Malaya, zweite Hälfte der 1950er Jahre: Während die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht immer näher rückt, tritt der britische Lehrer Victor Crabbe im Bundesstaat Dahaga eine Stelle als Schuldirektor an. Nach seiner Liebschaft mit einer Malaiin am vorigen Verwendungsort gerät die Ehe mit seiner Frau Fenella weiter in Gefahr, als Crabbe hier mit der Frau seines Vorgesetzten anbandelt und Fenella das Interesse des örtlichen Potentaten auf sich zieht. Zu allem Unglück wird Crabbe von einem missgünstigen Untergebenen bezichtigt, mit den Kommunisten unter einer Decke zu stecken. Doch es ist alles noch viel verworrener, der wohlmeinende Crabbe noch viel tiefer verstrickt, als ihm selbst bewusst ist.In diesem zweiten Teil seiner berühmten Malaya-Trilogie wendet Anthony Burgess den Blick vor allem auf die Religionen Malayas und auf das Mit-, Neben- und Gegeneinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die sich am Ende der Kolonialzeit in einem Land wiederfinden, das sich vor allem in der Antipathie gegen die abziehende Kolonialmacht geeint sieht. Mit Crabbe selbst und mit anderen skurrilen Figuren wie dem erfolglosen Rechtsanwalt Hardman, der vom Katholizismus zum Islam konvertiert, um eine reiche malaiische Witwe zu heiraten, gelingt Burgess auch hier ein eindringliches und gleichzeitig bitter-amüsantes Bild eines ethnisch, religiös und sprachlich vielfältigen Landes in einer einzigartigen Umbruchsituation. (Bd. 2 der Trilogie)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Vier Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes komplettiert der Elsinor-Verlag Anthony Burgess' malaiische Trilogie mit den beiden letzten Bänden auf einen Schlag, freut sich Rezensent Elmar Schenkel. So lässt er sich von Burgess, der in der fünfziger Jahren in Malaya als Dozent arbeitete, erneut durch "menschliche und natürliche Dschungel" führen und erlebt die Konflikte zwischen Chinesen, Tamilen, Malaien, Muslimen, Sikhs, Hindus und Weißen. Deutlicher noch als Somerset Maugham oder Joseph Conrad lasse Burgess seine Kolonialismuskritik durchblicken, beobachtet der Kritiker, der hier in eine Welt voller Intrigen, ohne Illusionen, aber auch ohne Stereotype blickt. Vor allem aber bewundert er Burgess' Polyglottie, die dem Text nicht nur eine besondere Musikalität verleihe, sondern dem Autor auch den direkten Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung ermöglichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2022Weißendämmerung in Südostasien
Ein eigenes Herz der Finsternis: Die deutsche Übersetzung der brillanten Malaya-Romantrilogie von Anthony Burgess ist nun abgeschlossen.
Manche Autoren leiden darunter, dass sie nur durch ein bestimmtes Buch oder eine Figur besonders bekannt wurden, oft durch solche, die sie gar nicht besonders hoch schätzten. Beispiele sind Arthur Conan Doyle, der seinen erfolgreichen Sherlock Holmes eines Tages umbringen wollte, oder G. K. Chesterton, der seinen Father Brown nur zum Geldverdienen geschaffen hatte. Eigentlich, so dachten diese Autoren, hatten sie Wichtigeres geschrieben. So überlebt Anthony Burgess (1917 bis 1993) hauptsächlich als Autor der Dystopie "A Clockwork Orange", zumal das Buch 1971 erfolgreich von Stanley Kubrick verfilmt wurde. Wer weiß von seinen etwa fünfzig weiteren Romanen, von seinen Essays und Artikeln, die in "Le Monde" wie im "Rolling Stone" erschienen, oder von seinen Arbeiten für den Film, gar von seinen musikalischen Kompositionen?
Dass das Wort "Orange" im Titel des Bestsellers auch etwas mit Orang-Utans zu tun haben könnte, verweist auf ein anderes Leben des Autors. Burgess verbrachte prägende Jahre - von 1954 bis 1959 - in Malaya (heute Malaysia), wo er als Dozent arbeitete, aber unablässig Romane und anderes schrieb. Hier entstand seine "malaiische Trilogie", die autobiographisch eingefärbt ist und dabei doch auch eine entscheidende Zeit des Landes einfängt: dessen Weg in die Unabhängigkeit von britischer Vorherrschaft. Leser tauchen ein in eine Welt von menschlichen und natürlichen Dschungeln: Sprachenvielfalt und ethnische Rivalitäten zwischen Chinesen, Tamilen, Malaien, Muslimen, Sikhs und Hindus, mittendrin und fremd weiße Frauen und Männer. Über all dem thront ein Gott namens Alkohol, insbesondere im ersten Band der Reihe: "Jetzt ein Tiger!" (auf Deutsch bereits 2019 herausgekommen), wobei der Tiger nichts anderes ist als eine Biersorte.
Im Laufe der nun durch die deutsche Publikation der zwei weiteren Bände komplettierten Trilogie schwenkt der Scheinwerfer auf verschiedene Hauptfiguren und lässt dadurch zuvor wichtige Gestalten später als Randfiguren oder Erinnerungen wieder auftauchen. Die tragische Grundmelodie aber liefert der englische Dozent Crabbe, der sich von einer moralischen Frage belastet sieht: Hat er den Tod seiner ersten Frau bewusst verschuldet, oder war es ein Autounfall? Kann er selbst noch Auto fahren oder nicht? Seine zweite Frau, die unter diesem Komplex leidet, hat Heimweh nach Großbritannien und rettet sich in Gedichteschreiben und außereheliche Beziehungen, etwa zum herrschenden Fürsten. Dieser Abang (großer Bruder) sammelt Autos, liest George Orwell und will seine Linie durch Kopulation mit blonden Europäerinnen aufbessern - eine schillernde Figur, die nichts Gutes verspricht für die Zeit nach der Unabhängigkeit.
Im Dschungel dagegen sitzen die von China gesteuerten und vom Staat bekämpften Kommunisten. Dagegen sagen die Hindus: "Wir haben zu viele Götter, um Kommunist zu werden." Beilmänner warten auf ihre bezahlten Einsätze, Missliebigen den Kopf abzuhacken, Chinesen machen Geschäfte, Engländer verbarrikadieren sich in ihren Klubs und bleiben hochnäsig gegenüber den Einheimischen. Andere Weiße verfallen dem Alkohol oder dem Glücksspiel. Nostalgisch von der englischen Heimat träumen nicht nur sie, sondern auch Asiaten, die einmal die Luft Großbritanniens, britische Parties und Piccadilly gerochen haben: Hirngespinste, die sich aufs Leben in Malaya legen wie Mehltau. Allenthalben aber herrscht Weißendämmerung. Sie wird unter anderem darin sichtbar, dass ein katholischer Priester nur noch Konfuzius und chinesische Philosophie lesen will. Die Malaien haben derweil wenig zu sagen und warten lächelnd im Hintergrund auf die Wendung der Dinge.
In vieler Hinsicht werden in diesem Romanzyklus Welten aufgetan, die man ansatzweise aus Büchern von Somerset Maugham oder Joseph Conrad kennt: Weiße wähnen sich als etwas Besseres, während sie langsam vom Dschungel, von der asiatischen Inselkultur aufgefressen werden. Burgess hat diesen Prozess ausgekostet wie kein anderer, er kam seinen kolonialkritischen Tendenzen ebenso entgegen wie seinem illusionslosen Blick auf das Gemenge der Kulturen und Religionen. Welchen Druck muss ein britischer Rechtsanwalt erleiden, der mit Bedacht eine dominante muslimische Frau heiratet, aber weiterhin einen katholischen Missionar aufsucht? Solch einer beginnt, despektierliche Aussprüche über den Islam in seinem Notizbuch zu sammeln. In dieser undurchsichtigen Welt wimmelt es von Intrigen und übler Nachrede. Man wird als Sympathisant von Kommunisten verdächtigt, wenn der chinesische Boy sich auffällig benimmt. Oder als Päderast, wenn Crabbe einen jungen chinesischen Komponisten begünstigt.
Die oft kritischen Anspielungen auf gesellschaftliche Verhältnisse, auf Scheinwelten und falsche Hierarchien, auf Rassenhass nicht nur zwischen Weißen und Asiaten, sondern auch unter Letzteren, auf Streit zwischen den Religionen mögen erklären, warum die Trilogie bis heute in Malaysia verboten ist. Doch man sollte sich hüten, Burgess als einen Verbreiter von Stereotypen zu brandmarken. Im Gegensatz zu seinen britischen Landsleuten schottete er sich nicht gegen die einheimischen Bevölkerungen ab. Er lernte blitzschnell Malaiisch (neben vielen anderen Sprachen übrigens) und frequentierte malaiische, tamilische oder chinesische Kreise. Das wurde ihm von den anderen Weißen oft angekreidet. Die Vielsprachigkeit der Kultur faszinierte ihn, der eigentlich seinen malaiischen "Ulysses" schreiben wollte, Verehrer von James Joyce, der er war. Wie der Ire war Burgess ein Sprachenerfinder. Nicht nur die Jugendsprache in "Clockwork Orange", auch eine Steinzeitsprache hat er erfunden für den Film "Im Anfang war das Feuer". Die Vokabeln, die jedem Band der Trilogie im Anhang mitgegeben sind, erinnern beim Lesen an die Fremdheit der Sprachen, mit denen man es hier zu tun hat.
Mit Joyce teilte Burgess übrigens nicht nur die Polyglottie, sondern auch ein inniges Verhältnis zur Musik. Dieser musikalische Einschlag erlangt im dritten Band, als die Unabhängigkeit eintritt, besondere Bedeutung. Zum einen in den Diskussionen mit dem chinesischen Komponisten Robert Loo, dem Crabbe nahelegt, indigene Elemente einzubauen und sich vom überlieferten europäischem Klanggut zu lösen. Zum anderen lässt sich in einem Crescendo die Grundmelodie seines Lebens, die Erinnerung an den Tod seiner ersten Frau, wieder hören. Nachdem einige Omen (Lachen über Schmetterlinge, Hinweise auf Ertrinken) seinen Tod angekündigt haben, begibt sich Crabbe auf eine letzte Fahrt in den Dschungel - sozusagen in sein eigenes Herz der Finsternis. Er trifft auf einen jovialen englischen Verwalter, der dort einsam haust. Man versteht sich gut, bis jedoch klar wird: Dieser Engländer kennt ihn, er war der Geliebte seiner ersten Frau, er kennt das Motiv, warum Crabbe sie (möglicherweise) umgebracht hat. Damit ist die Komposition der drei Romane in einem großen Bogen abgeschlossen.
Doch nicht ganz. Die letzten Seiten zeigen, dass die Geschichte weitergeht. Der Tod des Weißen und die Unabhängigkeit sind nicht das letzte Wort. Der Streit wird weitergehen, aber auch die Liebe. Eine Malaiin namens Rosemary, die in England auf einen treulosen Joe hereingefallen ist, verliebt sich wieder und tanzt. Sie könnte auch Molly Bloom heißen wie die lebensbejahende Frau, die mit ihrem "yes I will Yes" am Ende des "Ulysses" steht. Jahre später notierte Burgess über sein Frühwerk: "Bleibt zu hoffen, dass dieser Roman, der seine eigenen Unterhaltungselemente enthält, durch Gelächter und Tränen aufzuklären vermag." ELMAR SCHENKEL
Anthony Burgess:
"Der Feind in der Decke". Roman.
Aus dem Englischen von Ludwig Tolksdorf. Elsinor Verlag, Coesfeld 2022.
219 S., geb., 32,- Euro.
Anthony Burgess:
"Betten im Orient". Roman.
Aus dem Englischen von Ludwig Tolksdorf. Elsinor Verlag, Coesfeld 2022.
244 S., geb., 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein eigenes Herz der Finsternis: Die deutsche Übersetzung der brillanten Malaya-Romantrilogie von Anthony Burgess ist nun abgeschlossen.
Manche Autoren leiden darunter, dass sie nur durch ein bestimmtes Buch oder eine Figur besonders bekannt wurden, oft durch solche, die sie gar nicht besonders hoch schätzten. Beispiele sind Arthur Conan Doyle, der seinen erfolgreichen Sherlock Holmes eines Tages umbringen wollte, oder G. K. Chesterton, der seinen Father Brown nur zum Geldverdienen geschaffen hatte. Eigentlich, so dachten diese Autoren, hatten sie Wichtigeres geschrieben. So überlebt Anthony Burgess (1917 bis 1993) hauptsächlich als Autor der Dystopie "A Clockwork Orange", zumal das Buch 1971 erfolgreich von Stanley Kubrick verfilmt wurde. Wer weiß von seinen etwa fünfzig weiteren Romanen, von seinen Essays und Artikeln, die in "Le Monde" wie im "Rolling Stone" erschienen, oder von seinen Arbeiten für den Film, gar von seinen musikalischen Kompositionen?
Dass das Wort "Orange" im Titel des Bestsellers auch etwas mit Orang-Utans zu tun haben könnte, verweist auf ein anderes Leben des Autors. Burgess verbrachte prägende Jahre - von 1954 bis 1959 - in Malaya (heute Malaysia), wo er als Dozent arbeitete, aber unablässig Romane und anderes schrieb. Hier entstand seine "malaiische Trilogie", die autobiographisch eingefärbt ist und dabei doch auch eine entscheidende Zeit des Landes einfängt: dessen Weg in die Unabhängigkeit von britischer Vorherrschaft. Leser tauchen ein in eine Welt von menschlichen und natürlichen Dschungeln: Sprachenvielfalt und ethnische Rivalitäten zwischen Chinesen, Tamilen, Malaien, Muslimen, Sikhs und Hindus, mittendrin und fremd weiße Frauen und Männer. Über all dem thront ein Gott namens Alkohol, insbesondere im ersten Band der Reihe: "Jetzt ein Tiger!" (auf Deutsch bereits 2019 herausgekommen), wobei der Tiger nichts anderes ist als eine Biersorte.
Im Laufe der nun durch die deutsche Publikation der zwei weiteren Bände komplettierten Trilogie schwenkt der Scheinwerfer auf verschiedene Hauptfiguren und lässt dadurch zuvor wichtige Gestalten später als Randfiguren oder Erinnerungen wieder auftauchen. Die tragische Grundmelodie aber liefert der englische Dozent Crabbe, der sich von einer moralischen Frage belastet sieht: Hat er den Tod seiner ersten Frau bewusst verschuldet, oder war es ein Autounfall? Kann er selbst noch Auto fahren oder nicht? Seine zweite Frau, die unter diesem Komplex leidet, hat Heimweh nach Großbritannien und rettet sich in Gedichteschreiben und außereheliche Beziehungen, etwa zum herrschenden Fürsten. Dieser Abang (großer Bruder) sammelt Autos, liest George Orwell und will seine Linie durch Kopulation mit blonden Europäerinnen aufbessern - eine schillernde Figur, die nichts Gutes verspricht für die Zeit nach der Unabhängigkeit.
Im Dschungel dagegen sitzen die von China gesteuerten und vom Staat bekämpften Kommunisten. Dagegen sagen die Hindus: "Wir haben zu viele Götter, um Kommunist zu werden." Beilmänner warten auf ihre bezahlten Einsätze, Missliebigen den Kopf abzuhacken, Chinesen machen Geschäfte, Engländer verbarrikadieren sich in ihren Klubs und bleiben hochnäsig gegenüber den Einheimischen. Andere Weiße verfallen dem Alkohol oder dem Glücksspiel. Nostalgisch von der englischen Heimat träumen nicht nur sie, sondern auch Asiaten, die einmal die Luft Großbritanniens, britische Parties und Piccadilly gerochen haben: Hirngespinste, die sich aufs Leben in Malaya legen wie Mehltau. Allenthalben aber herrscht Weißendämmerung. Sie wird unter anderem darin sichtbar, dass ein katholischer Priester nur noch Konfuzius und chinesische Philosophie lesen will. Die Malaien haben derweil wenig zu sagen und warten lächelnd im Hintergrund auf die Wendung der Dinge.
In vieler Hinsicht werden in diesem Romanzyklus Welten aufgetan, die man ansatzweise aus Büchern von Somerset Maugham oder Joseph Conrad kennt: Weiße wähnen sich als etwas Besseres, während sie langsam vom Dschungel, von der asiatischen Inselkultur aufgefressen werden. Burgess hat diesen Prozess ausgekostet wie kein anderer, er kam seinen kolonialkritischen Tendenzen ebenso entgegen wie seinem illusionslosen Blick auf das Gemenge der Kulturen und Religionen. Welchen Druck muss ein britischer Rechtsanwalt erleiden, der mit Bedacht eine dominante muslimische Frau heiratet, aber weiterhin einen katholischen Missionar aufsucht? Solch einer beginnt, despektierliche Aussprüche über den Islam in seinem Notizbuch zu sammeln. In dieser undurchsichtigen Welt wimmelt es von Intrigen und übler Nachrede. Man wird als Sympathisant von Kommunisten verdächtigt, wenn der chinesische Boy sich auffällig benimmt. Oder als Päderast, wenn Crabbe einen jungen chinesischen Komponisten begünstigt.
Die oft kritischen Anspielungen auf gesellschaftliche Verhältnisse, auf Scheinwelten und falsche Hierarchien, auf Rassenhass nicht nur zwischen Weißen und Asiaten, sondern auch unter Letzteren, auf Streit zwischen den Religionen mögen erklären, warum die Trilogie bis heute in Malaysia verboten ist. Doch man sollte sich hüten, Burgess als einen Verbreiter von Stereotypen zu brandmarken. Im Gegensatz zu seinen britischen Landsleuten schottete er sich nicht gegen die einheimischen Bevölkerungen ab. Er lernte blitzschnell Malaiisch (neben vielen anderen Sprachen übrigens) und frequentierte malaiische, tamilische oder chinesische Kreise. Das wurde ihm von den anderen Weißen oft angekreidet. Die Vielsprachigkeit der Kultur faszinierte ihn, der eigentlich seinen malaiischen "Ulysses" schreiben wollte, Verehrer von James Joyce, der er war. Wie der Ire war Burgess ein Sprachenerfinder. Nicht nur die Jugendsprache in "Clockwork Orange", auch eine Steinzeitsprache hat er erfunden für den Film "Im Anfang war das Feuer". Die Vokabeln, die jedem Band der Trilogie im Anhang mitgegeben sind, erinnern beim Lesen an die Fremdheit der Sprachen, mit denen man es hier zu tun hat.
Mit Joyce teilte Burgess übrigens nicht nur die Polyglottie, sondern auch ein inniges Verhältnis zur Musik. Dieser musikalische Einschlag erlangt im dritten Band, als die Unabhängigkeit eintritt, besondere Bedeutung. Zum einen in den Diskussionen mit dem chinesischen Komponisten Robert Loo, dem Crabbe nahelegt, indigene Elemente einzubauen und sich vom überlieferten europäischem Klanggut zu lösen. Zum anderen lässt sich in einem Crescendo die Grundmelodie seines Lebens, die Erinnerung an den Tod seiner ersten Frau, wieder hören. Nachdem einige Omen (Lachen über Schmetterlinge, Hinweise auf Ertrinken) seinen Tod angekündigt haben, begibt sich Crabbe auf eine letzte Fahrt in den Dschungel - sozusagen in sein eigenes Herz der Finsternis. Er trifft auf einen jovialen englischen Verwalter, der dort einsam haust. Man versteht sich gut, bis jedoch klar wird: Dieser Engländer kennt ihn, er war der Geliebte seiner ersten Frau, er kennt das Motiv, warum Crabbe sie (möglicherweise) umgebracht hat. Damit ist die Komposition der drei Romane in einem großen Bogen abgeschlossen.
Doch nicht ganz. Die letzten Seiten zeigen, dass die Geschichte weitergeht. Der Tod des Weißen und die Unabhängigkeit sind nicht das letzte Wort. Der Streit wird weitergehen, aber auch die Liebe. Eine Malaiin namens Rosemary, die in England auf einen treulosen Joe hereingefallen ist, verliebt sich wieder und tanzt. Sie könnte auch Molly Bloom heißen wie die lebensbejahende Frau, die mit ihrem "yes I will Yes" am Ende des "Ulysses" steht. Jahre später notierte Burgess über sein Frühwerk: "Bleibt zu hoffen, dass dieser Roman, der seine eigenen Unterhaltungselemente enthält, durch Gelächter und Tränen aufzuklären vermag." ELMAR SCHENKEL
Anthony Burgess:
"Der Feind in der Decke". Roman.
Aus dem Englischen von Ludwig Tolksdorf. Elsinor Verlag, Coesfeld 2022.
219 S., geb., 32,- Euro.
Anthony Burgess:
"Betten im Orient". Roman.
Aus dem Englischen von Ludwig Tolksdorf. Elsinor Verlag, Coesfeld 2022.
244 S., geb., 34,- Euro.
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