Ein geheimnisvolles arabisches Manuskript im ICE Berlin-München, das niemandem zu gehören scheint und worin acht Mal auf verschiedene Weise die Lebensgeschichte desjenigen erzählt wird, der es zufällig findet und liest. Abbas Khider verbindet das Tragische mit dem Komischen, das Groteske mit dem Alltäglichen, die Exotik des Orients mit den Lebenserfahrungen eines Flüchtlings. Er beeindruckt durch seinen ungeschönten Blick und die Beiläufigkeit, mit der er vom Elend wie von Wundern erzählt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2009Auf der Flucht
Von Bagdad nach München: „Der falsche Inder” von Abbas Khider
Acht Mal erzählt Abbas Khider diese Geschichte einer Flucht – acht Mal geht es von Bagdad nach München. Immer unter einem anderen Aspekt. Und schön langsam vervollständigt sich das Bild, wird die ganze Wahrheit hinter der Geschichte des Rasul Hamid sichtbar, die so sehr auch die Geschichte des Autors selbst ist. In seinem Debütroman erzählt Abbas Khider von dem jungen Iraker Rasul, der unter Saddam Hussein im Gefängnis sitzt und anschließend als illegaler Flüchtling eine unmenschliche Odyssee durch viele arabische und europäische Länder durchleidet, bis er schließlich in Deutschland Asyl erhält.
Khider tut dies in einer äußerst lebendigen, oftmals lakonischen Sprache, die immer wieder durchdrungen ist von grimmigem Humor. Keine Spur dabei von moralinsaurer Schwere, die sich bleiern auf den Leser legte. Nein, „Der falsche Inder” ist ein radikal unsentimentaler Report aus der Hölle. So ist der Schrecken der Flucht zwar immer präsent, wird aber nie explizit ausgestellt. Es bleibt genug Platz für eine Lebenslust, die ansteckend wirkt, und für viele kleine Beobachtungen, ebenso präzise wie entlarvend. München ist die vorläufige Endstation dieser Odyssee: „Ich hasse den Winter in dieser Stadt, indem die Gesichter ihrer Einwohner den Eindruck erwecken, als wären sie allesamt mit Pauken und Trompeten durch eine wichtige Prüfung gerasselt. Im Sommer aber will ich nicht lange weg sein. Da kleidet sich diese Stadt mit einem Mal völlig anders. Sie wird nackt. Wie die Frauen an der Isar.”DOMINIK SCHWEIGHOFER
ABBAS KHIDER: „Der falsche Inder”. Nautilus Verlag. Hamburg 2009. 157 Seiten. 16 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Von Bagdad nach München: „Der falsche Inder” von Abbas Khider
Acht Mal erzählt Abbas Khider diese Geschichte einer Flucht – acht Mal geht es von Bagdad nach München. Immer unter einem anderen Aspekt. Und schön langsam vervollständigt sich das Bild, wird die ganze Wahrheit hinter der Geschichte des Rasul Hamid sichtbar, die so sehr auch die Geschichte des Autors selbst ist. In seinem Debütroman erzählt Abbas Khider von dem jungen Iraker Rasul, der unter Saddam Hussein im Gefängnis sitzt und anschließend als illegaler Flüchtling eine unmenschliche Odyssee durch viele arabische und europäische Länder durchleidet, bis er schließlich in Deutschland Asyl erhält.
Khider tut dies in einer äußerst lebendigen, oftmals lakonischen Sprache, die immer wieder durchdrungen ist von grimmigem Humor. Keine Spur dabei von moralinsaurer Schwere, die sich bleiern auf den Leser legte. Nein, „Der falsche Inder” ist ein radikal unsentimentaler Report aus der Hölle. So ist der Schrecken der Flucht zwar immer präsent, wird aber nie explizit ausgestellt. Es bleibt genug Platz für eine Lebenslust, die ansteckend wirkt, und für viele kleine Beobachtungen, ebenso präzise wie entlarvend. München ist die vorläufige Endstation dieser Odyssee: „Ich hasse den Winter in dieser Stadt, indem die Gesichter ihrer Einwohner den Eindruck erwecken, als wären sie allesamt mit Pauken und Trompeten durch eine wichtige Prüfung gerasselt. Im Sommer aber will ich nicht lange weg sein. Da kleidet sich diese Stadt mit einem Mal völlig anders. Sie wird nackt. Wie die Frauen an der Isar.”DOMINIK SCHWEIGHOFER
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Als "radikal unsentimentalen Fluchtreport" über die langjährigen und schmerzhaften Versuche eines Irakers, nach Europa zu kommen, hat Rezensentin Ines Kappert diesen Roman gelesen. Das Verführerische daran war für sie besonders die "gute Laune" dieses subtil als Reisebericht angelegten, "autobiografisch eingefärbten" Buches, wobei sie den betont naiven Erzählstil zunächst gewöhnungsbedürftig fand. Doch mache der Autor damit seine Überlebensstrategie deutlich, das Unglaubliche stets nur mit staunendem Achselzucken zur Kenntnis zu nehmen. Die Verhältnisse im Irak oder den durchreisten Ländern werden lediglich schlaglichthaft beschrieben. Auch die Klischees, die den Autor auf Grund seiner Hautfarbe in den meisten Augen zum Inder macht. Khider unterläuft diese Klischees zur Begeisterung der Rezensentin mit großer Leichtigkeit, seine Lakonie lasse kein Mitleid zu, weshalb seine Geschichte sie sehr berührte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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