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Dieser neue Wallander-Thriller führt direkt in den Kalten Krieg und in die schwedische Nachkriegsgeschichte. Hakan von Enke, ehemaliger U-Boot-Kommandant und zukünftiger Schwiegervater von Wallanders Tochter Linda, gewährt dem Kommissar brisante Einblicke in eine politische Affäre: Fremde U-Boote drangen in den achtziger Jahren mehrfach in schwedische Hoheitsgewässer ein, wurden aber nie identifiziert. Von Enke hat dazu jahrelang recherchiert und glaubt sich einer Lösung nahe. Doch dann verschwindet er spurlos, und als kurz darauf auch noch Enkes Ehefrau als vermisst gilt, steckt Wallander bereits mitten in den Ermittlungen...…mehr

Produktbeschreibung
Dieser neue Wallander-Thriller führt direkt in den Kalten Krieg und in die schwedische Nachkriegsgeschichte. Hakan von Enke, ehemaliger U-Boot-Kommandant und zukünftiger Schwiegervater von Wallanders Tochter Linda, gewährt dem Kommissar brisante Einblicke in eine politische Affäre: Fremde U-Boote drangen in den achtziger Jahren mehrfach in schwedische Hoheitsgewässer ein, wurden aber nie identifiziert. Von Enke hat dazu jahrelang recherchiert und glaubt sich einer Lösung nahe. Doch dann verschwindet er spurlos, und als kurz darauf auch noch Enkes Ehefrau als vermisst gilt, steckt Wallander bereits mitten in den Ermittlungen...
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Autorenporträt
Henning Mankell (1948 - 2015) lebte als Schriftsteller und Theaterregisseur in Schweden und Maputo (Mosambik). Seine Romane um Kommissar Wallander sind internationale Bestseller. Zuletzt erschienen bei Zsolnay Treibsand (Was es heißt, ein Mensch zu sein, 2015), die Neuausgabe von Die italienischen Schuhe (Roman, 2016), Die schwedischen Gummistiefel (Roman, 2016) und die frühen Romane Der Sandmaler (2017), Der Sprengmeister (2018) und Der Verrückte (2021).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2010

Jetzt muss die Welt sich selber retten

Ein Kommissar tritt ab, der nie einfach nur einen Mord lösen durfte: Nach zehn Büchern verabschiedet sich Henning Mankell mit "Der Feind im Schatten" von Kurt Wallander

Es ist der letzte Fall. Definitiv. Ein kurzes Telefonat mit dem Verlag bestätigt noch mal, was hinten auf dem Umschlag steht. Es könnte zwar sein, dass die Tochter weitermache, sie arbeite ja jetzt auch als Polizistin. Aber für Kommissar Kurt Wallander aus Ystad sei es nach diesem Buch aus und vorbei. "Der Feind im Schatten", so heißt sein letzter Auftrag. Sechshundert Seiten ohne Wiederkehr. Sie haben wohl noch nicht bis zum Ende gelesen, sagt die Verlagssprecherin, sonst wüssten Sie, dass es gar nicht weitergehen kann. Oder soll ich es Ihnen schnell verraten?

Vor genau zwei Jahren hatte Henning Mankell Journalisten ins Wiener Hotel "Sacher" zum Interview eingeladen. Damals, um einen seiner anderen Romane zu präsentieren, die sich zwar gut verkauften, die für seine Abermillionen Leser aber wohl immer irgendwie den Weg zum nächsten Wallander verstellt hatten, elf Jahre lang, seit dem neunten Fall, "Die Brandmauer" von 1998. Danach war also Pause gewesen, die Zeit verstrich mit einem nachgereichten Erzählungsband über Wallanders frühe Jahre und drei verschiedenen Fernsehverfilmungen, in denen drei verschiedene Schauspieler dem schwedischen Polizeibeamten ein Gesicht zu geben versuchten. Der letzte, Kenneth Branagh, hat das am besten geschafft.

In Wien, im Mai vor zwei Jahren, draußen strömte der Regen, saß drinnen Mankell in hellem Leinen, die Uniform für die Leute seiner Generation. Sechzig war er gerade geworden, hellrot stand ihm die Farbe im Gesicht, er war eben nämlich von Dreharbeiten mit dem ZDF für eine Afrika-Reportage zurückgekommen und ziemlich begeistert davon, dass am nächsten Tag sein historischer Familienthriller "Der Chinese" in dreißig Ländern gleichzeitig erscheinen sollte. Damals endete unser Gespräch mit der Frage, ob und wann es einen neuen Wallander geben würde. "Wie es jetzt steht", sagte Mankell gedehnt, wie oft hatte er wohl schon darauf antworten müssen, "würde ich es mit James Bond halten: Sag niemals nie. Schauen wir mal, was passiert. Mehr kann ich nicht sagen."

Dreizehn Monate später, im Juni 2009, war "Der Feind im Schatten" fertig, so lautet jedenfalls das Datum unter Mankells Nachwort. Wenn ich jetzt das Band aus Wien noch einmal abhöre, dann waren damals schon viele der Elemente im Gespräch, aus denen sich dieser letzte Fall Kurt Wallanders zusammensetzen sollte, aber da sie zugleich auch die Elemente sind, aus denen Henning Mankell sein Weltbild fügt, fällt es schwer zu sagen, ob er schon kompositorisch im letzten Wallander-Buch steckte oder ob sich dieses Buch nicht eher von selbst aus der Lage der Dinge entwickelte, wie er sie sieht.

Diese Elemente sind: Solidarität als Kitt der Gesellschaft. Die zweifelhafte Rolle Amerikas in der Welt. Vergangenheitsbewältigung der Menschen, der Nationen. Ost gegen West.

Klingt das nach Krimi? So waren aber Wallanders Fälle immer. In diesem letzten werden sie alle noch mal kurz gestreift, Figuren alter Folgen schauen vorbei, Wallanders Frauen liegen noch einmal in seinem Bett, aber allein. Denn "Der Feind im Schatten" ist ein Abschiedsbuch geworden, der Ton ist Herbst, überhaupt spielen die Jahreszeiten eine große Rolle. Wallander sieht sie kommen und gehen, unterdessen löst er einen Fall, der gar nicht seiner ist, eigentlich hat er Urlaub. Aber da ein Mann wie Wallander nicht einfach Urlaub hat, wo sollte er dann zum Beispiel das Weltgewissen hinlegen, das er mit sich herumträgt, ermittelt er eben. In der eigenen Familie.

Linda, seine Tochter, bekommt ein Kind. Von Hans, einem adligen Börsenmakler. Dessen Vater Håkan war U-Boot-Kommandant der schwedischen Marine. Er ist einer Verschwörung auf der Spur, er hat bei einem Manöver im Herbst 1980 vor der schwedischen Küste ein fremdes U-Boot aufgebracht, mitten im Kalten Krieg, er musste es aber ziehen lassen. Wer hat den Befehl gegeben? Reicht es bis zum Ministerpräsidenten Olof Palme hinauf? Håkan erzählt Wallander von seiner Verschwörung am Tag, als die beiden Großväter sich kennenlernen. Kurz darauf verschwindet Håkan. Und bald danach auch Louise, seine Frau. Wallander schaltet sich ein. Findet Dinge heraus. Kann sich manches noch nicht erklären. Fährt im Land herum. Dann wird Louise tot aufgefunden. Selbstmord. Nein, Mord. Lebt Håkan noch? Hat er es getan? Ging es um Spionage?

Henning Mankells Wallander ist das klassische Exemplar eines Kommissars als Medium des Verbrechens. Solche Exemplare gibt es nur in Krimis, egal ob im Fernsehen oder im Roman. Wallander ist dieses Medium nicht nur, weil er so mitleidet an der Düsternis der Welt, er ist ein Medium, weil die bösen Taten alle durch ihn hindurchgehen müssen, bevor er sie lösen kann. Sie haben alle mit ihm zu tun, und im schlimmsten Fall ist er sogar mit ihnen verwandt.

Man stelle sich ein Abendbrot im Kreise der Familie Wallander vor (es werden viele belegte Brote in Ystad gegessen, das haben Mankells Bücher mit denen von Stieg Larsson gemeinsam, aber natürlich nicht nur das: zum Beispiel den depressiven Himmel über Schweden, die Wälder und die schönen Felder, tote Mädchen, Korruption, und genauso lang wie die von Stieg Larsson sind sie auch). Da sitzt dann der geschiedene Kurt, der mal einen Kollegen verloren hat, weil der ermordet wurde, Kurt, der eine Lettin namens Baiba heiraten wollte, nachdem deren Mann ermordet worden war in einem Fall, den Kurt am Ende gelöst hat, genau wie den anderen Fall, in dem sein Kollege Svedberg starb und Kurt um Haaresbreite auch. Und nun lebt seine Tochter, die sich mal das Leben nehmen wollte, mit einem Mann zusammen, dessen Eltern kurz darauf verschwinden, die Mutter stirbt, man hat ihr seltsame Substanzen verabreicht, der Vater wiederum - aber hier soll ja nichts verraten werden. Da sitzen sie nun vor ihren Broten, der fast erschossene Kurt, die Tochter, die mal nicht mehr leben wollte, der brutal verwaiste Schwiegersohn, und man fragt sich, wie sie wohl miteinander reden. Reichst du mir mal die Butter? Wie geht es deinem posttraumatischen Stresssyndrom?

Man hat an Mankells Figuren oft ihre Lebensnähe gelobt, aber wenn man diesen letzten Fall zum Maßstab nimmt, stimmt das einfach nicht. Wallander, der graue Mann, der Trinker, Diabetiker, der Besitzer leerer Kühlschränke und trister Wohnungen, ist nicht Durchschnitt. Er hat zum Beispiel für jedes Rätsel einen Bekannten zur Hand, der ihm weiterhilft. Diesmal einen ehemaligen Stasi-Mann, der sich mit Gift auskennt. Und einen dicken, toten Schulfreund mit einem Marinearchiv, in dem Wallander doch tatsächlich uralte Fotos des vermissten U-Boot-Kommandanten und seiner toten Frau findet; plötzlich erscheint alles klarer.

Oder er findet eine Zeugin längst zurückliegender Ereignisse, eine Kellnerin in einem Lokal für hohe Marinesoldaten, wo Håkan verkehrte, und die ist dann zufällig als Kommunistin damals selbst verdeckt unterwegs gewesen und erinnert sich genau, was geredet wurde. Überhaupt suchen Wallander Erinnerungen immer im richtigen Moment heim, damit der Kommissar besser versteht, wie das war mit dem neutralen Schweden im Kalten Krieg (und der Leser erst). "Plötzlich erinnerte sich Wallander beinahe Wort für Wort", heißt es dann.

Aber nichts geschieht plötzlich und zufällig, und mit jeder Szene, in der Mankell doch Zufälliges beschreibt, etwa, dass Wallander Großraumtaxis nicht mag, fühlt man sich manipulierter. Einmal nimmt Wallander eine Anhalterin mit, obwohl er das eigentlich nicht macht. Später stellt sich heraus, dass sie auf der Flucht ist, weil sie ihre Eltern getötet hat. Wie hast du denn das nur verkraftet, Kurt? Reichst du mir mal die Butter?

Was sich nicht lösen lässt, die falschen Fährten und großen Unbekannten, wird am Ende als ungelöst einkassiert und abgeheftet. "Wenn Sie mit Polizisten sprechen, werden die Ihnen sagen: So ist das, es bleiben immer lose Fäden übrig, wir können nicht alles lösen", hatte Mankell damals in Wien gesagt, und so lapidar das klingt, irgendwie lebt es sich besser damit als mit den notorischen letzten Seiten bei Harry Potter, wo Dumbledore mit der Weltformel kommt und alles wegerklärt, bis einem der Kopf raucht, niemals könnte man es nacherzählen.

Wie enden große Serien? Potters "All was well" war schon ziemlich gut. Im Fernsehen, bei den "Sopranos", schaute Tony einfach nur zur Eingangstür des Restaurants, in dem er saß, dann war Schnitt und Schluss. Bei "Six Feet Under" fuhr die jüngste Tochter in die Zukunft ihrer Familie hinein, neun Minuten herzzerreißende Zeitraffer. Bevor aber Kurt Wallander verschwindet, muss er einen Fall lösen, der bei weitem nicht so grässlich blutig und brutal gewesen ist wie die anderen neun davor. Es geht nicht um Mädchenschlepperbanden oder um die von der Ersten ausgebeutete Dritte Welt, kein Serienkiller ist auf der Jagd. Es geht um den Kalten Krieg und darum, wer darin die gute und wer die böse Macht war. Eine umständliche Konstruktion, die am Ende darauf hinausläuft, dass man vor den Amerikanern auf der Hut sein soll. Und ein Generationspsychogramm, für das abermals Wallander das Medium sein muss. Ein abstrakter Krimi, dessen Lösung ungewohnt träge zum Vorschein kommt.

"Ich bin immer noch die verwirrte Gestalt an der Peripherie des großen politischen und militärischen Geschehens. Heute wie damals bin ich eine ängstliche und unsichere Randfigur." Das sagt Wallander zu sich selbst, ein paar Seiten bevor das Buch vorbei ist. Aber das ist nur die Koketterie seines Erfinders. Ein Kommissar tritt ab, der nie einfach nur einen Mord aufdecken durfte. Sondern immer auch das System dahinter. Eine Weltverteilung, große Schuld. Und diesmal sogar die ganze Nachkriegsordnung.

Als wolle Henning Mankell mit dem letzten Roman seinen Kurt Wallander historisieren. Bevor es kein anderer tut.

TOBIAS RÜTHER

Henning Mankell: "Der Feind im Schatten". Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Verlag Paul Zsolnay, 592 Seiten, 26 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Finster, dieser Wallander-Krimi. Hier geht es nicht nur um die Auflösung eines Kriminalfalls, schreibt Rezensentin Susanne Mayer. Auch Kommissar Wallander ist in einer schweren Krise: das Alter droht und danach - Tod. Und dass, wo Wallander offenbar noch ziemlich wenig gelebt hat. Die Rezensentin zählt jedenfalls eine Reihe von Beziehungen auf, die entweder zerbrachen oder gar nicht erst zustande kamen. Auch Angst vor dem irrsinnig werden treibt Wallander um. Diese privaten Sorgen sind verknüpft mit dem Fall um ein U-Boot, dass vor Stockholm spionieren soll und Ereignissen aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Rezensentin scheint beeindruckt zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Kommissar tritt ab, der nie einfach nur einen Mord aufdecken durfte. Sondern immer auch das System dahinter. Eine Weltverteilung, große Schuld. Und diesmal sogar die ganze Nachkriegsordnung." Tobias Rüther, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04.10

"Der mit Abstand berührendste Wallander-Krimi." Stephan Bartels, Brigitte

"Mankell ist das Kunststück gelungen, eine Figur zu schaffen, in die sich viele hineinversetzen können. Wir haben die gleichen Probleme wie Kurt: Wir fürchten uns vor dem Tod und vor Krankheiten, haben Probleme, den Menschen unsere Liebe zu zeigen, die uns am nächsten stehen, wir arbeiten zu viel, trinken zu viel, essen das Falsche und sind Meister im Verdrängen." Thomas Askan Vierich, Falter

"Nie war das Dunkel in einem Wallander so erschreckend wie in diesem. ... Es geht um Politik und Spionage und die Frage, wer Feind ist und wer Freund. Und zugleich geht es auch um Wallanders ganz persönliche Schatten." Susanne Mayer, Die Zeit, 06.05.1"Kurz: Alle Zeichen stehen auf Abschied. Und Autor Henning Mankell macht das glänzend, produziert im Gewand des Krimis ein veritables Stück Literatur zum Thema Altwerden." Jens Frederiksen, Allgemeine Zeitung, Mainz, 30.04.10