Buch mit unhaltbarer These
Widerlegung einer Hauptthese des Buches „Der gefälschte Paulus“ von Hermann Detering
Das Buch hat zwei Hauptthesen. Die Erste steht auf Seite 110: „Mir wurde beim Lesen der entscheidenden Abschnitte aus der Antiqua mater augenblicklich klar, was mir schon lange hätte
klar sein müssen: Es gab für das Verfasserproblem der paulinischen Briefe überhaupt nur eine Lösung…mehrBuch mit unhaltbarer These
Widerlegung einer Hauptthese des Buches „Der gefälschte Paulus“ von Hermann Detering
Das Buch hat zwei Hauptthesen. Die Erste steht auf Seite 110: „Mir wurde beim Lesen der entscheidenden Abschnitte aus der Antiqua mater augenblicklich klar, was mir schon lange hätte klar sein müssen: Es gab für das Verfasserproblem der paulinischen Briefe überhaupt nur eine Lösung und die lautete: Marcion!“ D. h. der im zweiten Jahrhundert lebende Häretiker Marcion soll der Verfasser der von ihm zusammengestellten zehn Paulusbriefe gewesen sein.
Die zweite Hauptthese steht auf Seite 123: „Einen entscheidenden Schritt weiter als Hilgenfeld und der in ähnlichen Spuren wandelnde Harnack ging dann allerdings noch der holländische Neutestamentler W.C. van Manen, der zum ersten Mal anhand einer gründlichen text- und literarkritischen Untersuchung des Galaterbriefs den Versuch unternahm, ernsthaft die Möglichkeit zu überprüfen, ob nicht die katholische Kirche die Paulusbriefe tendenziös überarbeitet haben könnte und somit die kürzere marcionitische Fassung die ursprünglichere sei. Das Ergebnis seiner Untersuchungen bestätigt diese Vermutung im großen und ganzen recht eindrucksvoll.“ D. h. die katholische Kirche soll die marcionitischen Paulusbriefe überarbeitet haben, wodurch die kanonischen Paulusbriefe, wie sie in der Bibel stehen, entstanden.
Die erste dieser beiden Thesen ist unhaltbar.
Wer Marcion war, kann man der Einleitung einer deutschen Übersetzung von Tertullians „Adversus Marcionem“ („Gegen Markion“) von Volker Lukas entnehmen. Marcion wurde um 85 in der römischen Provinz Pontus vermutlich in Sinope geboren. Er wurde als Schiffsreeder sehr reich. Im Jahr 144 vollzieht sich Marcions Bruch mit der katholischen Gemeinde. Bereits um 150 wusste Justin der Märtyrer von dem großen Erfolg der markionitischen Kirche zu berichten. Marcion starb um 160. Marcion glaubte an die Existenz von zwei Göttern und schied den Schöpfergott, der die Welt erschaffen und das jüdische Gesetz geschaffen hatte, von dem anderen Gott, der in einem höheren Himmel wohnte und seinen Sohn Jesus Christus zur Erlösung der Menschheit gesandt hatte. Der Schöpfergott war nach Marcion auf die Einhaltung kleinlicher Gesetze bedacht sowie grausam und unbeständig und eifersüchtig. Der andere Gott war dagegen frei von jeder Unbeständigkeit und rächender Strafgesinnung. Der andere Gott war nur gut. Der Schöpfergott war böse, da er nach Jesaja 45,7 als Urheber alles Bösen ausgewiesen werde. Der Christus des alttestamentlichen Gottes hätte alle Züge seines Gottes zeigen müssen, sei also noch nicht gekommen. Stattdessen habe der milde Jesus von Nazareth den rein guten Gott offenbart. Von den Mächten des Schöpfers sei er schließlich gekreuzigt worden, wodurch die Menschheit von dem Schöpfergott erlöst wurde. Marcion veröffentlichte sogenannte Antithesen, in denen er den Gegensatz zwischen dem Gesetz des Schöpfergottes und dem Evangelium von Jesus Christus herausstellte. Diese Antithesen sind verloren gegangen. Außerdem veröffentlichte Marcion ein eigenes Evangelium und eine Sammlung von zehn Paulusbriefen, die kürzer sind als die entsprechenden Paulusbriefe in der Bibel.
Der katholische Schriftsteller Tertullian veröffentlichte um 207 das Werk „Adversus Marcionem“ („Gegen Markion“), das aus fünf Büchern bestand. In dem fünften Buch widmet sich Tertullian den Paulusbriefen des Marcion. Ich habe eine deutsche Übersetzung dieses Werkes von Volker Lukas gelesen.
Gegenbeispiele gegen Deterings erste These lassen sich aus den Abschnitten (5,4,12), (5,5,5), (5,5,10), (5,7,9), (5,7,10+11), (5,8,10), (5,10,2-5), (5,10,7+8), (5,10,16), (5,11,14+15), (5,13,4), (5,13,13+14), (5,15,1), (5,16,2), (5,17,1+2), (5,17,12+13), (5,18,5), (5,19,9) des fünften Buches von Tertullians „Adversus Marcionem“ gewinnen.
Diese Beispiele lassen sich so zusammenfassen: Liest man das fünfte Buch von Tertullians „Adversus Marcionem“ („Gegen Markion“), so ergeben sich die folgenden Schlussfolgerungen: Tertullian weist mit Hilfe von Marcions Paulusbriefen nach, dass Paulus den Christus des Schöpfergottes predigt und nicht den Christus des ‚anderen‘ Gottes Marcions. Dass Tertullian dies möglich war, liegt nur daran, dass Marcion diese zehn Paulusbriefe nicht selber geschrieben hatte. Wenn Marcion die Paulusbriefe selber geschrieben hätte, so stünde in den Paulusbriefen ein Dutzend mal, dass Jesus Christus von einem anderen Gott als dem, der die Welt geschaffen hat, gesandt wurde. Tertullian hätte das fünfte Buch von seinem „Adversus Marcionem“ gar nicht schreiben können. In den Paulusbriefen wird aus dem Alten Testament zitiert, um Meinungen zu bestätigen und Analogien zu ziehen. Das hätte Marcion, wenn er die Paulusbriefe selbst geschrieben hätte, nicht getan. Deterings These, dass Marcion oder einer seiner Anhänger die Paulusbriefe selbst geschrieben habe, ist ganz sicher falsch.
Ich empfehle, das Machwerk „Der gefälschte Paulus“ von Hermann Detering nicht zu kaufen.