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Die Invasion der Ukraine durch Russland hat die letzten Zweifel darüber ausgeräumt, dass sich die politischen Eliten der Russischen Föderation als eine Großmacht mit Weltgeltung ansehen. Schlagartig verlagerte sich die Diskussion von den Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit, insbesondere bei Rohstoffen, auf die militärpolitische Problematik. Wie sehr muss man Russland als Militärmacht fürchten? Pensionierte Generäle und selbsternannte Militärexperten geben hierzu inflatorisch ihre Einsichten kund. Der Ansatz von Bruno Schönfelder ist dagegen primär ökonomisch. Der bekannte Ordinarius…mehr

Produktbeschreibung
Die Invasion der Ukraine durch Russland hat die letzten Zweifel darüber ausgeräumt, dass sich die politischen Eliten der Russischen Föderation als eine Großmacht mit Weltgeltung ansehen. Schlagartig verlagerte sich die Diskussion von den Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit, insbesondere bei Rohstoffen, auf die militärpolitische Problematik. Wie sehr muss man Russland als Militärmacht fürchten? Pensionierte Generäle und selbsternannte Militärexperten geben hierzu inflatorisch ihre Einsichten kund. Der Ansatz von Bruno Schönfelder ist dagegen primär ökonomisch. Der bekannte Ordinarius für Allgemeine Volkswirtschaftslehre von der Technischen Universität Freiberg, der sich mit den Transformationen in Ostmitteleuropa so intensiv wie wenig andere befasst hat,* sieht in der geographischen Größe Russlands und den hieraus folgenden Kosten der Industrialisierung von Großräumen mit hohen Kälteund Entfernungskosten die Schwachstelle – ja den Fluch – des Putin’schen Imperiums. Er erklärt, wie seit jeher die kommunistische Nomenklatura in Unkenntnis jeglicher Kostenrechnung und unter Zugrundelegung des Primats der Politik Sibirien industriell erschlossen hat, ohne dass dort jemals die Chance bestanden hat, wirtschaftlich lebensfähige industrielle Cluster entstehen zu lassen. Der Hayek-Anhänger Schönfelder stellt die ökonomische Bodenlosigkeit der Industrialisierungskonzepte Russlands historisch dar und formuliert hieraus folgend Einsichten und Bedingungen für die Integration Russlands in die Weltwirtschaft und seine Kohabitation mit dem Westen. Die Lektüre dieses Buch sollte sich kein Stratege entgehen lassen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Erich Weede ist fasziniert von der Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers Bruno Schönfelder. Dass in dessen gut lesbarem Buch auch russische Quellen nicht fehlen, unterstreicht für Weede, wie kenntnisreich Schönfelder beschreibt, warum Russland sich mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand so schwertut. Die Antwort leuchtet dem Rezensenten sofort ein: Weil die schlechte Infrastruktur und die geografische Lage des größten Landes der Welt es den Menschen nicht ermöglicht, ordentlich zu verdienen und zu leben. Wie die Geschichte von der Zarenzeit bis heute und inwiefern staatskritische ökonomische Denkschulen der Gegenwart sich darin spiegeln, macht das Buch für Weede sehr lesenswert - zumal Schönfelder die Zukunft der Ukraine weit weniger pessimistisch beurteilt als die von Russland.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2023

Warum Russland arm bleibt
Ein wirtschaftsgeographischer Erklärungsansatz

Bruno Schönfelder lehrte Ökonomik an der TU und Bergakademie in Freiberg (Sachsen). Er liest auch Russisch, wie man seiner Literaturliste entnehmen kann. Sein "Fluch des Imperiums" behandelt und beantwortet die Frage, warum Russland nie die drei wichtigsten Merkmale der westlichen Zivilisation verwirklichen konnte: die Überwindung der Massenarmut oder Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Seine verblüffende Antwort auf die selbst gestellte Frage ist, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung nie in der Lage war, auf dem Markt ein Einkommen zu erwirtschaften, das deutlich über dem Subsistenzniveau liegt. Das wiederum führt er nicht auf Merkmale der Menschen oder auf das Wirtschaftssystem zurück, sondern vor allem auf die russische Geographie und die Siedlungsstruktur. Weite und Kälte hätten schlechte Verkehrsverbindungen und hohe Transportkosten zur Folge. Allzu viele Menschen in Russland leben an Orten, wo die Standortbedingungen so schlecht sind, dass schon deshalb eine wirtschaftliche Blüte ausgeschlossen ist. In dem ähnlich großräumigen und kalten Kanada ist die Bevölkerung viel stärker als in Russland auf wenige gut erschlossene Räume (Windsor bis Quebec und Vancouver) konzentriert. Für Schönfelder ist Sibirien sogar übervölkert.

Er erklärt die ungünstige russische Siedlungsstruktur damit, dass der russische Staat schon in der Zarenzeit und erst recht in der kommunistischen Periode immer wieder Menschen dazu gezwungen hat, in Sibirien oder im Norden Russlands unter Bedingungen extremer Kälte zu leben und zu arbeiten. Das war nie ökonomisch sinnvoll oder unter einer Effizienzperspektive motiviert, sondern immer unter politischen, strategischen oder rüstungswirtschaftlichen Gesichtspunkten geschehen. Der stalinistische Gulag, die Lager für Zwangsarbeiter, war nur der Extremfall. Auch nach Entlassung aus der Lagerhaft mussten die meisten ehemaligen Häftlinge an den unwirtlichen Orten bleiben und arbeiten. Die in den Weiten und der Kälte Russlands verstreute Bevölkerung benötigt in Anbetracht der hohen Lebenshaltungskosten dort - jedenfalls seitdem der stalinistische Terror durch ein etwas milderes Regime überwunden worden ist - staatliche Unterstützung zum Leben und stellt im Gegensatz zu den in den Großräumen Moskau oder Sankt Petersburg lebenden Russen auch die soziale Basis des Putin-Regimes.

Der russische oder früher sowjetische Staat ist zur Subventionierung der Menschen in den kalten Regionen am besten dann in der Lage, wenn die Preise am Weltmarkt für russische Rohstoffexporte hoch sind, wie in der Ölkrise der 1970er-Jahre. Westsibirisches Öl hatte bis zum Preisverfall Ende der 1980er-Jahre die Subventionierung der ungünstigen Standorte, den Nahrungsmittelimport, sogar etwas Import westlicher Technologie und die Stabilisierung der Sowjet-union erlaubt.

Den Ölpreisverfall Ende der 1980er-Jahre konnten die Sowjets trotz quantitativ geringer Außenhandelsabhängigkeit nicht überstehen, weil die Importe vor allem Güter von existenzieller Wichtigkeit betrafen. Die in Marktwirtschaften üblichen Anpassungsprozesse zur Abmilderung der Folgen des Preisschocks konnten unter planwirtschaftlichen Bedingungen nicht stattfinden. In den 1990er-Jahren waren die Erträge russischer Gas- und Ölexporte unzureichend. Erst Teilprivatisierung und Importe westlicher Technologien bis hin zu Röhren mit weniger und schneller auffindbaren Lecks haben eine Besserung der Lage Anfang des folgenden Jahrhunderts und damit die Stabilisierung von Putins Regime vorbereitet.

Die Erträge aus den Rohstoffexporten wurden teils konsumiert, teils auch wieder in die Schwer- und Rüstungsindustrie investiert und teils in ein Devisenpolster für schwere Zeiten. Vor dem Ukrainekrieg fallende Preise für russische Rohstoffe hatten zur Stagnation der russischen Wirtschaft geführt. Marktwirtschaftliche Reformen blieben in den Anfängen stecken und wurden nur halbherzig verwirklicht. Privates Eigentum an Unternehmen war und ist nur bei deren Bedeutungslosigkeit vor politischen Übergriffen sicher.

Schönfelder hat eine auch für Fachfremde gut lesbare, geradezu faszinierende Analyse des russischen Dilemmas geliefert. Sein Grundgedanke, dass der westliche Dreiklang von Rechtsstaat, Wohlstand und Demokratie voraussetzt, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht wegen unwirtlicher Standortbedingungen von Transfers abhängen darf, ist besonders anschlussfähig an die staatskritischsten Denkschulen der Ökonomik: die Österreichische Schule und die Neue Politische Ökonomie (Public Choice).

Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob nur wirtschaftsgeographische Faktoren und die Dominanz imperialer Bestrebungen wie in Russland die Transferabhängigkeit großer Bevölkerungsteile und die sich daraus ergebenden politischen Gefahren hervorrufen können. Staatliche Eingriffe, die zu Preisverzerrungen und Vernebelung der Kosten führen, gibt es tendenziell zunehmend auch in den Volkswirtschaften des Westens. Der Grundgedanke Schönfelders impliziert pessimistische Erwartungen für die wirtschaftliche Zukunft Russlands, erlaubt aber mehr Optimismus für die weit weniger kalte und großflächige Ukraine, wenn dort mal der Krieg zu Ende sein wird. ERICH WEEDE

Bruno Schönfelder: Der Fluch des Imperiums. Edition Europolis, Berlin 2022, 152 Seiten, 16 Euro.

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