Seit 2014 recherchiert der Investigativreporter Dan McCrum von der Financial Times über die Geschäfte des Zahlungsdienstleisters Wirecard, seit 2015 veröffentlicht er eine Serie von gewissenhaft recherchierten Artikeln. Aber seine Hinweise auf kriminelle Machenschaften werden ignoriert; vielmehr wird die renommierte Zeitung verdächtigt, mit Spekulanten unter einer Decke zu stecken, die auf den Kursverfall von Wirecard wetten. So schafft es das 1999 vor allem für die Geldtransaktionen von Online-Porno und -Glücksspiel gegründete Unternehmen, 2018 in den DAX aufzusteigen. Zwei Jahre später fliegt der Schwindel auf, als 1,9 Milliarden Euro, die sich auf einem Konto auf den Philippinen befinden sollen, nicht mehr aufzufinden sind. Nun tut sich ein Abgrund von Lügen und Bilanzbetrug auf - Deutschlands größter Finanzskandal. Erst jetzt beschäftigt sich die Öffentlichkeit mit den beiden Männern, die Wirecard verkörpern: dem Vorstandsvorsitzenden Markus Braun, der sich als IT-Visionär darstellte, und seinem Vorstandskollegen Jan Marsalek, der ein zwielichtiges Doppelleben führte. Alle Kontrollinstanzen haben versagt. Statt kritisch hinzuschauen, ließen sie sich von der »deutschen Antwort auf das Silicon Valley« blenden. Die Wirtschaftsprüfer von EY testierten Jahr für Jahr die gefälschten Bilanzen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) fühlte sich nicht zuständig. Die Analysten der Deutschen Banken trieben den Börsenwert hoch. Politiker ließen sich von Lobbyisten einspannen, um die Wirecard-Geschäfte im Ausland zu fördern. Die fachlich nicht qualifizierten Aufsichtsräte von Wirecard erwiesen sich als unfähig. Und die deutschen Medien schwärmten von dem vermeintlichen Vorzeigeunternehmen. Im Dezember 2020 wird McCrum für seine Enthüllungen mit einem Sonderpreis des Deutschen Reporterpreises ausgezeichnet. Die Laudatio hält, Ironie des Schicksals, Finanzminister Olaf Scholz, dem die untätig gebliebene Bafin untersteht.