Gesetze der Stadt beschränken die Zahl der Familien im Ghetto auf fünfhundert und die jährlichen Eheschließungen auf zwölf. Zwar müssen Juden seit 1726 nicht mehr die besonderen Zeichen tragen, die ihre Herkunft äußerlich sichtbar machen (bei Männern waren es zwei auf den Rock genähte konzentrische gelbe Ringe), aber sie müssen jedes "Übermaß" in der Kleidung vermeiden, und Frauen war es verboten, Seide und alle Arten von Schmuck zu tragen.

Ähnliche Kleiderordnungen galten auch für andere Bevölkerungsgruppen. Elon erwähnt es nicht. Die Rechtsungleichheit, die im Ancien Régime insgesamt herrschte, traf die Juden so hart, daß sich alle relativierenden Vergleiche verbieten. Elon stellt statt dessen andere Bezugnahmen her. Er zitiert etwa, mit welchen Formulierungen den Juden damals das Betreten von öffentlichen Parks verboten war: "Kein Jud und kein Schwein / Darf hier hinein." Unter den Nazis war es dann wieder so. Über dem südlichen Stadttor Frankfurts hing die legendäre "Judensau": Das fette Tier auf der Darstellung hielt seinen Schwanz hoch, ein Jude fraß seinen Kot, die anderen hingen an seinen Zitzen. Die Ermordung der Juden im Nationalsozialismus hatte einen zu lange diskriminierenden Vorlauf, um solche Kontinuitäten nicht herzustellen.

Rothschilds Charaktereigenschaften befähigen ihn dazu, sich wenigstens teilweise über diese Zwänge hinwegzusetzen. Elon bescheinigt ihm Energie, Intelligenz, Fleiß, Ehrgeiz, Einfallsreichtum, Demut, Ehrlichkeit und noch einiges mehr. Hätte Rothschild nur eine einzige dieser Tugenden gefehlt, er wäre an seiner feindlichen Umwelt gescheitert. So aber vermag er die Zeitläufte für sich zu nutzen. Er kann seinen Kunden treu sein, wo andere das Risiko scheuen. Er verkauft den münzsammelnden Fürsten Liebhaberobjekte unter Marktpreis, um Geschäftsbeziehungen in Gang zu setzen. Fast alle seiner Spekulationen gehen auf, da Rothschild ein guter Beobachter seiner Umwelt ist. Das Kalkül der Kräfte ist seine Stärke, situatives Handeln sein Mittel der legitimen Vorteilserlangung.

In der vormodernen Wirtschaftsgesellschaft ist die Verbindung von kommerzieller Konkurrenz und religiöser Voreingenommenheit die stärkste Bedrohung für ihn. Er kann seine Wettbewerber zwar nach und nach hinter sich lassen und bestimmte Geschäftszweige für sich monopolisieren, doch er bleibt als Jude ein Außenseiter unter den Christen und als Hofjude ein Außenseiter unter den Juden. Der Schutz, der sich Rothschild nach und nach eröffnet, ist so alteuropäisch wie die Normen, die ihn zuvor beengten. Die Bedrückungen durch das Gesetz kann er nicht generell überwinden, sondern bloß mittels Privilegien punktuell umschiffen. Gesellschaftliche Diskriminierungen, die ihn sozial treffen, vermag er stellenweise zu mildern, indem er ein schützendes Kapital an Ehre anhäuft.

In der glücklich gewählten Terminologie Elons wird Rothschild wie später auch seine Söhne zu einem "jungen Kaufmannsfürsten". Seine Lebensführung ändert sich dadurch nicht. Er reinvestiert fast all seinen Gewinn. Was hätte er auch sonst mit seinem Geld machen können? Als Jude war er an seinen Wohnsitz in der Judengasse gebunden, als Geschäftsmann an Frankfurt. Das neue Haus, das er sich im Ghetto kauft, ist fünf Meter breit und dreizehn Meter tief. Die Familie, einst benannt nach ihrem Wohnort "Zum rothen Schild", zieht um in die Adresse "Zum grünen Schild". Für das Geld, das sie für die Verbesserung ihrer bedrängten Wohnlage bezahlen muß, hätte sie in den Christenvierteln einen kleinen Palast haben können.

Nicht erst als Europa sich in der politischen Praxis den Ideen der bürgerlichen Gleichheit zuwendet, wird den Frankfurter Juden ihre benachteiligte Lage klar. Auch zuvor wußten sie, daß sie - gerade im Vergleich zu anderen jüdischen Populationen - besonders hart betroffen sind. Den Beschränkungen, die sie zu tragen haben, unterliegen andere Juden in Deutschland oder in Europa nicht. Sie bemühen sich oft um Verbesserungen ihrer Lage, doch der Rat der Stadt Frankfurt weist das als freche Zumutung zurück. Erst die französische Besatzung bringt annähernde Gleichstellung mit anderen Stadtbürgern. In einem kurzen Satz schreibt Rothschild an seinen Sohn: "Du bist nun Bürger." Der Ernst der Formulierung läßt den Stolz und die Hoffnung erahnen, die sich mit dem Akt verbanden.

Der Öffnung der Rechtsgrenzen zwischen den Konfessionen entspricht keine soziale Öffnung der Rothschilds. Rothschilds Enkel werden zu zwei Dritteln untereinander heiraten. Sie eröffnen, miteinander durch einen listigen Gesellschaftsvertrag verbunden, in ganz Europa Filialen ihres Bankhauses. Meyer Amschels Kinder sind mit dem gleichen Selbstbehauptungswillen ausgestattet wie der Vater, vermehrt um Weltläufigkeit und extravaganten Lebensstil. Aus den Exponenten einer stigmatisierten Randgruppe wird eine Familie mit hochgeachtetem Außenseiterstatus. Das Haus in der Judengasse ist um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine städtische Sehenswürdigkeit, fast wie das Goethehaus im Großen Hirschgraben. Daß heute nur ein paar verwitterte Steine von der ganzen Judengasse übrig sind, teilt Elon im ersten Satz seines Buches mit. Mit dieser Andeutung einer ungeheuren kulturellen Selbstzerstörung entläßt er seine Leser ins Buch. MILOS VEC

Amos Elon: "Der erste Rothschild". Biographie eines Frankfurter Juden. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Rowohlt Verlag, Reinbek 1998. 255 S., Abb., geb., 42,- DM.

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