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Mit seinem neuen Roman zeigt Benjamin Lebert, dass er eine feste Größe in der Literatur geworden ist.
Benjamin Lebert, vor zehn Jahren die literarische Sensation mit seinem Debütroman Crazy, erweist sich als versierter Erzähler mit einem genauen Gespür für Atmosphären und Abgründe, scharfem Blick für Situationen und Befindlichkeiten, feinem Humor und kompositorischer Raffinesse.Anton hält nichts mehr. Eleanor hat ihn verlassen, sein Job als Altenpfleger bietet keine Perspektive, und in Hamburg fühlte er sich noch nie zu Hause. Sein Ausweg: Pfannkuchen backen bei Onkel Jimmy in…mehr

Produktbeschreibung
Mit seinem neuen Roman zeigt Benjamin Lebert, dass er eine feste Größe in der Literatur geworden ist.

Benjamin Lebert, vor zehn Jahren die literarische Sensation mit seinem Debütroman Crazy, erweist sich als versierter Erzähler mit einem genauen Gespür für Atmosphären und Abgründe, scharfem Blick für Situationen und Befindlichkeiten, feinem Humor und kompositorischer Raffinesse.Anton hält nichts mehr. Eleanor hat ihn verlassen, sein Job als Altenpfleger bietet keine Perspektive, und in Hamburg fühlte er sich noch nie zu Hause. Sein Ausweg: Pfannkuchen backen bei Onkel Jimmy in Manhattan.Onkel Jimmys Luncheonette, das sind 30 geflieste Quadratmeter, 10 Stühle, drei Angestellte, 150 Gerichte auf der Speisekarte, Hektik am Grill, ein ständiges Kommen und Gehen - und trotzdem so etwas wie ein Zuhause. Das liegt vor allem an Jimmy, der alles im Griff und immer ein freundliches Wort für den Gast hat, und am prompten und zuvorkommenden Service, der selbst die abwegigsten Sonderwünsche zur vollsten Zufriedenheit erfüllt.Jimmys Welt besteht neben der Luncheonette, dieser Insel im Trubel Manhattans, aus einer anderen, der Öffentlichkeit lange nicht zugänglichen Insel: Alcatraz. Alles, was es über die legendäre Gefängnisinsel in der Bucht von San Francisco an Informationen gibt, findet sich in Jimmys großer weißer Kiste - und abrufbereit in seinem Repertoire von Fakten, Theorien und Anekdoten. Sein Hauptinteresse gilt dem berühmten Ausbruchsversuch von 1962, bei dem es drei Häftlingen tatsächlich gelang, die Gefängnismauern zu überwinden. Jimmys vehement vertretene Mindermeinung: Sie haben es geschafft, an Land zu kommen und eine neue Existenz zu führen. Anton gerät in den Sog dieser Geschichten und stößt dabei auf Stationen seiner eigenen Vergangenheit, denen er lieber auch entkommen wäre. Und er erkennt, warum es lebensnotwendig sein kann, daran zu glauben, dass man den Verhältnissen entfliehen kann.
Autorenporträt
Lebert, BenjaminBenjamin Lebert lebt in Hamburg. 1999 erschien sein erster Roman "Crazy", der in 33 Sprachen übersetzt und von Hans-Christian Schmid mit Robert Stadlober in der Hauptrolle fürs Kino verfilmt wurde. Es folgten fünf weitere Romane. Benjamin Lebert war für eine Hilfsorganisation eine Zeitlang in einem Kinderheim in Nepal. Sein neuester Roman "Die Dunkelheit zwischen den Sternen" (2017) erzählt von diesen Kindern und ihrem Leben.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Was für ein Stoff!" dachte sich Rezensent Jochen Jung angesichts dieses neuen Romans von Benjamin Lebert, um dann sofort ein tiefes Bedauern darüber zu Papier zu bringen, wie wenig dieser Autor daraus gemacht hat. Es sei im wesentlichen eine lange Litanei. Selten werde irgendwo genau hingesehen, und wenn doch, wird der Rezensent den Eindruck nicht los, dass trotzdem noch etwas fehlt. Es handelt sich Jung zufolge um die vertrackte Geschichte eines jungen Mannes, der nach New York zu einem Onkel kommt, der von der Gefangeneninsel Alcatraz und besonders von vier ihrer Insassen besessen ist, denen 1962 eine spektakuläre Flucht gelang. Aber die beiden Stränge, der junge Protagonist und die Geschichte der Insel (deren ins Deutsche übersetzter Name den Titel inspirierte), finden aus Sicht des Rezensenten nicht wirklich plausibel zueinander. Auch wirkt der Alcatraz-Teil auf den Rezensenten immer wieder reichlich zusammengegoogelt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2009

Alcatraz, lebenslänglich
Benjamin Lebert will aus seinem Jugendknast türmen

Es ist schwer, über Benjamin Leberts Romane zu schreiben, ohne über Benjamin Lebert zu schreiben. Seit dem Erfolg seines Internatsromans "Crazy" gilt der Autor, der bei Erscheinen gerade siebzehn Jahre alt war, als Wunderkind. Dann kam das zweite Buch, das an den hochgesteckten Erwartungen eigentlich nur scheitern konnte. In seinem dritten Roman, "Kannst du", schickte Lebert dann ein schriftstellerndes Ex-Wunderkind auf die Suche nach Liebe und Sinn. Ähnlichkeiten des Ich-Erzählers mit Lebert selbst sind kein Zufall.

Doch diesmal ist alles anders, es wurde ja auch langsam Zeit: In seinem vierten Roman, "Flug der Pelikane", wagt sich Lebert endlich hinaus aus der Welt der pubertierenden und spätpubertären Jungs und begibt sich unter Erwachsene. Auch "die Mädchen", in seinen bisherigen Romanen gern als mysteriöse, komplizierte Wesen beschrieben, die es zu erobern gilt und an denen Leberts Figuren immer wieder scheitern, sind nicht mehr Hauptdreh- und Angelpunkt der Handlung, sondern irritierend abwesend. Eleanor, die Freundin des Erzählers, verabschiedet sich schon ganz zu Anfang und lässt Anton allein zurück.

"Wenn du mal gar nicht weißt, was du machen sollst, dann wartet hier immer ein Bett für dich. Und ein Job - Pfannkuchen machen", so hat es Onkel Jimmy aus New York versprochen, kein echter Onkel, sondern ein Jugendschwarm von Antons Mutter. Weil Anton nichts Besseres zu tun hat, bricht er auf und macht Pfannkuchen, von morgens bis abends. Jimmys Luncheonette in New York ist ein reiner Männerkosmos, in dem Männer über Männerthemen sprechen, Männerdinge tun und dabei vor sich hin fluchen. Emotionen werden über die Augen kommuniziert, die wahlweise zusammengekniffen, erwartungsvoll oder schlicht böse sind. Ganz so, wie man es aus schlechteren amerikanischen Gangsterfilmen kennt.

Damit liegt man dem Thema des Buches auch gar nicht so fern. Jimmy beschäftigt sich obsessiv mit der Gefängnisinsel Alcatraz, deren Geschichte und besonders mit dem Ausbruchsversuch von Frank Morris und den Anglin-Brüdern. Vieles erzählt er Anton, das meiste jedoch erschließt sich der Gast aus Jimmys Materialsammlung, denn längst hat ihn die Faszination angesteckt. Diese Informationshäppchen werden in kursivierten Abschnitten in den Roman eingestreut, gehen allerdings nicht wesentlich über das hinaus, was eine zehnminütige Internetrecherche liefern kann. Die Leichen der Ausbrecher, die mit einem provisorischen Floß übers Meer flohen, wurden nie gefunden. Jimmy ist der festen Überzeugung, dass dieser Fluchtversuch gelungen ist, und hält mit geradezu religiösem Eifer daran fest. Später wird man erfahren, dass er als Kind Frank Morris begegnet ist und von ihm die wahre Geschichte der Flucht erfahren hat. Warum er diese Information Anton gegenüber verschweigt, bleibt unerklärt.

Erst in der zweiten Hälfte des Buches kristallisiert sich allmählich heraus, warum sich Anton für die Gefängnisinsel und die Ausbrecher begeistern lässt: Es ist deren Bereitschaft, einen Ausweg aus ausweglosen Umständen zu suchen. Jimmy fasst es so zusammen: "Deine Lage ist also so: Du hast einen Zusammenbruch gehabt, du warst in der Klapsmühle, du hast dein Studium geschmissen, wischst jetzt für ein paar Dollars alten Leuten den Arsch aus und hast dich in der Klapsmühle mit so einer Verrückten eingelassen, die dir nun auch noch den Laufpass gegeben hat." In einer solchen Lebenssituation liegt der Gedanke an Flucht nahe. Und die Psychiatrie kann für einen Betroffenen durchaus eine Art Gefängnis sein: die Isolation von der Außenwelt, die Abhängigkeit von Autoritätspersonen, die Gemeinschaftsrituale und der Kampf um die eigene geistige Gesundheit.

Leberts Verschränkung der Sinnsuche eines psychisch labilen Mittzwanzigers mit der Geschichte eines Gefängnisausbruchs ist durchaus plausibel. Das Problem an seinem Roman ist, dass er weder Form noch Sprache dafür findet. Besonders stilistisch scheint das Buch im Anfangsstadium der Bearbeitung steckengeblieben zu sein. Es ist immer der nächstliegende Ausdruck, den Lebert verwendet und der meist der schwammigste und abgegriffenste ist. Die "dünne Weide" vor Jimmys Haus, "die aber viele schöne Blätter besaß". Eine Zeichnung von zwei Boxern: "Beide breiten, angespannten Rücken strahlten sowohl Einsamkeit als auch Würde aus." Ein Häftling: "ein verdammt tougher Typ". Ein Botenjunge: "Er war eine echte Augenweide." Von einem Roman mit literarischem Anspruch erwartet man eine präzisere, durchdachtere Sprache.

Ähnlich oberflächlich bleiben auch Umgebungen und Empfindungen des Erzählers. Leberts Amerika-Bild, pastellfarben und realitätsentrückt wie ein Edward-Hopper-Gemälde, mag da noch einen poetischen Plan verfolgen. Fatal wirkt sich die mangelnde Detailarbeit jedoch im letzten Drittel des Buches aus, in dem Antons Aufenthalt in der Psychiatrie beschrieben wird. Die zermürbenden Rituale, die den Alltag dort ausmachen, die verhassten Therapiesitzungen und die Mitpatienten werden nur in Ansätzen skizziert. Nicht einmal für das Innenleben seines Erzählers bringt Lebert viel Interesse auf: "Es war letztlich egal, wo man sich aufhielt, auf dieser Station fühlte man sich nirgends besonders toll." Nun, so viel hätte man sich auch vorher denken können. Für die Verzweiflungszustände Antons hätte Lebert deutlichere Worte finden müssen, für die Handlungsorte wäre ein schärferes Auge vonnöten gewesen und ein besserer Blick für Details. Etwas Drastik hätte sicher nicht geschadet, um die den Roman bestimmende Ausbruchsmetapher auch sprachlich spürbar werden zu lassen. Derart halbherzig und kreuzbrav, wie hier erzählt wird, gelingen keine Fluchten.

Schließlich kehrt Anton nach Deutschland zurück, und sogar Eleanor will sich wieder mit ihm treffen. Am Ende ist es dann doch wieder ein mysteriöses, kompliziertes Mädchen, das zurückerobert werden muss, damit sich alles zum Guten wendet. Damit ist Anton in einem neuen Leben und Benjamin Lebert wieder bei seinem Hauptthema angekommen.

ANDREA DIENER

Benjamin Lebert: "Flug der Pelikane". Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 186 S., geb., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Es ist Leberts gelungenstes Buch. Mit wenigen Sätzen kann er Menschen einen Charakter, eine Einzigartigkeit geben; sogar zuweilen eine Lebensphilosophie formulieren.« Welt am Sonntag