Florida, Anfang September 2001: Die junge Stripperin April nimmt ihre dreijährige Tochter Franny mit zur Arbeit im Puma Club. Jean, ihre einsame alte Vermieterin mit dem wunderschönen Garten voller Blumen, liebt die Kleine von ganzem Herzen und passt sonst immer auf sie auf, doch heute ist sie wegen einer Panikattacke im Krankenhaus. In dieser Nacht hat April einen ungewöhnlichen Kunden: Bassam, einen jungen Araber, der gleichzeitig hasserfüllt und viel zu persönlich scheint und sein vieles Geld mit vollen Händen ausgibt. Ein anderer Mann, AJ, wird aus dem Club geworfen, er ist betrunken, zornig und einsam. Und dann sieht er auf einmal ein weinendes kleines Mädchen allein an der Hintertür des Clubs stehen ... Aus dieser explosiven Mischung entspinnt sich eine atemlose, unerbittliche, leidenschaftliche Geschichte um Sex und Elternliebe, um Ehre und Gewalt. Eine Geschichte von der düsteren Kehrseite der amerikanischen Erfolgsgesellschaft, und ihre realistisch gezeichneten Figuren kommen uns zum Greifen nah. April, Bassam, Jean, AJ und die kleine Franny sind in dieser Nacht durch ein gemeinsames Schicksal verbunden und jede Figur erzählt aus ihrer eigenen Sicht dieselbe Geschichte: die Geschichte des Moments, der Amerika und die Welt für immer verändert hat. Die psychologische Spannung, die Tiefe und der Realismus, die Andre Dubus III schon in seinem Bestseller "Haus aus Sand und Nebel" bewiesen hat, machen den Roman zu einer erschütternden und bis zur letzten Sekunde spannenden Erzählung über das Dunkle und Schmerzvolle im menschlichen Herzen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Spannend wie das Leben selbst findet Reinhard Helling den Roman von Andre Dubus III. Das bedeutet zum einen, dass das Buch "stellenweise journalistisch" geraten ist und der Autor zwar mit intensiver Recherche, doch sprachlich vielleicht ein wenig zu realistisch-knapp zu Werke geht. Zum anderen aber wird der Text so zu einem echten "page-turner" und zieht den Rezensenten hinein in den Spätsommer 2001 (9/11, genau!), in eine schicksalhafte Verstrickung einer Handvoll Menschen (darunter ein Dschihadist) in Florida, allesamt höchst plastisch geformt, wie Helling betont, samt ihrer Pläne, Träume und Ängste.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2010Noch ein Roman über die beiden Türme aus Sand und Nebel
Gespür für die Unterströmungen des Lebens: Andre Dubus III hat einen literarisch anspruchslosen, dafür aber spannenden Roman über den 11. September geschrieben.
Die Zeitangabe "Spätsommer 2001" im ersten Kapitel lässt bei amerikanischen Autoren bereits ahnen, dass die Reise Richtung einstürzende Zwillingstürme geht. Das ist auch bei dem Roman "Der Garten der letzten Tage" von Andre Dubus III so, geschieht allerdings untergründiger, als man es aus Jonathan Safran Foers' "Extrem laut und unglaublich nah" (deutsch 2005) oder Don DeLillos "Falling Man" (deutsch 2007) kennt, den beiden 9/11-Romanen, die dem Desaster bisher am nächsten gekommen sind.
Dubus' dicker, sieben Jahre nach dem weltverändernden Tag publizierter und jetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann gradlinig übersetzter Roman berührt den Ort des grausigen Geschehens erst auf den letzten 25 Seiten - und das auch nur schemenhaft. Auf den 575 Seiten davor führt uns der Autor eine schicksalhafte Verstrickung von fünf Menschen in Sarasota, Florida, vor - plastisch ausgemalt und in jede Figur mit großem Einfühlungsvermögen versenkt. Dafür nimmt er sich Zeit, leuchtet ihre Hintergründe aus und macht uns mit ihrem Vorleben und ihren Plänen, ihren Träumen und Ängsten vertraut. Eine intellektuelle Analyse strebt er nicht an; dafür beschreibt er die Menschen und die Dinge ihres Alltags mit staunenswerter Anschaulichkeit.
Andre Dubus III genießt bei uns längst nicht die Bekanntheit, die er verdient hätte. Spätestens als in Hollywood 2003 die Oscars vergeben wurden, hätte er groß rauskommen können. Doch mit der Verfilmung des Romans "House of Sand and Fog" von 1999, das ein Jahr später auf Deutsch unter dem Titel "Haus aus Sand und Nebel" erschien, profilierte sich neben Ben Kinsley als iranischer General und Jennifer Connelly als seine amerikanische Gegenspielerin eher Vadim Perelman, der hier erstmals als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent wirkte.
Man kann nicht einmal sagen, dass Dubus III im Schatten seines Vaters, des Südstaatenautors Andre Dubus (1936 bis 1999), steht, da sich auch dessen Name lediglich Eingeweihte zuraunen. 1989 war der Sohn mit dem Band "The Cage Keeper and Other Stories" in die Fußstapfen des Vaters getreten. Die zur Unterscheidung dem Namen hinzugefügten drei Numerierungsstriche haben nicht viel genützt - zumindest nicht beim deutschen Amazon-Ableger. Dort werden alle Dubus-Bücher wild durcheinandergeworfen, wobei natürlich etwas gemein ist, dass ein Erzählungsband des Vaters den deutschen Titel "Tanz zu später Stunde" trägt und das Debüt des Sohns "Der letzte Tanz" heißt.
Sein Gespür für die Unterströmungen des Lebens hatte sich der heute in Massachusetts lebende Vater von drei Kindern zuvor mit der ganzen Palette an Jobs erworben, die unweigerlich den Kontakt zu den Benachteiligten der Gesellschaft mit sich bringt: Privatdetektiv, Barkeeper, Bewährungshelfer, Raumpfleger. Das Schreiben, erklärte er kürzlich, habe ihn davor bewahrt, selbst auf die schiefe Bahn zu geraten. "Sicherlich säße ich sonst wegen Mord im Gefängnis oder wäre tot." Den 11. September, zu dem der 1959 geborene Autor schon deshalb eine besondere Beziehung hat, weil es sein Geburtstag ist, bringt er in seinem aktuellen Roman mit dem Auftritt von Bassam al-Jizani ins Spiel, einem jungen arabischen Dschihad-Kämpfer, der sich im "Puma Club" von der Stripperin April Connors die letzten irdischen Vergnügen erkauft, bevor er sich auf den Weg gen Jannah, ins islamische Paradies, macht. Unverkennbar waren für Bassam und seine terroristischen Mitstreiter die echten Flugzeugentführer aus der saudi-arabischen Provinz Asir das Vorbild. Wie Mohammed Atta nahmen sie in Florida Flugstunden, um später ihren teuflischen Plan zu realisieren.
Ausgelöst wird die verwickelte, bis zum Ende zwingend erzählte Geschichte ganz profan - durch das Verschwinden von Aprils dreijähriger Tochter Franny, die selbst nicht groß zu Wort kommt. Das liegt natürlich an ihrem Alter, hat aber auch mit der Situation zu tun, in die sie gerät: Franny wacht mitten in der Nacht allein in einer Kammer auf, die nicht ihre gewohnte Umgebung ist, und macht sich in ihrem rosafarbenen Pyjama auf die Suche nach ihrer Mutter. Plötzlich steht sie im Freien unter einer einsamen Glühbirne. Dort sieht sie der Bauarbeiter Alan James Carey, der kurz zuvor aus dem Nachtclub geworfen wurde - und nimmt sich des Mädchens an. Als die alleinerziehende Mutter reichlich alkoholisiert, dafür mit einem Batzen Terrorgeld in der Hand Frannys Verschwinden bemerkt, macht sie sich Vorhaltungen. Klar, wie kann man auch ein kleines Kind nur in so einen Club mitnehmen?
Aber auch die anderen Personen machen sich Vorwürfe: Aprils verwitwete Vermieterin Jean Hanson, weil sie sich ausgerechnet an diesem Abend nicht um Franny kümmern konnte, wie sie es in letzter Zeit getan hat, und der Raußschmeißer Lonnie Pike, weil er nicht nach dem Mädchen geschaut hatte, obwohl April, in die er verliebt ist, ihn darum gebeten hatte.
Am härtesten aber geht der bald als Kindesentführer gesuchte Alan James Carey, genannt AJ, mit sich ins Gericht, wobei er gleich mehrere gedankliche Baustellen hat. Da ist einmal das Mädchen: Er weiß nicht, was er mit Franny machen soll. In den Club kann er sie nicht bringen, nach Hause darf er nicht, weil ein Gericht ihm jeden Kontakt zu seiner Familie untersagt hat. Also fährt AJ Franny in seinem Auto durch die Nacht und kümmert sich liebevoll um sie. Dabei beschäftigt ihn unentwegt die Frage, wie er seinem Chef den gebrochenen Arm erklären soll. AJ ist eindeutig die stärkste Figur in diesem Buch. Seine zahlreichen Konflikte sind in jedem Moment nachvollziehbar, und man drückt ihm sogar die Daumen für sein Vorhaben, den Armbruch am nächsten Morgen als Unfall mit dem Bagger darzustellen, um wenigstens ein wenig Gewinn aus seinem ganzen Dilemma zu ziehen.
Wer Bücher gern mit einem Stift in der Hand liest, um besonders gelungene Sätze zu unterstreichen, kann ihn diesmal getrost steckenlassen. Sprachlich macht Dubus III keine Experimente. Seine Sätze sind meist kurz, die Dialoge knapp, die Beschreibungen realistisch. Sie fußen aber auf einer intensiven Recherche sowohl der materiellen Welt von April und AJ als auch der geistigen Welt des Terroristen. Außerdem nimmt die Geschichte so schnell Fahrt auf, dass man als Leser genug mit der Zügelung der Spannung zu tun hat, da der Autor Augen und Ohren im Wechsel je einer anderen Figur leiht, womit automatisch der Fortgang von vier Handlungssträngen offen ist. Das zwingt zum zügigen Umblättern.
Etliche Kritiker in Amerika haben sich an der Darstellung von Bassam gestört, so auch Dubus' Kollege Jay McInerney, der in seiner Rezension für die "New York Times" forderte: "Als Journalist braucht man nur zu erzählen, was sich zugetragen hat, doch Literatur befasst sich mit erdachten Geschehnissen und hat eine höhere Wahrheitsschwelle." Ob ihm selbst dies in seinem Roman "Das gute Leben" gelungen ist, sei dahingestellt. Der Brite Alain de Botton jedenfalls hatte McInerneys 9/11-Versuch mit den freundlich gemeinten Worte kommentiert: "Er macht, was ein guter Romancier machen sollte: Er nimmt eine abstrakte Idee und haucht ihr Leben ein." Diesen Umweg hat Dubus III nicht nötig. Seine Geschichte basiert nicht auf Thesen, sondern taucht direkt ins Leben ein. Vielleicht ist das stellenweise ein bisschen journalistisch geraten. Dafür liest es sich gut. Auf jeden Fall ist dieser Roman in dem Sinne spannend, wie es das Leben ist.
REINHARD HELLING
Andre Dubus III: "Der Garten der letzten Tage". Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag C.H. Beck, München 2009. 600 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gespür für die Unterströmungen des Lebens: Andre Dubus III hat einen literarisch anspruchslosen, dafür aber spannenden Roman über den 11. September geschrieben.
Die Zeitangabe "Spätsommer 2001" im ersten Kapitel lässt bei amerikanischen Autoren bereits ahnen, dass die Reise Richtung einstürzende Zwillingstürme geht. Das ist auch bei dem Roman "Der Garten der letzten Tage" von Andre Dubus III so, geschieht allerdings untergründiger, als man es aus Jonathan Safran Foers' "Extrem laut und unglaublich nah" (deutsch 2005) oder Don DeLillos "Falling Man" (deutsch 2007) kennt, den beiden 9/11-Romanen, die dem Desaster bisher am nächsten gekommen sind.
Dubus' dicker, sieben Jahre nach dem weltverändernden Tag publizierter und jetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann gradlinig übersetzter Roman berührt den Ort des grausigen Geschehens erst auf den letzten 25 Seiten - und das auch nur schemenhaft. Auf den 575 Seiten davor führt uns der Autor eine schicksalhafte Verstrickung von fünf Menschen in Sarasota, Florida, vor - plastisch ausgemalt und in jede Figur mit großem Einfühlungsvermögen versenkt. Dafür nimmt er sich Zeit, leuchtet ihre Hintergründe aus und macht uns mit ihrem Vorleben und ihren Plänen, ihren Träumen und Ängsten vertraut. Eine intellektuelle Analyse strebt er nicht an; dafür beschreibt er die Menschen und die Dinge ihres Alltags mit staunenswerter Anschaulichkeit.
Andre Dubus III genießt bei uns längst nicht die Bekanntheit, die er verdient hätte. Spätestens als in Hollywood 2003 die Oscars vergeben wurden, hätte er groß rauskommen können. Doch mit der Verfilmung des Romans "House of Sand and Fog" von 1999, das ein Jahr später auf Deutsch unter dem Titel "Haus aus Sand und Nebel" erschien, profilierte sich neben Ben Kinsley als iranischer General und Jennifer Connelly als seine amerikanische Gegenspielerin eher Vadim Perelman, der hier erstmals als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent wirkte.
Man kann nicht einmal sagen, dass Dubus III im Schatten seines Vaters, des Südstaatenautors Andre Dubus (1936 bis 1999), steht, da sich auch dessen Name lediglich Eingeweihte zuraunen. 1989 war der Sohn mit dem Band "The Cage Keeper and Other Stories" in die Fußstapfen des Vaters getreten. Die zur Unterscheidung dem Namen hinzugefügten drei Numerierungsstriche haben nicht viel genützt - zumindest nicht beim deutschen Amazon-Ableger. Dort werden alle Dubus-Bücher wild durcheinandergeworfen, wobei natürlich etwas gemein ist, dass ein Erzählungsband des Vaters den deutschen Titel "Tanz zu später Stunde" trägt und das Debüt des Sohns "Der letzte Tanz" heißt.
Sein Gespür für die Unterströmungen des Lebens hatte sich der heute in Massachusetts lebende Vater von drei Kindern zuvor mit der ganzen Palette an Jobs erworben, die unweigerlich den Kontakt zu den Benachteiligten der Gesellschaft mit sich bringt: Privatdetektiv, Barkeeper, Bewährungshelfer, Raumpfleger. Das Schreiben, erklärte er kürzlich, habe ihn davor bewahrt, selbst auf die schiefe Bahn zu geraten. "Sicherlich säße ich sonst wegen Mord im Gefängnis oder wäre tot." Den 11. September, zu dem der 1959 geborene Autor schon deshalb eine besondere Beziehung hat, weil es sein Geburtstag ist, bringt er in seinem aktuellen Roman mit dem Auftritt von Bassam al-Jizani ins Spiel, einem jungen arabischen Dschihad-Kämpfer, der sich im "Puma Club" von der Stripperin April Connors die letzten irdischen Vergnügen erkauft, bevor er sich auf den Weg gen Jannah, ins islamische Paradies, macht. Unverkennbar waren für Bassam und seine terroristischen Mitstreiter die echten Flugzeugentführer aus der saudi-arabischen Provinz Asir das Vorbild. Wie Mohammed Atta nahmen sie in Florida Flugstunden, um später ihren teuflischen Plan zu realisieren.
Ausgelöst wird die verwickelte, bis zum Ende zwingend erzählte Geschichte ganz profan - durch das Verschwinden von Aprils dreijähriger Tochter Franny, die selbst nicht groß zu Wort kommt. Das liegt natürlich an ihrem Alter, hat aber auch mit der Situation zu tun, in die sie gerät: Franny wacht mitten in der Nacht allein in einer Kammer auf, die nicht ihre gewohnte Umgebung ist, und macht sich in ihrem rosafarbenen Pyjama auf die Suche nach ihrer Mutter. Plötzlich steht sie im Freien unter einer einsamen Glühbirne. Dort sieht sie der Bauarbeiter Alan James Carey, der kurz zuvor aus dem Nachtclub geworfen wurde - und nimmt sich des Mädchens an. Als die alleinerziehende Mutter reichlich alkoholisiert, dafür mit einem Batzen Terrorgeld in der Hand Frannys Verschwinden bemerkt, macht sie sich Vorhaltungen. Klar, wie kann man auch ein kleines Kind nur in so einen Club mitnehmen?
Aber auch die anderen Personen machen sich Vorwürfe: Aprils verwitwete Vermieterin Jean Hanson, weil sie sich ausgerechnet an diesem Abend nicht um Franny kümmern konnte, wie sie es in letzter Zeit getan hat, und der Raußschmeißer Lonnie Pike, weil er nicht nach dem Mädchen geschaut hatte, obwohl April, in die er verliebt ist, ihn darum gebeten hatte.
Am härtesten aber geht der bald als Kindesentführer gesuchte Alan James Carey, genannt AJ, mit sich ins Gericht, wobei er gleich mehrere gedankliche Baustellen hat. Da ist einmal das Mädchen: Er weiß nicht, was er mit Franny machen soll. In den Club kann er sie nicht bringen, nach Hause darf er nicht, weil ein Gericht ihm jeden Kontakt zu seiner Familie untersagt hat. Also fährt AJ Franny in seinem Auto durch die Nacht und kümmert sich liebevoll um sie. Dabei beschäftigt ihn unentwegt die Frage, wie er seinem Chef den gebrochenen Arm erklären soll. AJ ist eindeutig die stärkste Figur in diesem Buch. Seine zahlreichen Konflikte sind in jedem Moment nachvollziehbar, und man drückt ihm sogar die Daumen für sein Vorhaben, den Armbruch am nächsten Morgen als Unfall mit dem Bagger darzustellen, um wenigstens ein wenig Gewinn aus seinem ganzen Dilemma zu ziehen.
Wer Bücher gern mit einem Stift in der Hand liest, um besonders gelungene Sätze zu unterstreichen, kann ihn diesmal getrost steckenlassen. Sprachlich macht Dubus III keine Experimente. Seine Sätze sind meist kurz, die Dialoge knapp, die Beschreibungen realistisch. Sie fußen aber auf einer intensiven Recherche sowohl der materiellen Welt von April und AJ als auch der geistigen Welt des Terroristen. Außerdem nimmt die Geschichte so schnell Fahrt auf, dass man als Leser genug mit der Zügelung der Spannung zu tun hat, da der Autor Augen und Ohren im Wechsel je einer anderen Figur leiht, womit automatisch der Fortgang von vier Handlungssträngen offen ist. Das zwingt zum zügigen Umblättern.
Etliche Kritiker in Amerika haben sich an der Darstellung von Bassam gestört, so auch Dubus' Kollege Jay McInerney, der in seiner Rezension für die "New York Times" forderte: "Als Journalist braucht man nur zu erzählen, was sich zugetragen hat, doch Literatur befasst sich mit erdachten Geschehnissen und hat eine höhere Wahrheitsschwelle." Ob ihm selbst dies in seinem Roman "Das gute Leben" gelungen ist, sei dahingestellt. Der Brite Alain de Botton jedenfalls hatte McInerneys 9/11-Versuch mit den freundlich gemeinten Worte kommentiert: "Er macht, was ein guter Romancier machen sollte: Er nimmt eine abstrakte Idee und haucht ihr Leben ein." Diesen Umweg hat Dubus III nicht nötig. Seine Geschichte basiert nicht auf Thesen, sondern taucht direkt ins Leben ein. Vielleicht ist das stellenweise ein bisschen journalistisch geraten. Dafür liest es sich gut. Auf jeden Fall ist dieser Roman in dem Sinne spannend, wie es das Leben ist.
REINHARD HELLING
Andre Dubus III: "Der Garten der letzten Tage". Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag C.H. Beck, München 2009. 600 S., geb., 24,90 [Euro].
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