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Die Wiedervereinigung Deutschlands ist Geschichte. Die keineswegs nur von Erfolgen geprägte Bilanz speziell der volkswirtschaftlichen Wiedervereinigung wirft dabei erneut die Frage nach der "Deutschen Frage" auf: Hätte man auf dieses einschneidende Ereignis besser vorbereitet sein können? Tatsächlich verfügte die Bundesregierung mit dem 1952 ins Leben gerufenen "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung" bis zu seiner Auflösung 1975 über ein kompetentes Expertengremium, das in den turbulenten Monaten in 1989/90 mit Sachverstand den Vereinigungsprozess hätte begleiten können, da er sich…mehr

Produktbeschreibung
Die Wiedervereinigung Deutschlands ist Geschichte. Die keineswegs nur von Erfolgen geprägte Bilanz speziell der volkswirtschaftlichen Wiedervereinigung wirft dabei erneut die Frage nach der "Deutschen Frage" auf: Hätte man auf dieses einschneidende Ereignis besser vorbereitet sein können? Tatsächlich verfügte die Bundesregierung mit dem 1952 ins Leben gerufenen "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung" bis zu seiner Auflösung 1975 über ein kompetentes Expertengremium, das in den turbulenten Monaten in 1989/90 mit Sachverstand den Vereinigungsprozess hätte begleiten können, da er sich über mehr als zwei Jahrzehnte mit den voraussichtlichen Folgen auf allen Gebieten der Wirtschafts- und Sozialpolitik beschäftigte. Diese fast vergessene Institution suchte im Schatten der Deutschlandpolitik nach geeigneten Wegen, die Vereinigung und den damit verbundenen Transformationsprozess bestmöglich zu meistern. Die Studie begründet, warum die Auflösung des Forschungsbeirats 1975 ein politischer Fehler mit erheblicher ökonomischer Tragweite war.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2005

Als noch gerechnet wurde
Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung

Roland Wöller: Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands 1952-1975. Zur politischen und wissenschaftlichen Diskussion der wirtschaftlichen Wiedervereinigung. Droste Verlag, Düsseldorf 2004. 317 Seiten, 49,80 [Euro].

Die Schaffung des Beirats hatte verschiedene Ursachen. Die Wiedervereinigung wurde in absehbarer Zukunft erwartet. Von verschiedenen Seiten, auch von geflüchteten Wissenschaftlern mit SPD-Tendenz, wurden Vorbereitungsmaßnahmen gefordert. Die Westpolitik hatte zwar Priorität, aber es konnte nicht schaden, nach Osten ein Zeichen zu setzen - zugleich aber den Rahmen so festzulegen, daß Jakob Kaiser, von Bundeskanzler Adenauer kritisch beäugt, keine unerwünschten Initiativen in der Deutschland-Politik entwickelte. Im März 1952 wurde der Beirat gegründet mit Friedrich Ernst an der Spitze, einem Berliner Bankier, den Adenauer schon einmal zur Disziplinierung seines Wirtschaftsministers eingesetzt hatte. Ludwig Erhard protestierte auch prompt gegen vermeintliche Kompetenzbeschneidungen, vor allem aber gegen den gescheiterten SED-Karrieristen Bruno Gleitze, in dem er zu Recht einen Gegner der Marktwirtschaft erblickte. Auch im Beirat galt Gleitze intern "als unvermeidliches Übel", er erwies sich aber als lernfähig und revidierte sein Urteil über die zuerst positiv beurteilte DDR-Wirtschaft.

Der Vorsitzende Ernst erwies sich als Glücksfall. Unter seiner energischen Leitung entfaltete der Forschungsbeirat eine bemerkenswerte Aktivität, hauptsächlich auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Die aktivste Phase des Forschungsbeirates lag in den fünfziger Jahren, als eine stetig wachsende Zahl von Arbeitsgruppen eingerichtet und viele Sachverständige gewonnen wurden. Das Besondere lag in seiner Unabhängigkeit und lockeren Organisationsform, die unterschiedliche Arbeitsfelder eröffnete. Die Forschungsergebnisse des Kreises wurden in Tätigkeitsberichten vorgelegt, die jeweils einen Zeitraum von mehreren Jahren umfaßten. Die Aussagen über die Wirtschaftslage in der DDR und damit zusammenhängend die Frage, was im Falle der Wiedervereinigung zu tun sei, zeichnen sich durch Nüchternheit in der Analyse und Vorsicht bei den Änderungsvorschlägen aus. Propaganda fand nicht statt, von Anschluß war nicht die Rede. So sprach man sich keineswegs für die sofortige Privatisierung der volkseigenen Betriebe aus und forderte auch nicht die sofortige Auflösung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Diesen Befund muß man im Auge behalten für das Ende dieses eigenartigen, aber effektiv arbeitenden Forschungsverbunds. Die DDR-Propaganda giftete zwar ständig, aber die Arbeiten gingen unter Ernsts Nachfolger Johann Baptist Gradl, alles andere als ein deutschlandpolitischer Scharfmacher, ihren ruhigen Gang weiter. Mit der 1969 gebildeten sozialliberalen Koalition änderte sich alles. Die angekündigte Wende in der Deutschland-Politik wurde unerwartet rasch durch den Politologen Peter Christian Ludz realisiert. Er hatte mit der These Karriere gemacht, daß ein Wandel der "Funktionseliten" in der DDR stattfinde, von den Politruks zu den Technokraten. Von dieser Position war es nur ein Schritt zum "Systemvergleich" unter dem Gesichtspunkt der Konvergenz, der Anerkennung der Zweistaatlichkeit als Dauerlösung mit dem Bestreben, dem anderen Staat durch Demonstration guten Willens entgegenzukommen und den Forschungsbeirat zu opfern.

Schon früh hatte Ludz innerhalb der Ministerialbürokratie die neue Sichtweise durchgesetzt, nämlich nur die offiziellen Daten der DDR als statistische Grundlage zu nehmen und diese nicht mehr kritisch zu hinterfragen. Über die neue Sichtweise empörte sich Gleitze, der als Statistiker diese Manipulation nicht mitmachen wollte und forderte, daß "dieses selbstgefällige Gequatsche von der Industriemacht in der neunten oder achten Position mal aufhört". Denn zu diesem Ergebnis kam man nur, wenn man von der DDR-Statistik ausging. Typisch, aber unfreiwillig komisch erscheint in diesem Zusammenhang das Wirken des FDP-Politikers und Stasi-Agenten William Borm. Er führte eine Evaluation der DDR-Forschung durch, die dann zur Gründung des "Arbeitskreises vergleichende Deutschlandforschung" führte. Dabei hatte man Borm als MdB von Berlin nach Bonn fortgelobt, damit er nicht Senator werden und in dieser Position Geheimnisse verraten konnte. 1970 erfolgte die Weichenstellung, in den nächsten fünf Jahren dann die schrittweise Liquidation des Forschungsbeirates, die von nicht eingehaltenen Zusagen und Vertröstungen begleitet war.

Wären 1990 die Fehler vermieden worden, wenn der Forschungsbeirat kontinuierlich hätte weiterarbeiten können? Sicherlich hätte dann besseres Material zur Beurteilung der DDR-Wirtschaft vorgelegen, aber ob man auf diese Erkenntnisse angesichts der politischen Zwänge auch tatsächlich zurückgegriffen hätte, darf bezweifelt werden.

HENNING KÖHLER

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