18,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Erscheint vorauss. 29. Januar 2025
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Warum Russlands imperiale Vergangenheit zu einer antiwestlichen Politik führt - Geschichte einer fatalen Tradition
Vor dem 24. Februar 2022 erschien Putins Regime vielen Beobachtern vor allem am eigenen Machterhalt und der persönlichen Bereicherung interessiert zu sein. Doch der neuerliche Angriff auf die Ukraine, die Brutalität der Kriegsführung und die Hasspropaganda in den Staatsmedien lassen sich damit nicht wirklich erklären. Der bekannte Historiker Martin Schulze Wessel stellt den Krieg in den langen Kontext der russischen Expansion nach Osteuropa und zeigt, wie die russische…mehr

Produktbeschreibung
Warum Russlands imperiale Vergangenheit zu einer antiwestlichen Politik führt - Geschichte einer fatalen Tradition

Vor dem 24. Februar 2022 erschien Putins Regime vielen Beobachtern vor allem am eigenen Machterhalt und der persönlichen Bereicherung interessiert zu sein. Doch der neuerliche Angriff auf die Ukraine, die Brutalität der Kriegsführung und die Hasspropaganda in den Staatsmedien lassen sich damit nicht wirklich erklären. Der bekannte Historiker Martin Schulze Wessel stellt den Krieg in den langen Kontext der russischen Expansion nach Osteuropa und zeigt, wie die russische imperiale Vergangenheit in der Gegenwart fortwirkt.

Putin operiert in seinen Reden mit irritierenden historischen Narrativen und Argumenten. Wer seine Motivation entschlüsseln will, so Martin Schulze Wessel, muss auch ein ungelöstes Identitätsproblem Russlands in den Blick nehmen, das sich aus seiner imperialen Vergangenheit speist, den Fluch des Imperiums. Daher erzählt dieses Buchdie eng verflochtene Geschichte Russlands, Polens und der Ukraine seit Peter dem Großen im Kontext der internationalen Politik. Es zeigt, wie das russische Ausgreifen in die Ukraine seit dem 18. Jahrhundert und die Teilungen Polens Pfadabhängigkeiten produzierten, die als strukturelles Erbe bis heute prägend sind. Dabei geht es nicht nur um imperiale Herrschaftsansprüche, sondern auch um einen ideologisch aufgeladenen Ost-West-Konflikt, der sich bereits im 19. Jahrhundert herausbildete, und in dem Deutschland lange auf Seiten Russlands stand. Deutschland hat sich nach 1945 von seinem Fluch des Imperiums befreit und sich in Richtung Westen geöffnet. Russland steht dieser Weg noch bevor.

"Martin Schulze Wessels meisterhafte Darstellung der neuzeitlichen russischen Geschichte markiert eine Zeitenwende der Osteuropa-Historiografie." Andrii Portnov, Süddeutsche Zeitung Der SPIEGEL-Bestseller jetzt als Taschenbuch War nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2023 "Eine beklemmende Geschichtsstunde, die die Augen öffnet für das Gedankengut Putins und seines Regimes, für die Verachtung einer westlichen, diversen Zivilgesellschaft." Aus der Begründung der Jury für die Nominierung zum Deutschen Sachbuchpreis
Autorenporträt
Martin Schulze Wessel ist Professor für die Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians- Universität München sowie Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands. "Der Fluch des Imperiums" war 2023 nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Felix Ackermann erfährt aus diesem Buch des Historikers Martin Schulze Wessel einiges über das historische Verhältnis Russlands zu Polen und der Ukraine. Ausführlich wird dabei gezeigt, so der Kritiker, wie sich aus dem "Großfürstentum Moskau" das russische Reich mit einem imperialen Anspruch auf den osteuropäischen Raum entwickelte, lesen wir. Das Unabhängigkeitsstreben Polens und später der Ukraine hatte in Russland im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts die Entstehung eines ideologischen Programms zur Folge, erklärt der Rezensent, mit dem sich das Land selbst eine "heilige Mission" zuschrieb, die die Eroberung und Integration neuer Gebiete rechtfertigte. In einer wirksamen Verflechtung aus "Diplomatie-, Ideen- und Kulturgeschichte" zeigt Schulze Wessel, wie die historischen Verhältnisse bis heute nachwirken, auch in der gescheiterten Russlandpolitik Deutschlands.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2023

Wie Russland auf den Weg einer Mission gegen den Westen geriet
Aporien eines imperialen Geltungsdrangs: Martin Schulze Wessel zeichnet die lange Geschichte russischer Polen- und Ukrainepolitik nach

Die polnisch-ukrainische Übereinkunft des Jahres 2022 hat Europa von Grund auf verändert. Sie hat ermöglicht, dass die Europäische Union eine gemeinsame Antwort auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine findet. Und sie hat gezeigt, wie realitätsfern die Wahrnehmung russischer Politik in Berlin über Jahrzehnte war. Martin Schulze Wessel hat nun eine umfassende historische Kontextualisierung des Verhältnisses zwischen Berlin und Moskau sowie Warschau und Kiew vorgelegt.

Der Münchener Osteuropa-Historiker zeigt, wie nach und nach aus dem Großfürstentum Moskau das russische Reich mit einem politischen, religiösen und kulturellen Geltungsanspruch über den gesamten Raum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer entstand. Dieser Prozess war von Anfang an geprägt von der Suche nach Antworten auf die polnische Frage. So war der Aufstieg von Russland und Preußen zu europäischen Imperien auf Kosten des polnisch-litauischen Reichs erfolgt, das im Zuge von drei Teilungen im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts aufhörte zu existieren. Ein Großteil ukrainischer Territorien geriet so unter russische Herrschaft, nur Galizien wurde von Wien annektiert. Das russische Reich zahlte einen hohen Preis für der Einverleibung Polens, denn das Selbstbewusstsein des mehrheitlich römisch-katholischen Adels und sein Beharren auf dem Recht auf Selbstbestimmung wurden zum wiederkehrenden Ausgangspunkt für Aufstände. Trotz ihrer militärischen Niederschlagung wurden sie zu einer ideologischen Bedrohung für das russische Reich.

Um die langfristigen Folgen des Strebens nach hegemonialer Herrschaft von Peter I., Katharina II. und ihren Nachfolgern auf dem Thron zu zeigen, spinnt der Autor Fäden aus der Diplomatie-, Ideen- und Kulturgeschichte. Der daraus gewebte Stoff zeigt anschaulich, wie russische Geschichtsbilder im langen neunzehnten Jahrhundert und nach der Oktoberrevolution auch in der Sowjetunion hergestellt wurden und stets eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft der Herrschaft in der Region enthielten.

Der rote Faden im Buch ist jener "Fluch des Imperiums", der vordergründig in der Notwendigkeit zur Integration neu eroberter Gebiete im Westen und Süden lag. Doch Schulze Wessel zeigt mehr: Er erklärt, wie sich gerade in der Auseinandersetzung mit Polen und später auch mit der Ukraine unter den Eliten des russischen Reichs ein Konglomerat ideologischer Vorstellungen herausbildete, in dem sich Russland selbst eine heilige Mission zuschrieb, die sich gegen den Westen richtete und von der Annahme einer europäischen Russophobie ausging. Als Ergebnis dieser messianischen Selbsterhöhung verortete sich Russland bereits im neunzehnten Jahrhundert auf einem Sonderweg. Fundament war die Vorstellung von der Dreieinigkeit von Russen, Ukrainern und Belarussen, die Moskau einsetzte, um gegen Emanzipierungstendenzen von Ukrainern vorzugehen. Die Unlösbarkeit der dabei selbst geschaffenen Probleme bezeichnet Schulze Wessel als Aporie des Imperiums.

Um den Verweis auf die Aporien zu verdeutlichen, wäre es möglich gewesen, die Unterscheidung zwischen "russisch" für den Bezug auf einen ethnischen Kern der Nation und "russländisch" für den imperialen Staat beizubehalten. So fällte Zar Alexander III. in den 1880er-Jahren die Entscheidung, eine symbolische Einheit zwischen Herrscher und Volk herzustellen und den Kern des russischen Reichs als ethnisch russisch zu definieren und damit anderen nichtrussischen Gruppen einen marginalen Status zuzuweisen. Schulze Wessel verweist zu Recht auf das Nachwirken des historischen russischen Imperialismus in der Gegenwart, wenn er betont, dass Wladimir Putin 2017 auf der völkerrechtswidrig besetzten Krim ein Denkmal für Alexander III. einweihte.

Die Grundanlage des Buches überzeugt, weil deutlich wird, wie Ende des neunzehnten Jahrhunderts die polnische Frage zunehmend von einer ukrainischen überlagert wird. Zwar hatten die ukrainischen Gouvernements im russischen Reich anders als das polnische Kernland keinen Sonderstatus. Lange bestand ein wichtiger Unterschied zu Polen darin, dass die Anhänger der modernen ukrainischen Nationalbewegung zwar die kulturelle Eigenständigkeit durch die Sprache und Literatur betonten, aber nicht nach Eigenstaatlichkeit strebten. Schulze Wessel zeigt langfristige Parallelen zwischen Polen und Ukrainern, aus denen schon früh Formen der Zusammenarbeit im Ringen um eigene Positionen resultierten. In Galizien, dem Teil der Ukraine, der als Folge der Teilungen zum Habsburger Reich gehörte, kristallisierte sich hingegen die Konkurrenz um kulturelle und politische Vorherrschaft heraus.

Die Stärke von Schulze Wessels Ansatz liegt daran, dass Russlands Entwicklung nie als vorgezeichnet erscheint. Auch das historische Imperium erhielt seine Prägung durch politisch wirksame Entscheidungen. Mit ihnen setzten Historiker, Schriftsteller und Geistliche ebenso wie Zaren, Politiker und Aktivisten das russische Kernland mit einer mehrheitlich russischsprachigen, russisch-orthodoxen Bevölkerung immer wieder neu in ein Verhältnis zu den Gebieten, in denen es keine russisch-orthodoxe Mehrheit gab. Schulze Wessel zeigt anhand einzelner Lebensläufe, zentraler Debatten und der Dilemmata der Herrscher, wie sich diese Frage in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts immer mehr auf das Verhältnis zwischen Nation und Imperium zuspitzte.

Die Geschichte russischer Polen- und Ukrainepolitik war lange ermöglicht durch die enge Abstimmung mit Preußen und später mit dem Deutschen Reich. Der historische Rückblick des Autors bis ins siebzehnte Jahrhundert macht deutlich, warum die deutsch-russische Übereinkunft in Sachen Nord Stream 1 und 2 selbst auf einen "Fluch" zurückgeht. Er kam in der bis 2022 eingeübten Gewohnheit Berlins zum Ausdruck, zentrale europäische Fragen gemeinsam mit Moskau über die Köpfe der Menschen in Polen, der Ukraine, aber auch Belarus und Litauen zu entscheiden.

Statt die These einer linearen Geschichte innereuropäischer Kolonisation an das historische Material anzupassen, zeigt Schulze Wessel, wie dynamisch die unterschiedlichen Konzepte für ein russisches Imperium und im zwanzigsten Jahrhundert für eine föderative Sowjetunion an die politische Gesamtlage angepasst wurden und wie einschneidend die Folgen für die slawische, aber nicht russisch-orthodoxe Bevölkerung waren. Die Aporien russischen Hegemonialstrebens prägen auch noch die jüngste Gegenwart. FELIX ACKERMANN

Martin Schulze Wessel: "Der Fluch des Imperiums". Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte.

C. H. Beck Verlag, München 2023. 352 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr