Habib Tengour erzählt die Geschichte dreier junger Algerier, die in Afghanistan gegen die Sowjets gekämpft haben und nach deren Abzug getrennte Wege gehen. Die drei stehen stellvertretend für völlig unterschiedliche Motive, als Mudschaheddin in den Kampf zu ziehen. Bei Kadirou ist es Abenteuerlust, er will in Zukunft nur noch gut leben, kommt jedoch nicht lebend aus Afghanistan heraus. Hasni, genannt "der Afghane", war in Paris von Islamisten indoktriniert worden, sein Einsatz in Afghanistan war Heiliger Krieg. Jetzt will er in Algerien mithelfen, einen totalitären Gottesstaat zu gründen und scheut vor keiner Intrige, keiner Bluttat zurück. Der dritte ist Mourad, aus bürgerlichen Verhältnissen stammend und Doktor der Physik; ihn trieb unheilbarer Weltschmerz in den Krieg. Koranmeditationen bestimmen genauso sein Leben wie Träume von einem besseren Leben in Australien. - Ein Jahr später kommt Mourad nach Paris und sucht Hasni, weil der sein Geld hat, das er zum Einschiffen braucht. Doch statt eines glücklichen Endes des afghanischen Abenteuers wird er in einen irrwitzigen Strudel aus Elend, Erpressung, Gewalt und Mord hineingezogen. Ein hochaktueller Roman mit spannender äußerer Handlung, mit Seitenblicken in arabische Traditionen des Erzählens und der Poesie, mit stimmungsvollen Städte-, Landschafts- und Seelenbildern. Vor allem aber sind es die Gespräche und Gedanken zum Islam als Religion, Weltanschauung, politische Doktrin und Lebensform, die dem Roman seine Prägung und Bedeutung geben. Wer ihn gelesen hat, wird manches besser verstehen...Aus dem Französischen von Regina Keil
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ein Protagonist wie der algerische, aus "privilegierten Verhältnissen" stammende Mourad, der sich unerwartet dem Kampf der Mujahedin in Afghanistan anschließt, war im Juli 2001 noch so unwahrscheinlich, dass der algerische Autor Habib Tengour Schwierigkeiten hatte, einen Verlag für seinen Roman zu finden, weiß Rezensentin Angela Schader zu berichten. Durch die Ereignisse des 11. September 2001 hat die Geschichte den Roman eingeholt, auch wenn der "Der Fisch des Moses" keineswegs "maßgeschneiderte Antworten" zu Fragen nach den Tätern und ihren Beweggründen bieten kann, stellt die Rezensentin klar. Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit Islamismus und Gewalt, wobei der Titel auf die 18. Sure des Koran zurückgeht, in der die Frage nach dem "Zweck, der die Mittel heiligt", direkt verhandelt wird, so Schader weiter. Der Autor zeige neben seinem "anspruchsvollen literarischen Instrumentarium und akademischem Fachwissen" vor allem eine "geschärfte Sensibilität" für die "Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus", so die Rezensentin anerkennend, die dies auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Autors mit der konfliktreichen Vergangenheit Algeriens sieht. Trotzdem ist sie mit dem Roman nicht völlig einverstanden. Sie findet die Wendung im Plot, als Mourad mit seinem Freund Hasni einen "Coup" plant und ausführt, bei dem drei Menschen umkommen, nicht "restlos glaubwürdig" und sieht ihn zwar als Motor für die Handlung, kritisiert aber, dass die Geschehnisse von der "Grundthematik" ablenken. Hier merkt man, dass der Roman eigentlich als Drehbuch geplant war, so Schader unzufrieden. Dennoch lobt sie das Buch als "Seismogramm vielfach zerrissener arabisch-muslimischer Befindlichkeiten".
© Perlentaucher Medien GmbH
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