Der junge Hans Krull musste Deutschland aus politischen Gründen verlassen. Da fiel ihm der Bruder Cornelius seines Vaters ein, der bereits vor einigen Jahrzehnten nach Frankreich ausgewandert war. Also machte sich Hans mit ein paar Mark in der Tasche über die belgische Grenze auf zu seinen
Verwandten, die er noch nie gesehen hat.
Der schweigsame Cornelius Krull, der nie richtig Französisch…mehrDer junge Hans Krull musste Deutschland aus politischen Gründen verlassen. Da fiel ihm der Bruder Cornelius seines Vaters ein, der bereits vor einigen Jahrzehnten nach Frankreich ausgewandert war. Also machte sich Hans mit ein paar Mark in der Tasche über die belgische Grenze auf zu seinen Verwandten, die er noch nie gesehen hat.
Der schweigsame Cornelius Krull, der nie richtig Französisch gelernt hat, betreibt mit seiner Frau den Ausschank „Chez Krull“ für Kanalschiffer. Trotz der vielen Jahre wird die protestantische Familie von den Einheimischen immer noch geschnitten, niemand aus der nordfranzösischen Kleinstadt kauft bei ihnen ein. Allein die Schiffer des vorbeiführenden Kanals sind ihre Kunden. Die Krulls haben drei Kinder: den erwachsenen Joseph, der nach dem Medizinstudium gerade an seiner Doktorarbeit sitzt, Anna, die im Haushalt und im Geschäft hilft, sowie die kleine Lisbeth, die noch zur Schule geht.
Zunächst macht sich der hübsche und ziemlich forsche Hans mit den Örtlichkeiten vertraut. Dabei versucht er auch, mit der jungen Sidonie anzubandeln. Sie ist die Tochter einer stadtbekannten Trinkerin. Doch wenig später wird die nackte Leiche des Mädchens aus dem Kanal gefischt. Die Autopsie ergibt, dass Sidonie Opfer eines Sexualverbrechens geworden ist. Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen die Ermittlungen auf. Man verhaftet zunächst den Lebensgefährten von Sidonies Mutter, doch der hat ein handfestes Alibi.
Als Hans auf eigene Faust Nachforschungen betreibt, macht er sich selbst verdächtig und so erhalten er und sein Onkel Cornelius eine polizeiliche Vorladung. Hans kann man jedoch nur den illegalen Grenzübertritt zur Last legen, dafür gerät aber plötzlich Joseph Krull unter Mordverdacht. Dieser hatte früher schon einmal vergeblich um Sidonie geworben.
Die Atmosphäre in der Stadt wird immer spannungsgeladener. Die Volksseele kocht hoch und ihr Zorn wendet sich gegen die Familie Krull. Man postiert sich vor ihrem Haus und will den Mörder. Obwohl die Krulls schon Jahrzehnte hier wohnen, macht sich plötzlich Hass auf die fremden Deutschen breit. Die Stimmung richtet sich auch gegen die Polizei, die scheinbar nichts unternimmt. Schließlich wird der Mörder ermittelt, mit einem dramatischen Ende für die Familie.
Der Roman, in dem Simenon das Thema der Fremdenfeindlichkeit wenige Monate nach der Reichskristallnacht behandelte, erschien 1939 unter dem Originaltitel „Chez Krull“, während die deutsche Erstausgabe erst 1989 im Diogenes Verlag veröffentlicht wurde. Diese Übersetzung wurde jetzt für die neue Edition der „Ausgewählten Romane“ noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick