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Plastisch, detailliert und voller Anteilnahme schildert Keegan den Kriegsverlauf an allen Fronten. Große Politik spiegelt sich für den Autor am besten im Schützengraben. Wie in seinen anderen bahnbrechenden Werken zur Militärgeschichte stellt er den Zusammenhang her zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, zwischen Gestern und Heute, zwischen Kultur und Barbarei des Krieges.

Produktbeschreibung
Plastisch, detailliert und voller Anteilnahme schildert Keegan den Kriegsverlauf an allen Fronten. Große Politik spiegelt sich für den Autor am besten im Schützengraben. Wie in seinen anderen bahnbrechenden Werken zur Militärgeschichte stellt er den Zusammenhang her zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, zwischen Gestern und Heute, zwischen Kultur und Barbarei des Krieges.
Autorenporträt
Sir John Keegan (1934-2012) gilt als einer der bedeutendsten Militärhistoriker unserer Zeit. Er lehrte viele Jahre an der Royal Military Academy Sandhurst und hat zahlreiche Bücher verfasst. Nicht wenige davon sind Standardwerke, so etwa 'Der Zweite Weltkrieg' (1989), 'Die Kultur des Krieges' (1995), 'Die Maske des Feldherrn' (1997) und 'Der Erste Weltkrieg' (2000).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Im Felde ungestört
Kriegshandwerk ohne Staatskunst: John Keegans Schlachtbeschreibungen / Von Holger Afflerbach

John Keegan, früher Lehrer an der Militärakademie in Sandhurst, heute Journalist beim "Daily Telegraph" in London, ist einer der bekanntesten Militärhistoriker der Gegenwart. Von seinen etwa vierzig Büchern ist besonders "The Face of battle" (1975) zu erwähnen, in dem er die Kampfbedingungen der Soldaten in den Schlachten von Azincourt 1415, bei Waterloo 1815 und an der Somme 1916 auf innovative Weise miteinander verglichen hat. In seinem Buch "A History of Warfare" von 1993 (deutsch: "Die Kultur des Krieges") untersuchte er die Natur des Krieges; das Buch richtete sich in großen Teilen gegen Clausewitz, dem er vorwarf, er habe ein zu rationales, zu politisches Verständnis des Krieges und verkenne dessen Verwurzelung in der menschlichen Kultur. Keegans Hauptinteresse gilt den Soldaten und den Kampfbedingungen, denen sie im Wandel der Geschichte ausgesetzt waren. Nun ist seine Darstellung des Ersten Weltkrieges in einer - übrigens sprachlich gelungenen - deutschen Übersetzung erschienen.

Für Keegan ist dieser Krieg "eine europäische Tragödie". Nach einem nicht kritiklosen, aber doch sehr wohlwollenden kurzen Überblick über die politische Ordnung in Europa vor 1914 wendet er sich den Kriegsplänen der europäischen Mächte zu. Sein besonderes Interesse gilt dem Schlieffenplan und seinem französischen Gegenstück, dem Plan XVII. Nach der Darstellung der politisch-militärischen Entwicklungen des Juli 1914 und der Zwänge der Mobilmachung kommt der Autor zur Sache: die Grenzschlachten im Westen und das Scheitern des Schlieffenplans an der Marne im September 1914; der anschließende "Wettlauf zum Meer" mit den Flandern-Schlachten; im Osten die Schlacht bei Tannenberg und die österreichisch-russischen Schlachten, dann die Kämpfe des Jahres 1915, vor allem die Schlacht bei Gorlice-Tarnow, die Champagne-Schlachten und die Landung bei Gallipoli; die Kämpfe des Jahres 1916 vor Verdun, an der Somme, die Brussilow-Offensive, die Isonzo-Schlachten und zwischendurch der Feldzug gegen Serbien und gegen Rumänien; die Flandern-Schlachten von 1917 und die italienische Niederlage von Caporetto; die deutsche Westoffensive 1918 und die abschließenden Kämpfe im Herbst. Hinzu kommen die Seegefechte und die Kämpfe in den Kolonien, vor allem in Deutsch-Ostafrika.

Nun ist verständlich, daß, wenn dies alles halbwegs ausführlich geschildert wird, sehr leicht ein Umfang von mehr als sechshundert Seiten zustande kommt. Atemlos stürzt sich Keegan von einer Schlacht in die nächste und baut in diese gelegentlich Schilderungen hoher Truppenführer oder kurze Quellenzitate ein, die vom Kampfgeschehen an der Front berichten. Das Ganze ist, gerade weil die Darstellung auf Tempo setzt, gut zu lesen. Aber reicht eine bloße Geschichte der Kampfhandlungen aus, um dem Phänomen des Ersten Weltkriegs gerecht zu werden?

Nützlich wäre ein systematischer Ressourcenvergleich von Bevölkerungsstärke, Ernährungsbasis und industrieller Produktion der kriegführenden Parteien, ähnlich wie ihn Paul Kennedy in seinem "Aufstieg und Fall der großen Mächte" unternommen hat. Wichtig wären die politischen Vorgaben der beteiligten Mächte und Regierungen; die Separatfriedensbemühungen und die internen Debatten über die Kriegsziele; all dies hat schließlich wesentlich dazu beigetragen, den Krieg derart zu verlängern. Oder die Kriegsfinanzierung und die Mobilisierung industrieller Leistungskraft sowie die Rolle von Ideologien und Propaganda; dies war nicht zuletzt wegen des Werbens beider Seiten um die Neutralen, vor allem um die Vereinigten Staaten, von Bedeutung. Auch die Frage, wie sich das Alltagsleben im Krieg entwickelt hat, wäre von Interesse - so etwa die Auswirkungen der britischen Blockade auf die Bevölkerungen in Deutschland und Österreich-Ungarn. Dies alles wird zwar erwähnt, aber flüchtig, im Vorübergehen, zwischen einer Schlacht und der nächsten.

Insofern ist hier die erste gravierende Einschränkung zu machen: Keegan hat nicht versucht, das von uns "Erster Weltkrieg" genannte Gesamtgeschehen in einer ausgewogenen Mischung zu präsentieren, in der die politischen und militärischen Ereignisse zu ihrem Recht kommen, sondern er liefert uns eine Geschichte der Schlachten und Kämpfe dieses Krieges. Nun ist dies, abgesehen davon, daß der Titel des Buches diesen Sachverhalt nur unvollkommen wiedergibt, ein durchaus legitimes Unterfangen. In der aktuellen deutschen Geschichtsschreibung spielt die Operationsgeschichte beider Weltkriege inzwischen eine unangemessen geringe Rolle, und es gerät bisweilen unfreiwillig außer Sicht, daß beide Kriege militärisch entschieden worden sind. Insofern könnte ein Buch über die Schlachten des Ersten Weltkriegs durchaus verdienstvoll sein. Doch auch hier vermag Keegans Buch nicht wirklich zu überzeugen.

Keegan hat die Literatur, auch was die Operations- und Schlachtengeschichte angeht, sehr einseitig zur Kenntnis genommen. Wissenslücken führen zu verzerrten und auch oft sachlich falschen Darstellungen. Dazu gehören beispielsweise die Darstellung der deutschen Befehlsverhältnisse, die Beschreibung der Zuständigkeiten von Hindenburg und Ludendorff zwischen 1914 und 1916, die Schilderung der Schlacht von Gorlice-Tarnow 1915 und auch der von Verdun 1916. Auch ist die Frage, ob eine Operationsgeschichte so operieren muß, wie Keegan dies tut, indem er nämlich viel Energie auf die Auflistung der an den Kämpfen beteiligten Truppen verwendet und dabei oft auf Divisions-, gelegentlich sogar Regimentsebene hinuntergeht. Häufig listet er auf, wie viele Granaten für einen Angriff bereitgestellt wurden; das ist in vielen (nicht in allen) Fällen doch nur Ballast, der Platz wegnimmt, der für wesentlichere Dinge fehlt. Außerdem fragt sich, ob die gebotenen Zahlen immer verläßlich sind. Gerade bei den waffentechnischen Details und diesen Auflistungen unterlaufen Keegan etliche kleine Fehler.

Manchmal urteilt er klar und eindeutig, und dies ist meistens richtig und erfrischend, so etwa bei der Abwehr der Pauschalvorwürfe gegen die Unfähigkeit der Generalität des Ersten Weltkriegs (in Großbritannien wurde geurteilt, die britische Armee bestehe aus Löwen, die von Eseln geführt würden). Keegan fragt hier zu Recht, was die militärischen Führer, beim damaligen Stand der Waffentechnik, denn anders und besser hätten machen können - außer natürlich, daß sie konsequent von den Politikern ein sofortiges Kriegsende hätten fordern können. An manchen Stellen wären aber doch noch dezidiertere Urteile wünschenswert gewesen; so hätte man gerne von Keegan gewußt, wie er den österreichisch-ungarischen Generalstabschef Conrad von Hötzendorff einschätzt, wenn er darstellt, wie dieser seine Truppen von einer voraussehbaren Niederlage in die nächste führte. Ein Esel, der Löwen führte?

Immerhin führte die Generalität ein komfortableres Leben als ihre Soldaten, deren Opfermut in Keegans Augen epische Dimensionen besaß. Er vergleicht die Kämpfe in der Schlacht von Gallipoli, die nahe dem historischen Schlachtfeld von Troja tobte, sogar mit der Ilias. Keegan fragt mit berechtigtem Erstaunen, warum die Soldaten die von ihm skizzierten mörderischen Kampfbedingungen so lange durchgehalten haben. "Das ist kein Krieg, das ist der Weltuntergang", schrieb ein Sikh-Soldat von der Westfront 1915 nach Hause. Und trotzdem begann erst in der zweiten Kriegshälfte die Kampfmoral spürbar nachzulassen, was Keegan in seinem Kapitel über die "zusammenbrechenden Heere" schildert und auch zu erklären versucht.

Keegan kann sich in die Leiden der Soldaten plastisch hineinversetzen. Die Stärke seines Buches liegt darin, daß er eine genaue Vorstellung davon hat, was die damaligen Waffen anrichten konnten, wie die Kampfbedingungen der Soldaten waren und wie sich die militärischen Zwänge auf der Ebene der taktischen und strategischen Führung auswirkten. Es gelingt ihm gut, das auch dem Leser verständlich zu machen. Doch hat er uns dies schon in seinen anderen Büchern vorgestellt, die mehr als diese Geschichte des Ersten Weltkriegs Keegans ausgeprägteste Stärke demonstrierten, nämlich seine Originalität. Keegans neuestes Buch - das der Verlag mit Karten und Fotos schön ausgestattet hat - ist eine gutgeschriebene, aber einseitig auf das Kampfgeschehen ausgerichtete und in manchen Details unverläßliche Darstellung der Schlachten des Ersten Weltkriegs.

John Keegan: "Der Erste Weltkrieg". Eine europäische Tragödie. Aus dem Englischen von Karl und Heidi Nicolai. Kindler Verlag, Reinbek 2000. 512 S., Abb. auf Tafeln, geb., 68,- DM.

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