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Alles beginnt an einem Winterabend im ländlichen Ontario mit dem Wurf eines Schneeballs. Der zehnjährige Dunstable Ramsay muss sich sputen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Sein Freund Percy Boyd Staunton, mit dem ihn eine lebenslange Freund- und Feindschaft verbinden wird, hat noch einen letzten Schneeball geformt, den er ihm hinterherwirft. Dunstable duckt sich weg, und das eisige Geschoss landet auf dem Rücken der hochschwangeren Mrs. Dempster, die ihren Sohn Paul viel zu früh auf die Welt bringt. Das Schneegeschoss verbindet in dieser schicksalhaften Minute für immer das Leben dieser drei Jungen.…mehr

Produktbeschreibung
Alles beginnt an einem Winterabend im ländlichen Ontario mit dem Wurf eines Schneeballs. Der zehnjährige Dunstable Ramsay muss sich sputen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Sein Freund Percy Boyd Staunton, mit dem ihn eine lebenslange Freund- und Feindschaft verbinden wird, hat noch einen letzten Schneeball geformt, den er ihm hinterherwirft. Dunstable duckt sich weg, und das eisige Geschoss landet auf dem Rücken der hochschwangeren Mrs. Dempster, die ihren Sohn Paul viel zu früh auf die Welt bringt. Das Schneegeschoss verbindet in dieser schicksalhaften Minute für immer das Leben dieser drei Jungen.
Autorenporträt
Robertson Davies, geboren 1913 in Thamesville/Ontario. Er wuchs als Kind von Einwanderern im ländlichen Ontario auf und studierte in Toronto und am Balliol College in Oxford Literaturwissenschaften. Er kehrte in den vierziger Jahren nach Kanada zurück und arbeitete zunächst als Literaturredakteur. Später lehrte er an verschiedenen Colleges. Er schrieb Romane, Theaterstücke, Essays. Fifth Business, 1970 erschienen, zählt zu seinen erfolgreichsten Romane. Dieser Klassiker ist in Kanada Schullektüre. Robertson Davies verstarb im Dezember 1995.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2019

Die Existenz in ihrer brutalen Zufälligkeit
Kanadischer Klassiker: "Der Fünfte im Spiel" von Robertson Davies, neu übersetzt

In Kanada, so lesen wir, gehört Robertson Davies' Roman "Fifth Business", 1970 erschienen, zur Schullektüre. In ihm finden sich bleischwere Sätze wie dieser: "Ein großer Teil Ihres Lebens" - angesprochen ist der Erzähler des Romans - "ist ungelebt, wird verleugnet und beiseitegeschoben. Deshalb wird es Ihnen auch zu viel, und mit fünfzig zerreißt es Sie . . . Das ist die Rache für ein ungelebtes Leben." Man fragt sich: Was fängt ein Schüler, der das sechzehn- oder siebzehnjährig liest, mit derart bitteren, sehr erwachsenen Einsichten wohl an?

Der Roman wird eingeleitet von einem Brief, in dem ein Geschichtslehrer namens Dunstan Ramsay sich und sein Leben vor seinem Vorgesetzten zu rechtfertigen versucht. Anlass des Schreibens ist ein Artikel in der Schülerzeitung, in dem Ramsay als verschrobener Gelehrter, als langweiliger Forschergeist gezeichnet wird. Das Porträt ist für ihn, der nun aus dem Dienst scheiden soll, eine Unverschämtheit: "Als hätte ich nie ein Leben außerhalb des Klassenzimmers geführt . . . nie gejubelt oder geklagt, nie Liebe oder Hass gekannt." Ebendieses "Lebensdrama" arbeitet er daraufhin in all seinen komischen, traurigen, seinen allzu menschlichen Einzelheiten heraus. Das Ergebnis seiner autobiographischen Selbstbehauptung ist das vorliegende Buch.

Ramsay beginnt seine aus den sechziger Jahren zurückblickende Erzählung in der Kindheit und mit einem buchstäblichen Schicksalsschlag. Auslöser für alles folgende Geschehen ist ein Schneeball, den Ramsays Freund und Rivale, der zehnjährige Boyd Staunton, in seine Richtung schleudert. Der Attackierte kann sich in letzter Sekunde wegducken, und so trifft der mit einem Stein gefüllte Eisklumpen nicht ihn, sondern die hochschwangere Frau des örtlichen Baptistenpfarrers. Ausgelöst durch den Schrecken kommt ihr Junge, Paul, viel zu früh und viel zu klein auf die Welt; sie selbst, Mary, gilt unter den Bewohnern des irgendwo in Ontario gelegenen Dorfes fortan als "nicht ganz richtig im Kopf".

Von diesem Zeitpunkt an wird Ramsays Leben durch die Schuld des Schuldlosen bestimmt, ein Leitthema des Romans, das ebenso in die christliche wie in die Tradition der griechischen Tragödie zurückführt. Ramsays Zerrissenheit äußert sich unter anderem darin, dass er Mary für sich zu einer Heiligen überhöht. Dies gipfelt in ein Offenbarungserlebnis, das ihm Jahre später auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs widerfährt: In den Überresten einer zerstörten Kirche erblickt er eine Madonnenstatue, deren Gesicht die Züge der Heiligen von Ontario zu tragen scheint - und verliert das Bewusstsein. Infolge dieses Ereignisses widmet sich der Wiedergeborene der Heiligenforschung, und zwar mit calvinistischer Arbeitsethik. Aus seinen langen Recherchereisen durch Europa und Südamerika gehen mehrere Bücher hervor (wie etwa der Band "Hundert Heilige Tirols"). Die Frage, was es mit diesem Tick auf sich hat, wird vom Roman psychologisch beantwortet; an einer Stelle wird ausdrücklich auf C. G. Jung verwiesen, "diesen wunderlichen alten Fürsten der dunklen Regionen". Durch die hingebungsvolle Beschäftigung mit den Heiligen versucht Ramsay, das Gefühl der eigenen moralischen Unzulänglichkeit wettzumachen - ein hoffnungsloses Unterfangen.

Seine über 400 Seiten hat der Roman vor allem aufgrund seiner ausufernden Reflexionen, die aus ihm streckenweise einen Ideenroman machen; naheliegenderweise verglich die "New York Times" das Buch bei Erscheinen mit dem "Zauberberg". Anders als bei Thomas Mann allerdings, dessen Figurenmonologe bisweilen den Charakter abstrakter philosophischer Traktate annehmen, ist bei Robertson Davies alles Nachdenken über Schuld und Religion, Krieg und Geschichte, Sexualität und Moral an den Einzelnen zurückgebunden, an seinen Zweifel und seinen Schmerz. "Alle Lehren Christi sind mit dem Dogmatismus, der Unbeirrbarkeit und der Festigkeit der Jugend verkündet worden", erläutert beispielsweise ein alter Jesuit, den Ramsay auf einer seiner Forschungsreisen kennenlernt. Er allerdings benötige einen Glauben, der "den Zuwachs an Erfahrungen" mitberücksichtige, "den Sinn für Widersprüche und Mehrdeutigkeiten", der sich mit den Jahren einstelle. Nein, die geläufige Kritik am Ideenroman, er wolle seine Leser unterrichten, nicht aber ergreifen - auf den "Fünften im Spiel" trifft sie nicht zu.

Am Ende des Romans treffen Ramsay, sein Kinderfreund und Lebensbegleiter Boyd (ein "Scott-Fitzgerald-Typ", der als Politiker und Geschäftsmann tätig ist) und Marys Sohn Paul (der als Magier weltweit Erfolge feiert) erstmals nach Jahrzehnten wieder zu dritt aufeinander. Das Gespräch kommt bald auf die alte Schuld; Anklage und Abwehr stehen einander unversöhnlich gegenüber. Am nächsten Morgen birgt die Polizei einen Wagen aus dem Hafenbecken von Toronto, darin eine männliche Leiche mit einem "gewöhnlichen, rötlichfarbenen Granit" im Mund. Es ist der Stein, der einst in jenem unheilbringenden Schneeball steckte.

Robertson Davies und sein Roman, der Teil einer Trilogie und erstmals 1984 auf Deutsch erschienen ist, werden oft als Klassiker der modernen kanadischen Literatur bezeichnet. Aber was meint das hier eigentlich, "modern"? Weder sprachlich noch strukturell zeichnet "Fifth Business" ein besonderer Hang zum Avantgardistischen aus, und auch im Deutschen, in der Übersetzung von Maria Seifert, ist das Buch von eleganter Leichtigkeit. Modern ist der Roman vielmehr, weil er uns Menschen nahebringt, die mit dem Dasein in seiner ganzen brutalen Zufälligkeit zu Rande kommen müssen, ohne sich dabei auf einen selbstverständlich gegebenen metaphysischen Schutzschirm verlassen zu können. Ist es das, was Kanadas Schüler aus diesem Buch mitnehmen können und sollen? Es wäre eine wenig erbauliche, dafür umso realistischere Lehre vom Leben.

KAI SINA

Robertson Davies: "Der Fünfte im Spiel". Roman.

Aus dem Englischen von

Maria Seifert. Dörlemann Verlag, Zürich 2019. 416 S., 25,- [Euro].

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