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Überraschend hat Ricarda Huch 1916 in der Berliner Illustrierten Zeitung ihr Krimi-Debüt gegeben: Doktor Enea gerät in Verdacht, seine geschiedene Frau vergiftet zu haben. Er bestreitet die Tat, doch er hat kein Alibi. Spöttisch verfolgt er vor Gericht die Zeugenaussagen, die ein sehr widersprüchliches Bild ergeben.

Produktbeschreibung
Überraschend hat Ricarda Huch 1916 in der Berliner Illustrierten Zeitung ihr Krimi-Debüt gegeben: Doktor Enea gerät in Verdacht, seine geschiedene Frau vergiftet zu haben. Er bestreitet die Tat, doch er hat kein Alibi. Spöttisch verfolgt er vor Gericht die Zeugenaussagen, die ein sehr widersprüchliches Bild ergeben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.11.2007

Kein Verlass auf oben und unten
Ricarda Huch: „Der Fall Deruga”
Wer ist und wer war er nun wirklich, dieser vielschichtig schillernde, das Gericht ständig provozierende Doktor Deruga, Hals-Nasen-Ohrenarzt, früher in München, jetzt in Prag praktizierend? Er stammt aus Oberitalien, das steht fest. Doch er hat kein krauses Haar und keine Feueraugen. Vielleicht vertritt er aber doch den Typus des verschlagenen, rachsüchtigen Welschen, wie ein Beobachter glaubt, der den Prozess gegen den Doktor verfolgt. Und was genau hat sich zwischen ihm und seiner geschiedenen, reichen Frau Mingo, geborene Swieter, abgespielt an jenem 2. Oktober, als sie aus dem Leben schied?
Zumindest auf die letzte Frage findet der geneigte Leser eine Antwort. Ricarda Huch wusste stets, was sich schickt, nicht nur ihren Lesern gegenüber. Der späteren Preisträgerin höchster literarischer Auszeichnungen im In- und Ausland war, so viel dürfen wir unterstellen, das Genre des Kriminalromans nicht die Erfüllung einer heftigen Passion. Doch eine so begnadete wie unerschrockene Erzählerin wie Ricarda Huch bewährt sich in allen Disziplinen, besser gesagt, sie verschafft ihnen Möglichkeiten, an die bisherige Adepten nie gedacht haben und die ihre Nachfolger aus unterschiedlichen Gründen nie aufgriffen. So erkennen wir in diesem 1917 erstmals erschienenen Werk eine frühe, bereits ausgereifte Form, der allerdings in der Entwicklungsgeschichte der Gattung kaum eine tragende Rolle mehr beschieden war: Der Leser ist nämlich über weite Strecken schlauer als das Publikum im Gericht. Es führt vielleicht ein Weg von Ricarda Huch zu Mickey Spillane, doch dieser Weg ist weit und verschlungen.
Die Geschichte mit tödlichem Ausgang spielt in einer Gesellschaft mit strengen Konventionen, es dürften die des wilhelminischen Kaiserreiches sein. Oben und Unten sind hierarchisch deutlich geschieden. Gerichtspräsidenten und Dienstmädchen, Baronessen und Bettler, Anwälte und Hausierer – und eben auch Ärzte – gestalten die Szenen. Männer geben den Ton an, Frauen können ihn bisweilen zum Klingen bringen. So weit, so realistisch.
Doch schon nach wenigen Seiten merkt der Leser, dass auf diese Rollen so wenig Verlass ist wie auf den Ausgang des Verfahrens, in dem unser Doktor Deruga sich als Angeklagter vor Gericht zu verantworten hat. Es geht nämlich, so viel kann preisgegeben werden, um einen verzwickten Fall von Autonomie und von schicksalhafter Fremdbestimmung. In dieses Wechselbad tunkt die Autorin auch ihre Figuren, kein Staatsanwalt, kein Bettler bleibt davon verschont. Der, wiederholen wir es, denn es geht schließlich auch um einen Unterhaltungsroman, also der schillernde Doktor Deruga hat offenbar ein Leitmotiv vorgegeben, das in die Akteure als mal flüchtiger, mal beständiger Ohrwurm eingedrungen ist. Reden wir von einem Melodram? Ja, darum geht es auch. Ein Melodram mit zynisch glücklichem Ausgang. Klar, bei den Schauplätzen Prag und München.
TILMAN SPENGLER
Ricarda Huch Scherl/SV-Bilderdienst
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