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Am 24. April 1974 um 6.32 Uhr wurde Pierre Guillaume schlagartig erwachsen. Niemand hatte den Gymnasiasten, der wenige Tage zuvor seinen 17. Geburtstag feierte, gefragt, ob er seine bis dahin behütete Kindheit so ad hoc zu beenden wünschte. Das lösten für ihn mehr als ein Dutzend BKA-Beamte in wenigen Minuten im Flur der elterlichen Wohnung. In der Gefühlswelt des jungen Mannes wechselten Unglaube und Fassungslosigkeit einander ab. Sein Vater ein DDR-Spion? Unmöglich! Waren seine Eltern und er doch vor kurzem noch mit der Familie des Bundeskanzlers für einen gemeinsamen Urlaub nach Norwegen…mehr

Produktbeschreibung
Am 24. April 1974 um 6.32 Uhr wurde Pierre Guillaume schlagartig erwachsen. Niemand hatte den Gymnasiasten, der wenige Tage zuvor seinen 17. Geburtstag feierte, gefragt, ob er seine bis dahin behütete Kindheit so ad hoc zu beenden wünschte. Das lösten für ihn mehr als ein Dutzend BKA-Beamte in wenigen Minuten im Flur der elterlichen Wohnung. In der Gefühlswelt des jungen Mannes wechselten Unglaube und Fassungslosigkeit einander ab. Sein Vater ein DDR-Spion? Unmöglich! Waren seine Eltern und er doch vor kurzem noch mit der Familie des Bundeskanzlers für einen gemeinsamen Urlaub nach Norwegen gereist. Zu präsent war ihm auch so manche Auseinandersetzung, in der sich sein Vater als rechter Sozialdemokrat, staatstragend und antikommunistisch, gebärdet hatte. Doch der "Fall Guillaume" zog weite Kreise, Willy Brandt trat zurück. Gern hätte Pierre seinen Vater nach Motiven gefragt, nach den psychischen Belastungen dieser zwei Jahrzehnte währenden Doppelexistenz. Und auch, welche Rolle seine Person bei der Legendierung einer beispielhaften Kleinfamilie gespielt hatte. Doch während der unter Bewachung stattfindenden Gefängnisbesuche durfte über nichts gesprochen werden, was mit dem Fall zu tun hatte. Pierre mußte sich die Antworten auf seine Fragen aus zweiter Hand besorgen - nicht selten blieb nur die Spekulation. Mehr und mehr wußte er die eigenen Eltern nicht mehr einzuordnen. Als man Günter und Christel Guillaume am 15. Dezember 1975 zu 13 und 8 Jahren Haft verurteilte, waren Pierre und seine Großmutter bereits nach Ostberlin übersiedelt, in die für ihn völlig fremde, "wahre" Heimat seiner Eltern. Sechs Jahre mußte er sich gedulden, war gezwungen, sich einen eigenen Reim auf seine Fragen zu machen. Als am 1. Oktober 1981 zuletzt auch Günter Guillaume ausgetauscht wurde, sah Pierre endlich die Zeit gekommen, den wahren Vater kennenzulernen. Es wurde zu einer Begegnung unter Schmerzen. Desillusioniert stellt er einen Ausreiseantrag und kehrt 1988 in die BRD zurück. Pierre Boom, ein Wanderer zwischen West und Ost, der in beiden Deutschlands aufwuchs, liefert vielfältige Einblicke hinter die Kulissen von Politik und Gesellschaft der 70er und 80er Jahre. Sein bewegender Bericht entstand im Dialog zwischen Betroffenem und einfühlsam begleitendem Journalisten.
Autorenporträt
Gerhard Haase-Hindenberg, Jg. 1953, siedelte nach dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg zeitweilig in die DDR über und studierte an der Hochschule für Schauspielkunst 'Ernst Busch' in Ost-Berlin. Er arbeitete als Schauspieler, Regisseur und Autor an Theatern in Nürnberg, München und Berlin. Nach wie vor steht er für TV- und Kinofilme vor der Kamera. Regelmäßig publiziert er Reportagen und Interviews in überregionalen Zeitungen und Magazinen, sowie für diverse Hörfunkformate.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Erinnerungen von Pierre Boom, dem Sohn des "Kanzlerspions" Günter Guillaume, stellen nicht nur eine "faszinierende Studie über die seelenzerstörenden Macht einer autoritär gewordenen Welt" dar, resümiert Klaus Harpprecht. Unser Rezensent ist darüber hinaus der Auffassung, dieses Buch "könnte in der Tat das Protokoll einer Schizophrenie genannt werden". Durch den Wechsel mehrerer Erzählperspektiven - der "'objektive' Bericht", die Einwürfe Pierre Booms und die Beobachtungen seines Koautors Gerhard Haase-Hindenberg sind durch ein verändertes Schriftbild angezeigt - sei die "chronische Spaltung der Persönlichkeiten" sensibel nachgezeichnet worden. Wem genau unser Rezensent diese Diagnose stellt, ist nicht eindeutig: dem enttarnten, wieder in die DDR übersiedelten und dort "zu einer Existenz der komfortablen Bedeutungslosigkeit" verdammten "Heldenspion"; dem verwirrten, rebellischen Sohn, der den "radikalen Rollenwechsel" des Vaters mit wachsender Befremdung wahrnahm, Pierres verbitterter Mutter oder gar allen beteiligten Akteuren? Jedenfalls spricht Harpprecht dem Autor Respekt und seinem Partner seine deutliche Anerkennung aus.

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