Unzählige Leser haben sich bereits auf den "Flug des Feuervogels" mitnehmen lassen. In diesem "prallen Schmöker für alle, die alles wollen: Spannung, Spaß und Seelen-Schokolade" (SWR) erzählt Erfolgsautor E.W. Heine die Geschichte der schönen Jüdin Judith und des Christen Attila. Sie leben im Rothenburg ob der Tauber des 14. Jahrhunderts, dem der berühmte Bürgermeister Heinrich Toppler Wohlstand und Toleranz gebracht hat. Doch jetzt bedroht ein Feuerteufel die Stadt, und die Liebenden werden in einen Strudel aus Hass, Aberglauben und Machtgier hineingerissen. Heines packender Roman, der auf exakt recherchierten Fakten beruht, berichtet von starken Frauen und lebensklugen Männern, die ihrer Zeit gefährlich weit voraus sind. Eine atemberaubende Geschichte, überbordend in ihren Bildern, deftig in der Sprache und mit einem furiosen Finale.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2000 E.W. Heine und die schöne Kunst des Mordens
Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies
Im Hauptberuf ist er Architekt, nebenher schreibt er makabre Bestseller, und ganz ernsthaft spürt er ein Leid an der Kultur
Entsetzliche Todesarten haben ihn bekannt gemacht. Er steht in der Tür seines Hauses, fragt, ob es neblig sei auf den Straßen. Es ist neblig kurz vor Abensberg in Niederbayern, wo es keine Hopfenstauden mehr gibt, sondern nur noch Wiesen und geduckte Gehöfte und unübersichtliche Kreuzungen, bei denen man höllisch aufpassen muss.
Vor zwölf Jahren ist Ernst Wilhelm Heine in diese Einöde gezogen. Nach Hausen, einem Nest, so tot und grau wie die Ortschaften, in denen manche seiner frühen Geschichten spielen, in denen der Tod serviert wird wie ein makabres Dessert. Kleine Massaker für den Feierabend, in schönen Diogenes-Bändchen gesammelt. Die Titel klingen ein bisschen so, als habe man das Grauen in hübsches Geschenkpapier gewickelt und mit einem Augenzwinkern entschärft: „Kille Kille” und „Hackepeter”. Das literarische Abschlachten hat in Deutschland eben keine wirkliche Tradition. Für den Verlagskatalog ließ sich Heine mit starrem Blick fotografieren. Ein Mann, in dem der Wahnsinn wohnt, der auf dem Reißbrett seine privaten Mordfantasien entwirft.
Gustave Flaubert blickte in Rouen über einen ausgestopften Papagei auf die Seine. Auf Heines Schreibtisch steht eine Taube aus Holz, hinter dem Fenster der Garten, ein wildes Biotop aus Schilf und Sumpf. Die Taube ist Heines Leittier, seit er seinen ersten großen Publikumserfolg mit dem Roman „Das Halsband der Taube” hatte.
Nacht über dem Taubertal
Sein jüngstes Buch, „Der Flug des Feuervogels”, ist eine düster raunende Mittelalter-Legende und erzählt von der Liebe eines jungen christlichen Bürgermeister-Sohns zu einer sephardischen Jüdin. Seltsame Feuersbrünste wüten in der Stadt Rothenburg, und die Gesellschaft ist so abergläubisch und intolerant, dass es tausend Wunder und Zeichen bedarf, bis die verzweifelt Glück Suchenden Erfüllung in der Ehe finden. Das Buch liest sich, als hätte sich Hera Lind an einer Gothic-Novelle versucht: „Nacht über dem Taubertal. Der Himmel mondlos und schwer von Wolken. Nebelschwaden wallen über sumpfige Wiesen, streifen lautlos um Korbweiden, um Ulmen und Pappeln (. . .). Drohendes Dunkel, Einsamkeit. ” Eigentlich wollte Heine den Roman „Die Jüdin” nennen. Aber die Verlagsvertreter haben abgewinkt: Ein solcher Titel könne die Leserschaft verprellen und die Bestseller-Strategie gefährden.
E.W. Heine spult seine Biografie in einem kaum zu bremsenden Stakkato ab. Und man würde vermutlich schnell aufgegeben, nach Brüchen in dieser von stetem Erfolg gekrönten Umtriebigkeit zu suchen, wenn Heine nicht diesen Satz sagen würde: „Vermutlich wäre ich bekannter geworden, wenn ich weniger gemacht hätte. ”
Nun war Ernst Wilhelm Heine, bevor er überhaupt zur Feder griff – die Wendung ist angemessen, denn er schreibt seine Epen in kleine Kladden – zu allererst ein Erfinder von Städten und Häusern. Er kam viel herum in diesem Beruf: Saudi-Arabien, viele Jahre Südafrika. Damals war Heine auf der Suche nach finanzkräftigen Auftraggebern. Es galt, sich interessant zu machen. Und Heine wusste, dass er in ein Land geraten war, das der Tradition der mündlichen Erzählung große Bedeutung beimisst. Geschichtenerzähler hatten sogar bei kapitalistischen Großunternehmern Konjunktur und so begann Heine, sich etwas auszudenken: „Ich erfand kurze Geschichten mit einer meist makabren Pointe. ” Der Erfolg kam schnell.
Dann muss Herrn Heine irgendwie aufgefallen sein, dass er in einem System erfolgreich war, das Menschen anderer Hautfarbe diskriminierte und verfolgte. Als sein Bruder, der Zeichner und Kinderbuchautor Helme Heine, ihm nach Johannesburg folgte, eröffneten die beiden die politische Kleinkunstbühne „Sauerkraut”, dort machten sie Nummernkabarett mit treffsicherer Satire: „Gestern habe ich einen guten Schwarzen getroffen. – Wo? – Genau zwischen die Augen. ”
„Sauerkraut” wurde – und das mag Glück und Elend gleichermaßen gewesen sein – von den südafrikanischen Machthabern geduldet. Ein einziges Mal ließ das Regime das Theater schließen. Der Journalist Peter Scholl-Latour drehte für das deutsche Fernsehen eine Reportage über das libertinistische Kabarett, mit der Botschaft: Ein Land, das solche Kritiker zulässt, kann so restriktiv nicht sein. Es gibt ein witziges Leben im Falschen. Zurück in Deutschland begann Heine seine Geschichten aufzuschreiben. Der Schweizer Diogenes Verlag publizierte sie, Heine wurde so etwas wie der deutsche Roald Dahl und übertraf den englischen Meister der makabren Groteske sogar an Stilsicherheit und Spannung. Es waren sanfte Thriller für den Feierabend. Gute Fiction – das ist nicht das Schlechteste.
Aber dann, Anfang der achtziger Jahre, schrieb der linke Sauerkraut-Kabarettist ein Buch, das relativ wenig Beachtung fand und das zu lesen sehr aufschlussreich ist. „Der neue Nomade”, eine Kritik der modernen Zivilisation, enthält Sätze, die weit mehr nach Schwelbrand riechen als die Schilderungen im „Flug des Feuervogels”.
Afrika ist von nun an Heines Utopia, unverbraucht, von kräftiger Stammeskultur geprägt. Die Kunstwerke der „Primitiven” sind für ihn Elemente einer frühen Leitkultur. Die zeitgenössische europäische Kunstszene dagegen erscheint ihm krank. Heine schreibt: „(. . .) nicht nur die Nationalsozialisten hielten unseren Kulturbetrieb für entartet; die meisten Menschen tun das heute noch. Dabei unterliegen sie jedoch einem Denkfehler. So wie etwas nur entgleisen kann, wenn es vorher im Gleis war, kann etwas nur entarten, wenn es vor her Art hatte. Mit anderen Worten, die Entartung ist ein Endzustand. ”
Also gibt es für Heine nur noch den Weg zurück ins verlorene Paradies, in dem Kunst und Religion noch eine untrennbare Einheit bilden. Die späte Moderne sieht er als Rückschritt in die Steinzeit. Heine mag Leute wie Martin Walser. Das sei einer, der sich gestatte, nicht Zeit seines Lebens der gleichen Meinung zu sein. „Früher waren wir doch alle Linke”, sagt Heine, als sei fortschrittliche Gesinnung eine Art Jugendleiden, das irgendwann wieder abklingt wie eine Hautirritation.
Diesen Traum vom Glück in der Urkultur träumt auch der Architekt Heine. Zur Zeit arbeitet er an einem Konzept für ein Hallenbad in der Autostadt Wolfsburg. Flutlichter sollen aus dem Becken strahlen und Pflanzen aus dem Wasser emporwachsen. Eine Schöpfungsvision aus dem Geist der modernen Technik.
„Nur wer träumt ist frei”, heißt ein schmales Büchlein, das Heine vor bald zwanzig Jahren geschrieben hat: „Tiere leben mit einer bewundernswert einfachen konservativen Haltung. (. . .) Und wenn die Bienen plötzlich den Standpunkt vertreten, Demokratie sei besser als Monarchie, so würden sie vermutlich keinen Honig mehr produzieren, sondern Scheiße. ” Heine sagt: „Das ist mein bestes Buch. ”
HILMAR KLUTE
In der niederbayerischen Provinz träumt Ernst Wilhelm Heine von Afrika und der Urkultur.
Foto: Stephan Rumpf
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Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies
Im Hauptberuf ist er Architekt, nebenher schreibt er makabre Bestseller, und ganz ernsthaft spürt er ein Leid an der Kultur
Entsetzliche Todesarten haben ihn bekannt gemacht. Er steht in der Tür seines Hauses, fragt, ob es neblig sei auf den Straßen. Es ist neblig kurz vor Abensberg in Niederbayern, wo es keine Hopfenstauden mehr gibt, sondern nur noch Wiesen und geduckte Gehöfte und unübersichtliche Kreuzungen, bei denen man höllisch aufpassen muss.
Vor zwölf Jahren ist Ernst Wilhelm Heine in diese Einöde gezogen. Nach Hausen, einem Nest, so tot und grau wie die Ortschaften, in denen manche seiner frühen Geschichten spielen, in denen der Tod serviert wird wie ein makabres Dessert. Kleine Massaker für den Feierabend, in schönen Diogenes-Bändchen gesammelt. Die Titel klingen ein bisschen so, als habe man das Grauen in hübsches Geschenkpapier gewickelt und mit einem Augenzwinkern entschärft: „Kille Kille” und „Hackepeter”. Das literarische Abschlachten hat in Deutschland eben keine wirkliche Tradition. Für den Verlagskatalog ließ sich Heine mit starrem Blick fotografieren. Ein Mann, in dem der Wahnsinn wohnt, der auf dem Reißbrett seine privaten Mordfantasien entwirft.
Gustave Flaubert blickte in Rouen über einen ausgestopften Papagei auf die Seine. Auf Heines Schreibtisch steht eine Taube aus Holz, hinter dem Fenster der Garten, ein wildes Biotop aus Schilf und Sumpf. Die Taube ist Heines Leittier, seit er seinen ersten großen Publikumserfolg mit dem Roman „Das Halsband der Taube” hatte.
Nacht über dem Taubertal
Sein jüngstes Buch, „Der Flug des Feuervogels”, ist eine düster raunende Mittelalter-Legende und erzählt von der Liebe eines jungen christlichen Bürgermeister-Sohns zu einer sephardischen Jüdin. Seltsame Feuersbrünste wüten in der Stadt Rothenburg, und die Gesellschaft ist so abergläubisch und intolerant, dass es tausend Wunder und Zeichen bedarf, bis die verzweifelt Glück Suchenden Erfüllung in der Ehe finden. Das Buch liest sich, als hätte sich Hera Lind an einer Gothic-Novelle versucht: „Nacht über dem Taubertal. Der Himmel mondlos und schwer von Wolken. Nebelschwaden wallen über sumpfige Wiesen, streifen lautlos um Korbweiden, um Ulmen und Pappeln (. . .). Drohendes Dunkel, Einsamkeit. ” Eigentlich wollte Heine den Roman „Die Jüdin” nennen. Aber die Verlagsvertreter haben abgewinkt: Ein solcher Titel könne die Leserschaft verprellen und die Bestseller-Strategie gefährden.
E.W. Heine spult seine Biografie in einem kaum zu bremsenden Stakkato ab. Und man würde vermutlich schnell aufgegeben, nach Brüchen in dieser von stetem Erfolg gekrönten Umtriebigkeit zu suchen, wenn Heine nicht diesen Satz sagen würde: „Vermutlich wäre ich bekannter geworden, wenn ich weniger gemacht hätte. ”
Nun war Ernst Wilhelm Heine, bevor er überhaupt zur Feder griff – die Wendung ist angemessen, denn er schreibt seine Epen in kleine Kladden – zu allererst ein Erfinder von Städten und Häusern. Er kam viel herum in diesem Beruf: Saudi-Arabien, viele Jahre Südafrika. Damals war Heine auf der Suche nach finanzkräftigen Auftraggebern. Es galt, sich interessant zu machen. Und Heine wusste, dass er in ein Land geraten war, das der Tradition der mündlichen Erzählung große Bedeutung beimisst. Geschichtenerzähler hatten sogar bei kapitalistischen Großunternehmern Konjunktur und so begann Heine, sich etwas auszudenken: „Ich erfand kurze Geschichten mit einer meist makabren Pointe. ” Der Erfolg kam schnell.
Dann muss Herrn Heine irgendwie aufgefallen sein, dass er in einem System erfolgreich war, das Menschen anderer Hautfarbe diskriminierte und verfolgte. Als sein Bruder, der Zeichner und Kinderbuchautor Helme Heine, ihm nach Johannesburg folgte, eröffneten die beiden die politische Kleinkunstbühne „Sauerkraut”, dort machten sie Nummernkabarett mit treffsicherer Satire: „Gestern habe ich einen guten Schwarzen getroffen. – Wo? – Genau zwischen die Augen. ”
„Sauerkraut” wurde – und das mag Glück und Elend gleichermaßen gewesen sein – von den südafrikanischen Machthabern geduldet. Ein einziges Mal ließ das Regime das Theater schließen. Der Journalist Peter Scholl-Latour drehte für das deutsche Fernsehen eine Reportage über das libertinistische Kabarett, mit der Botschaft: Ein Land, das solche Kritiker zulässt, kann so restriktiv nicht sein. Es gibt ein witziges Leben im Falschen. Zurück in Deutschland begann Heine seine Geschichten aufzuschreiben. Der Schweizer Diogenes Verlag publizierte sie, Heine wurde so etwas wie der deutsche Roald Dahl und übertraf den englischen Meister der makabren Groteske sogar an Stilsicherheit und Spannung. Es waren sanfte Thriller für den Feierabend. Gute Fiction – das ist nicht das Schlechteste.
Aber dann, Anfang der achtziger Jahre, schrieb der linke Sauerkraut-Kabarettist ein Buch, das relativ wenig Beachtung fand und das zu lesen sehr aufschlussreich ist. „Der neue Nomade”, eine Kritik der modernen Zivilisation, enthält Sätze, die weit mehr nach Schwelbrand riechen als die Schilderungen im „Flug des Feuervogels”.
Afrika ist von nun an Heines Utopia, unverbraucht, von kräftiger Stammeskultur geprägt. Die Kunstwerke der „Primitiven” sind für ihn Elemente einer frühen Leitkultur. Die zeitgenössische europäische Kunstszene dagegen erscheint ihm krank. Heine schreibt: „(. . .) nicht nur die Nationalsozialisten hielten unseren Kulturbetrieb für entartet; die meisten Menschen tun das heute noch. Dabei unterliegen sie jedoch einem Denkfehler. So wie etwas nur entgleisen kann, wenn es vorher im Gleis war, kann etwas nur entarten, wenn es vor her Art hatte. Mit anderen Worten, die Entartung ist ein Endzustand. ”
Also gibt es für Heine nur noch den Weg zurück ins verlorene Paradies, in dem Kunst und Religion noch eine untrennbare Einheit bilden. Die späte Moderne sieht er als Rückschritt in die Steinzeit. Heine mag Leute wie Martin Walser. Das sei einer, der sich gestatte, nicht Zeit seines Lebens der gleichen Meinung zu sein. „Früher waren wir doch alle Linke”, sagt Heine, als sei fortschrittliche Gesinnung eine Art Jugendleiden, das irgendwann wieder abklingt wie eine Hautirritation.
Diesen Traum vom Glück in der Urkultur träumt auch der Architekt Heine. Zur Zeit arbeitet er an einem Konzept für ein Hallenbad in der Autostadt Wolfsburg. Flutlichter sollen aus dem Becken strahlen und Pflanzen aus dem Wasser emporwachsen. Eine Schöpfungsvision aus dem Geist der modernen Technik.
„Nur wer träumt ist frei”, heißt ein schmales Büchlein, das Heine vor bald zwanzig Jahren geschrieben hat: „Tiere leben mit einer bewundernswert einfachen konservativen Haltung. (. . .) Und wenn die Bienen plötzlich den Standpunkt vertreten, Demokratie sei besser als Monarchie, so würden sie vermutlich keinen Honig mehr produzieren, sondern Scheiße. ” Heine sagt: „Das ist mein bestes Buch. ”
HILMAR KLUTE
In der niederbayerischen Provinz träumt Ernst Wilhelm Heine von Afrika und der Urkultur.
Foto: Stephan Rumpf
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"E.W. Heine hat, wie schon in Das Halsband der Taube', fleißig recherchiert, munter fantasiert und unterhaltsam aufgeschrieben." Stern