Die Wirtschaftskrise hat Spanien fest im Griff, und die deutsche Kanzlerin ist aufgrund ihrer rigiden Sparpolitik nicht gerade beliebt. Doch als ein fast bankrotter Damenfriseur von den Plänen eines Terroranschlags während ihres Besuchs in Barcelona erfährt, muss er in einem Wettlauf gegen die Zeit eingreifen. Seine Schwester, die Ex-Prostituierte Cándida, soll ihm dabei helfen und als perfekt frisierte Kopie von Doña Angela am Flughafen mit der echten Kanzlerin vertauscht werden. - Mendoza, ein Meister des komischen Genres, hat sich in seinem neuen Roman selbst übertroffen: eine geniale Satire über die Auswirkungen der Schuldenkrise und ein rasant erzählter Kriminalroman, in dem Not viel mehr als nur erfinderisch macht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2013Man schnorrt sich so durch, wäscht sich seltener die Haare und lässt anschreiben
Schelmisches Gagatum: Der portugiesische Autor Eduardo Mendoza hat einen satirischen Krimi zur Euro-Krise geschrieben, "Der Friseur und die Kanzlerin".
Nachdem Eduardo Mendoza, der große Stilmixologe aus Katalonien, seine Leser zuletzt zum Buchmessenschwerpunkt Katalonien mit einem sterbenslangweiligen Buch über einen Politik treibenden Zahnarzt enttäuscht hat, geht es auf einmal wieder steil nach oben. Man muss vorausschicken, dass steil nach oben nicht bedeutet, dass Eduardo Mendoza einen bedeutenden Roman geschrieben hat. "Die Stadt der Wunder" etwa, sein pikaresker Klassiker von 1986, handelte vom Aufstieg eines Provinzjungen zum mächtigsten Politiker Barcelonas, wobei Verbrechen und Politik in dieser gleißenden Gesellschaftssatire virtuos zu einer regionalen Mentalitätsgeschichte verschmolzen wurden. In "Der Friseur und die Kanzlerin" greift Mendoza zunächst das Personal eines früheren Romans wieder auf.
In "Niemand im Damensalon" wurde der Held dieser neuen Erzählung bereits eingeführt. Das war vor zehn Jahren. Dieser linkische Friseur ist ein Taugenichts und hat von seinem Schwager einen Damensalon in Barcelona übernommen. Dort wartet er nun auf Kundschaft, die sich auf gut 280 Seiten kein einziges Mal einstellt. Die erwähnte Euro-Krise hat die Bürger von Barcelona fest im Griff. Man schnorrt sich so durch, wäscht weniger Haare als sich gegenseitig die Hände - und im Restaurant lässt man anschreiben. In der Zwischenzeit nimmt der namenlose Held seine Tätigkeit als Spürnase im Dienste verschiedener Auftraggeber wieder auf. Der Auftrag lautet dieses Mal nicht, Licht ins Dunkel eines korrupten Staatsapparats zu bringen. Es geht vielmehr darum, einem kleinen Mädchen (Quesito) den Gefallen zu tun, ihren Ersatzvater wiederzufinden. Es handelt sich um Romulus den Schönen: "Er sah dem damals auf dem Gipfel seiner Kunst und Schönheit stehenden Tony Curtis außerordentlich ähnlich."
Die beiden Männer kennen sich aus der bereits im ersten Friseur-Buch eingeführten Irrenanstalt des Dr. Sugrañes, wo Romulus der Schöne seinen täppischen kleinkriminellen Freund einst vor bösartigen Übergriffen beschützte. Nun ist der Friseur Romulus was schuldig und begibt sich auf die Suche nach dem Helden seiner Knastzeit. Und dann wird es verworren, irrwitzig und im Grunde unerzählbar. Offenbar hat Quesitos Mutter, ihres Zeichens Angestellte einer Gebäudereinigungsfirma, Romulus vor mehr als zehn Jahren als treuen Freund gewonnen. Sie putzte das Gebäude, in dem Romulus nach seiner Haftentlassung als Pförtner arbeitete. "Trotz des Standesunterschieds zwischen einem uniformierten Pförtner und einer einfachen Reinemachefrau entstand zwischen den beiden eine schöne Kameradschaft."
Doch Romulus kann - Tony Curtis hin oder her - den Verlockungen der Unterwelt nicht widerstehen. Er hat sich von alten Strippenziehern zu einem krummen Ding überreden lassen. Seither ist er verschwunden. Nicht ohne vorher einen Brief an Ziehtochter Quesito verfasst zu haben. Darin steht in wehleidigem Ton, dass sehr wahrscheinlich bald schon sein Name in den Massenmedien verunglimpft werde. Es wird also als Erstes die Ehefrau des Gesuchten eingeschaltet. Lavinia zeigt sich lasziv im Damensalon, weiß aber auch nicht, wo ihr schöner Gatte steckt. Die Unterinspektorin Victoria Arrozales wiederum möchte die alten V-Mann-Qualitäten des Friseurs aktivieren und hält ihm das Foto eines international gesuchten Terroristen unter die Nase. Zeitgleich tut Quesito die Adresse eines Yogastudios auf. Dort soll eine Spur zu Romulus führen. Dessen Frau Lavinia pflegt dort offenbar eine Beziehung zum diensthabenden Swami. Ein schwarzer Albino-Pantomimekünstler wird als Wachposten vor dem Zielobjekt installiert sowie andere halbseidene Gestalten, die selbstverständlich, wie auch der Held, das Herz auf dem rechten Fleck haben: "Ich bin nur ein Damenfriseur mit einem Kredit der Caixa - weniger dionysisch kann man nicht sein."
In diesem satirischen Krimi passiert soviel Slapstick, dass es sich kaum wiedergeben lässt. Als Quesito den chinesischen Salonnachbarn vorgestellt wird, sagt der Patriarch: "Das ist ein schöner Name: Kue-schi-tou. In unserer Sprache bedeutet er Mondnacht im Sommer." "Stimmt nicht", sagt sein kleiner Sohn. "Es heißt Abgelaufenes Zäpfchen." In diesem Stil zündet Eduardo Mendoza einen Witz nach dem anderen, und man muss sich wirklich verbeugen vor so viel Mut zum pikaresken Gagatum. Nur kommt die Gesellschaftskritik, die Mendoza auch zu üben für sich in Anspruch nimmt, da manchmal zu kurz. Es soll sich ja um eine Satire angesichts der Euro-Krise handeln. Das wird insofern eingelöst, als es sich bei dem zu vereitelnden Terroranschlag, in den Romulus verwickelt ist, um ein Attentat auf unsere Kanzlerin handelt. Aufgrund einer actionreichen Travestienummer erwischt es aber nicht Angela, sondern nur ihr Double, die kapriziöse und etwas einfältige Schwester des Friseurs. Und ausgerechnet die chinesischen Warenhausbesitzer und höflichen Nachbarn des Damensalons übernehmen bald die Geschäfte des unfähigen Spaniers. Mitleidig und wohltätig sind sie gegenüber ihren wirtschaftlich ausgebluteten Gastgebern, denn unser Friseur darf fortan im Restaurant die Teller waschen: "Westler sind schlechte Mathematiker." Sehr viel tiefer geht es nicht. Man hat also seinen albernen Spaß mit diesem neuen Mendoza, aber als Parabel auf das sinkende Schiff Europa und einen übermächtigen und krisenbewussten asiatischen Markt oder einfach als Parodie des grassierenden Deutschenressentiments wird das Ganze nicht in die Literaturgeschichte eingehen.
KATHARINA TEUTSCH.
Eduardo Mendoza: "Der Friseur und die Kanzlerin".
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Nagel & Kimche Verlag, München 2013. 280 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schelmisches Gagatum: Der portugiesische Autor Eduardo Mendoza hat einen satirischen Krimi zur Euro-Krise geschrieben, "Der Friseur und die Kanzlerin".
Nachdem Eduardo Mendoza, der große Stilmixologe aus Katalonien, seine Leser zuletzt zum Buchmessenschwerpunkt Katalonien mit einem sterbenslangweiligen Buch über einen Politik treibenden Zahnarzt enttäuscht hat, geht es auf einmal wieder steil nach oben. Man muss vorausschicken, dass steil nach oben nicht bedeutet, dass Eduardo Mendoza einen bedeutenden Roman geschrieben hat. "Die Stadt der Wunder" etwa, sein pikaresker Klassiker von 1986, handelte vom Aufstieg eines Provinzjungen zum mächtigsten Politiker Barcelonas, wobei Verbrechen und Politik in dieser gleißenden Gesellschaftssatire virtuos zu einer regionalen Mentalitätsgeschichte verschmolzen wurden. In "Der Friseur und die Kanzlerin" greift Mendoza zunächst das Personal eines früheren Romans wieder auf.
In "Niemand im Damensalon" wurde der Held dieser neuen Erzählung bereits eingeführt. Das war vor zehn Jahren. Dieser linkische Friseur ist ein Taugenichts und hat von seinem Schwager einen Damensalon in Barcelona übernommen. Dort wartet er nun auf Kundschaft, die sich auf gut 280 Seiten kein einziges Mal einstellt. Die erwähnte Euro-Krise hat die Bürger von Barcelona fest im Griff. Man schnorrt sich so durch, wäscht weniger Haare als sich gegenseitig die Hände - und im Restaurant lässt man anschreiben. In der Zwischenzeit nimmt der namenlose Held seine Tätigkeit als Spürnase im Dienste verschiedener Auftraggeber wieder auf. Der Auftrag lautet dieses Mal nicht, Licht ins Dunkel eines korrupten Staatsapparats zu bringen. Es geht vielmehr darum, einem kleinen Mädchen (Quesito) den Gefallen zu tun, ihren Ersatzvater wiederzufinden. Es handelt sich um Romulus den Schönen: "Er sah dem damals auf dem Gipfel seiner Kunst und Schönheit stehenden Tony Curtis außerordentlich ähnlich."
Die beiden Männer kennen sich aus der bereits im ersten Friseur-Buch eingeführten Irrenanstalt des Dr. Sugrañes, wo Romulus der Schöne seinen täppischen kleinkriminellen Freund einst vor bösartigen Übergriffen beschützte. Nun ist der Friseur Romulus was schuldig und begibt sich auf die Suche nach dem Helden seiner Knastzeit. Und dann wird es verworren, irrwitzig und im Grunde unerzählbar. Offenbar hat Quesitos Mutter, ihres Zeichens Angestellte einer Gebäudereinigungsfirma, Romulus vor mehr als zehn Jahren als treuen Freund gewonnen. Sie putzte das Gebäude, in dem Romulus nach seiner Haftentlassung als Pförtner arbeitete. "Trotz des Standesunterschieds zwischen einem uniformierten Pförtner und einer einfachen Reinemachefrau entstand zwischen den beiden eine schöne Kameradschaft."
Doch Romulus kann - Tony Curtis hin oder her - den Verlockungen der Unterwelt nicht widerstehen. Er hat sich von alten Strippenziehern zu einem krummen Ding überreden lassen. Seither ist er verschwunden. Nicht ohne vorher einen Brief an Ziehtochter Quesito verfasst zu haben. Darin steht in wehleidigem Ton, dass sehr wahrscheinlich bald schon sein Name in den Massenmedien verunglimpft werde. Es wird also als Erstes die Ehefrau des Gesuchten eingeschaltet. Lavinia zeigt sich lasziv im Damensalon, weiß aber auch nicht, wo ihr schöner Gatte steckt. Die Unterinspektorin Victoria Arrozales wiederum möchte die alten V-Mann-Qualitäten des Friseurs aktivieren und hält ihm das Foto eines international gesuchten Terroristen unter die Nase. Zeitgleich tut Quesito die Adresse eines Yogastudios auf. Dort soll eine Spur zu Romulus führen. Dessen Frau Lavinia pflegt dort offenbar eine Beziehung zum diensthabenden Swami. Ein schwarzer Albino-Pantomimekünstler wird als Wachposten vor dem Zielobjekt installiert sowie andere halbseidene Gestalten, die selbstverständlich, wie auch der Held, das Herz auf dem rechten Fleck haben: "Ich bin nur ein Damenfriseur mit einem Kredit der Caixa - weniger dionysisch kann man nicht sein."
In diesem satirischen Krimi passiert soviel Slapstick, dass es sich kaum wiedergeben lässt. Als Quesito den chinesischen Salonnachbarn vorgestellt wird, sagt der Patriarch: "Das ist ein schöner Name: Kue-schi-tou. In unserer Sprache bedeutet er Mondnacht im Sommer." "Stimmt nicht", sagt sein kleiner Sohn. "Es heißt Abgelaufenes Zäpfchen." In diesem Stil zündet Eduardo Mendoza einen Witz nach dem anderen, und man muss sich wirklich verbeugen vor so viel Mut zum pikaresken Gagatum. Nur kommt die Gesellschaftskritik, die Mendoza auch zu üben für sich in Anspruch nimmt, da manchmal zu kurz. Es soll sich ja um eine Satire angesichts der Euro-Krise handeln. Das wird insofern eingelöst, als es sich bei dem zu vereitelnden Terroranschlag, in den Romulus verwickelt ist, um ein Attentat auf unsere Kanzlerin handelt. Aufgrund einer actionreichen Travestienummer erwischt es aber nicht Angela, sondern nur ihr Double, die kapriziöse und etwas einfältige Schwester des Friseurs. Und ausgerechnet die chinesischen Warenhausbesitzer und höflichen Nachbarn des Damensalons übernehmen bald die Geschäfte des unfähigen Spaniers. Mitleidig und wohltätig sind sie gegenüber ihren wirtschaftlich ausgebluteten Gastgebern, denn unser Friseur darf fortan im Restaurant die Teller waschen: "Westler sind schlechte Mathematiker." Sehr viel tiefer geht es nicht. Man hat also seinen albernen Spaß mit diesem neuen Mendoza, aber als Parabel auf das sinkende Schiff Europa und einen übermächtigen und krisenbewussten asiatischen Markt oder einfach als Parodie des grassierenden Deutschenressentiments wird das Ganze nicht in die Literaturgeschichte eingehen.
KATHARINA TEUTSCH.
Eduardo Mendoza: "Der Friseur und die Kanzlerin".
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Nagel & Kimche Verlag, München 2013. 280 S., geb., 18,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Angetan zeigt sich Rezensentin Jeannette Villachica von Eduardo Mendozas Roman über ein krisengeschütteltes Barcelona. Im Mittelpunkt sieht sie einen - aus früheren Büchern des spanischen Schriftstellers bereits bekannten - Friseur und Hobbydetektiv, der einem geplanten Terroranschlag auf die unbeliebte deutsche Bundeskanzlerin auf die Schliche kommt und den er mit einigen Freunden zu vereiteln sucht. Von einigen etwas zähen Passagen abgesehen hat Villachica den Roman mit großem Vergnügen gelesen. Er strotz ihres Erachtens nur so von komischen Szenen, zeigt einen absurden Humor und entwickelt sich zunehmend zu einer "aberwitzigen Gesellschaftssatire".
© Perlentaucher Medien GmbH
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