Die Zahl und die Namen seiner Gesprächspartner für dieses Buch sind Legende: von Giuliano Amato über Helmut Kohl bis Jean-Claude Trichet. Der britische Finanzexperte und Banker David Marsh hat mit wirklich allen Machern des Euro Rückschau gehalten und Bilanz gezogen. Kenntnisreicher, aktueller und fundierter kann man nicht über die Geschichte und die Zukunft des Euro schreiben. Sein Buch wird selbst die Macher der Währung mit Details überraschen. Denn nicht alle wissen alles, aber David Marsh. Am 1. Januar 2009 ist der Euro zehn Jahre alt. Die neue europäische Gemeinschaftswährung hat sich gegenüber dem allmächtigen Dollar fest etabliert. Doch der Erfolg ist umstritten - nicht nur wegen der Finanzkrise. David Marsh sieht brisante Auseinandersetzungen um die Zukunft der europäischen Währung auf uns zukommen. Seine Warnung: Die grundlegenden Spannungen und unterschiedlichen Erwartungen an die Einheitswährung lassen Zweifel aufkommen am Fortbestehen des Euro - zumindest in seiner jetzigen Form.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.08.2009Alles über den Euro
Zehn Jahre sind vergangen, seitdem der Euro als gemeinsame Währung zum Kern der Europäischen Währungsunion wurde. David Marsh ist Experte in währungspolitischen Fragen, er hat Experten von Zentralbanken und Regierungen und aus der Finanzwelt befragt, die bei der Entstehung des Euro eine wichtige Rolle gespielt haben. So ist ein Buch entstanden, das die sehr verschiedenen Sichtweisen über die Gemeinschaftswährung dokumentiert.
Insbesondere darüber, ob und wann der Euro dem Dollar die währungspolitische Führungsrolle abnehmen wird, gehen die Meinungen der Ökonomen auseinander. Auch ist der Erfolg der Währung umstritten: Hat der Euro etwa eine Eurosklerose verhindert oder befördert? Damit ist gemeint, dass organisierte Einzelinteressen den Status quo zementieren, weil er ihnen Macht und Einkommen sichert. Dadurch sinken Produktivität und Dynamik der Wirtschaft.
In der Weltwirtschaftskrise hat der Euro zumindest für Stabilität gesorgt, meint Marsh. Die Wechselkurse vieler EU-Länder wären sonst womöglich ins Chaos gestürzt. Doch der Autor verschweigt auch nicht, dass nicht alles ohne Friktionen verlaufen ist. Bleibt
die Frage, ob mit der Kunstwährung etwas geschaffen worden ist, was zusammenhält, was eigentlich nicht zusammengehört?
Es ist spannend, dass mit Marsh ausgerechnet ein Brite über den Euro schreibt. Denn sein Heimatland hält seit Jahren beharrlich am Pfund fest und möchte es nicht gegen den Euro tauschen. Doch diese Distanz tut gut: Der Autor erweist sich etwa als Experte, was die kritische Rolle der Deutschen Bundesbank bei der Schaffung der Währungsunion angeht.
Detailliert beschreibt Marsh das Scheitern des von 1944 bis 1973 geltenden globalen Währungssystems von Bretton Woods. Dieses System mit seinen festen Wechselkursen hatte den Dollar als Leitwährung, der damals noch mit Gold hinterlegt war. Marsh erzählt, wie die Aufwertung der D-Mark und des holländischen Gulden 1961 die Europäische Kommission so aufgeschreckt hatte, dass sie schließlich zum Aufbruch zur Wirtschafts- und Währungsunion führte.
In diesem Rahmen erfährt der Leser verschiedene Sichtweisen von Ökonomisten und von Monetaristen. Die entscheidende Streitfrage zwischen beiden Lagern war, ob die Währung das Instrument oder das Ziel der wirtschaftlichen Zusammenführung der Länder sein sollte. Marsh arbeitet heraus, dass währungspolitische Entscheidungen dabei nicht nur auf theoretischen Grundlagen getroffen werden, sondern auch von unterschiedlichen Wirtschaftskulturen und politischen Eitelkeiten beeinflusst sind. Etwa, als Großbritannien 1992 aus dem Europäischen Währungssystem austrat. Denn während die Deutsche Bundesbank versuchte, inflationäre Tendenzen zu verhindern, wollten Großbritannien und Frankreich durch eine Lockerung der Geldpolitik eine mögliche Rezession bekämpfen. Frankreich wehrte sich auch aus anderem Grund: Dass die Deutsche Bundesbank bei der Schaffung des Euro die Europäische Zentralbank als Hüterin der Währung sehen wollte, widersprach der französischen Tradition.
David Marsh kann die Verflechtungen zwischen monetären, wirtschaftlichen, politischen und strategischen Fragmenten nicht ganz auflösen. Aber er bietet den Lesern ein kritisches und wegen der vielen Interviews ein sehr lebendiges Bild vom Euro. Seinem Ziel, die aufstrebende Gemeinschaftswährung annähernd treffend zu beschreiben, ist der Brite mehr als gerecht geworden. Egal, wie man zum Euro steht: Dieses Buch ist lesenswert. Indira Gurbaxani
David Marsh:
Der Euro. Die geheime Geschichte der neuen Weltwährung.
Murrmann Verlag, Hamburg 2009,
440 Seiten, 38,00 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Zehn Jahre sind vergangen, seitdem der Euro als gemeinsame Währung zum Kern der Europäischen Währungsunion wurde. David Marsh ist Experte in währungspolitischen Fragen, er hat Experten von Zentralbanken und Regierungen und aus der Finanzwelt befragt, die bei der Entstehung des Euro eine wichtige Rolle gespielt haben. So ist ein Buch entstanden, das die sehr verschiedenen Sichtweisen über die Gemeinschaftswährung dokumentiert.
Insbesondere darüber, ob und wann der Euro dem Dollar die währungspolitische Führungsrolle abnehmen wird, gehen die Meinungen der Ökonomen auseinander. Auch ist der Erfolg der Währung umstritten: Hat der Euro etwa eine Eurosklerose verhindert oder befördert? Damit ist gemeint, dass organisierte Einzelinteressen den Status quo zementieren, weil er ihnen Macht und Einkommen sichert. Dadurch sinken Produktivität und Dynamik der Wirtschaft.
In der Weltwirtschaftskrise hat der Euro zumindest für Stabilität gesorgt, meint Marsh. Die Wechselkurse vieler EU-Länder wären sonst womöglich ins Chaos gestürzt. Doch der Autor verschweigt auch nicht, dass nicht alles ohne Friktionen verlaufen ist. Bleibt
die Frage, ob mit der Kunstwährung etwas geschaffen worden ist, was zusammenhält, was eigentlich nicht zusammengehört?
Es ist spannend, dass mit Marsh ausgerechnet ein Brite über den Euro schreibt. Denn sein Heimatland hält seit Jahren beharrlich am Pfund fest und möchte es nicht gegen den Euro tauschen. Doch diese Distanz tut gut: Der Autor erweist sich etwa als Experte, was die kritische Rolle der Deutschen Bundesbank bei der Schaffung der Währungsunion angeht.
Detailliert beschreibt Marsh das Scheitern des von 1944 bis 1973 geltenden globalen Währungssystems von Bretton Woods. Dieses System mit seinen festen Wechselkursen hatte den Dollar als Leitwährung, der damals noch mit Gold hinterlegt war. Marsh erzählt, wie die Aufwertung der D-Mark und des holländischen Gulden 1961 die Europäische Kommission so aufgeschreckt hatte, dass sie schließlich zum Aufbruch zur Wirtschafts- und Währungsunion führte.
In diesem Rahmen erfährt der Leser verschiedene Sichtweisen von Ökonomisten und von Monetaristen. Die entscheidende Streitfrage zwischen beiden Lagern war, ob die Währung das Instrument oder das Ziel der wirtschaftlichen Zusammenführung der Länder sein sollte. Marsh arbeitet heraus, dass währungspolitische Entscheidungen dabei nicht nur auf theoretischen Grundlagen getroffen werden, sondern auch von unterschiedlichen Wirtschaftskulturen und politischen Eitelkeiten beeinflusst sind. Etwa, als Großbritannien 1992 aus dem Europäischen Währungssystem austrat. Denn während die Deutsche Bundesbank versuchte, inflationäre Tendenzen zu verhindern, wollten Großbritannien und Frankreich durch eine Lockerung der Geldpolitik eine mögliche Rezession bekämpfen. Frankreich wehrte sich auch aus anderem Grund: Dass die Deutsche Bundesbank bei der Schaffung des Euro die Europäische Zentralbank als Hüterin der Währung sehen wollte, widersprach der französischen Tradition.
David Marsh kann die Verflechtungen zwischen monetären, wirtschaftlichen, politischen und strategischen Fragmenten nicht ganz auflösen. Aber er bietet den Lesern ein kritisches und wegen der vielen Interviews ein sehr lebendiges Bild vom Euro. Seinem Ziel, die aufstrebende Gemeinschaftswährung annähernd treffend zu beschreiben, ist der Brite mehr als gerecht geworden. Egal, wie man zum Euro steht: Dieses Buch ist lesenswert. Indira Gurbaxani
David Marsh:
Der Euro. Die geheime Geschichte der neuen Weltwährung.
Murrmann Verlag, Hamburg 2009,
440 Seiten, 38,00 Euro.
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