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Ein berühmter Opernsänger, der »Löwe von Neapel«, studiert in Madrid den »Otello« von Verdi ein. Und dabei erinnert er sich an eine Geschichte, die vor vier Jahren passiert ist. Ihre Protagonisten sind die geheimnisvolle, schwermütige Natalia Manur; ihr Ehemann, der Banker Manur; der durch nichts zu erschütternde, beflissene Dato, ein Begleiter von Berufswegen. In ihrem Dunstkreis bewegen sich einige weitere Personen: eine hastige Hure, eine abgetakelte Opernsängerin, ein skrupulöser Witwer, eine alte Liebe. Es ist die Geschichte einer Leidenschaft, die bis zum Äußersten getrieben wird; die…mehr

Produktbeschreibung
Ein berühmter Opernsänger, der »Löwe von Neapel«, studiert in Madrid den »Otello« von Verdi ein. Und dabei erinnert er sich an eine Geschichte, die vor vier Jahren passiert ist. Ihre Protagonisten sind die geheimnisvolle, schwermütige Natalia Manur; ihr Ehemann, der Banker Manur; der durch nichts zu erschütternde, beflissene Dato, ein Begleiter von Berufswegen. In ihrem Dunstkreis bewegen sich einige weitere Personen: eine hastige Hure, eine abgetakelte Opernsängerin, ein skrupulöser Witwer, eine alte Liebe.
Es ist die Geschichte einer Leidenschaft, die bis zum Äußersten getrieben wird; die Geschichte eines Gefühlsmenschen, der ein Künstler oder ein Philosoph zu sein scheint, im Gegenteil jedoch ein Mann der Tat ist.
In diesem Roman einer flammenden Liebeserklärung spart der Erzähler nicht mit Ironie und sanftem Spott über seine Helden, die er aber dennoch ernst nimmt, während der Erzählrhythmus sich bis zum unerwarteten Schluß mehr und mehr steigert.
Autorenporträt
Javier Marias, 1951 in Madrid geboren, ist einer der bedeutentsten und der am meisten übersetzte Gegenwartsautor Spaniens. Seit seinem Welterfolg "Mein Herz so weiß" ist er mit zahlreichen international wichtigen Preisen ausgezeichnet worden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.05.2003

Löwe aus Neapel trifft melancholische Spanierin
Fast eine Liebesgeschichte: Javier Marías’ früher Roman „Der Gefühlsmensch”
Die Frau hat ihr langes, kastanienbraunes Haar mit Absicht nach vorne geworfen. Es schützt ihr Gesicht und den leichten Eisenbahnschlaf vor Licht und Blicken. Daneben zwei Männer: Der eine „ein Potentat, ein Ehrgeizling, ein Politiker”, mit „einem jener Köpfe, deren bloße Betrachtung jeden innerlich beunruhigt, der noch einen nicht freigeräumten Weg vor sich hat”. Der andere zeigt sich nur im Profil, man sieht seine krausen Locken, seine auffallend kleinen, „wie aus dem siebzehnten Jahrhundert” stammenden Hände. Die drei gehören, wie der Beobachter und Ich-Erzähler erst später merken wird, zusammen, und er selber ist der vierte in dem Kammerspiel, das Javier Marías in seinem Roman „Der Gefühlsmensch” präsentiert.
Welcher der drei Männer ist der Titelheld? Der Ich-Erzähler kaum. Er beansprucht zwar den meisten Platz, mindestens die Hälfte des Buches erzählt er von sich selbst, dieser egomane, ebenso eitle wie gescheite Operntenor, der sich seinen Markennamen „Löwe von Neapel” in Italien verdient hat, aber aus Madrid kommt, wo er den Cassio in Verdis „Otello” spielen soll. Aber ob er Gefühle hat, weiß man nicht genau. Er macht einen eher kalten Eindruck, auch wenn er seine Einsamkeit auf Konzertreisen schildert.
Das Stilleben der Figurenkonstellation im Zug wird rasch in Bewegung gebracht und erläuert: Der Löwe von Neapel trifft den Mann mit den Händen aus dem 17. Jahrhundert in der Madrider Hotelbar wieder. Dato ist der Begleiter des Ehepaars Manur. Manur ist ein mächtiger belgischer Geschäftsmann, Natalia seine Frau, eine Spanierin, die melancholisch ist und deshalb einen Begleiter braucht. Marías spielt geschickt mit dieser Konstellation. Gleich gegen Ende des ersten Kapitels verrät der Tenor, dass er in einigen Tagen mit Natalia in einem schäbigen Hotelzimmer landen wird. Die Umstände aber, die dahin führen, werden erst gegen Ende des Buchs geklärt.
Die Originalität des Kopisten
Die Dreierbeziehung ist ein sehr traditionsreiches Thema. Auch Dato, ein wechselnd loyaler Mann, auf den keiner so richtig zählen kann, ist eine klassische Mittler-Figur. Aber auf Originalität im Stoff zu rechnen, war bei Marías schon immer ein Fehler. Er ist, wenn man so will, die Sorte mittelalterlicher Mönch, dem beim Abschreiben der Handschriften fad wird und der sie nach anfänglichen, an den Rand gekritzelten Kommentaren zu verändern beginnt.
Eine Spezialität des Gefühlsmenschen ist etwa die Erzählsituation, in die sich der Tenor stellt, der die Zeit zwischen Schlaf und Aufstehen, in welcher der Traum der vergangenen Nacht ein kurzes Tag-Gastspiel gibt, ausdehnt, um den Traum nicht abbrechen zu lassen, in dem er sich an eine Situation vor vier Jahren erinnert, eben jene zwischen Natalia, Manur, Dato und sich selber. Aus den knappen Sekunden der Traumerinnerung wird auf diese Weise der Roman.
Eine Variante des abendländischen Liebeserzählrepertoires ist auch, dass gleich beide der „neuen” Liebenden der Dreierbeziehung von Leidenschaft frei erscheinen. Der Löwe von Neapel wartet ziemlich schläfrig auf seine Chance, von Natalia erfährt man nicht eine Innensicht, und äußerlich hält sie sich an die Spielregel, die ihr Leben mit Manur in den letzten Jahren bestimmt hat. Diese Spielregel ist sehr unbeweglich, sozusagen vormodern, denn Manur hat Natalia „gekauft”; er hat sie nach Zahlungen an Natalias in Geldsorgen befindlichen Vater und Bruder als Entgelt erhalten. Natalía hatte, nicht begeistert, eingewilligt. Manur wiederum hat auf ihre allmählich wachsende Liebe gehofft, denn natürlich ist der kühle Käufer der eigentliche Gefühlsmensch, allerdings vergeblich.
Grandios jedoch, wie Manur reagiert, nachdem der Tenor unbedacht Natalia um zwei Uhr morgens angerufen und aufgelegt hat, als Manur abnahm. Noch vor dem Frühstück, noch vor jeder handfesten Liebesgeschichte, erscheint Manur auf dem Zimmer des Tenors, erklärt ihm Lage und Spielregel, er solle sich künftig aus seinem Leben scheren, er habe die Situation schon mehrmals auf diese Weise aufklären müssen; Manur wirkt selbstsicher in seiner besitzverteidigenden Erregung. Und wieder verliert er, denn Natalia scheint diesmal wirklich entschlossen. Dato wechselt endgültig die Loyalität und bittet den Tenor, in Natalias Auftrag, zu einem Rendezvous im schäbigen Hotel gegenüber, dem nächst gelegenen Ort.
Der die Handlung abschließende, eigentliche genialische Schlusspunkt des Buchs, das im Bewusstsein des Tenors ständig zwischen der Gegenwart, der Erinnerung an den Traum, dem Traum und der Zeit damals changiert, ist jedoch die Tatsache, die der Leser auf den letzten Seiten erfährt: Dass Natalia den Tenor, nach vierjährigem Zusammenleben, vielleicht gerade verlassen hat, denn heute morgen hat sie den Koffer gepackt, mit dem sie vor vier Jahren im schäbigen Hotel erschienen ist.
Marías vermeidet jede Ehezustandsbeschreibung, er ist nur am Moment des Übergangs interessiert. In seinem Epilog schreibt er, es gehe hier um eine „Liebesgeschichte, in der die Liebesgeschichte weder sichtbar ist, noch lebt, sondern angekündigt und erinnert wird”. Doch das entscheidendere Wort ist mit Sicherheit das Wort „vielleicht”. Denn ob alles, was da erinnert, geträumt und vorgeahnt wird, jemals stattgefunden hat, kann keiner wissen. Und es spricht für Marías, dass man dies alles hier darstellen kann, ohne dem Leser zu viel zu verraten.
„Der Gefühlsmensch” (El hombre sentimental) ist im spanischen Original 1986 erschienen, deutsch 1992 bei Piper, noch vor den später weltberühmten Romanen. Aber hier ist, in höchster Konzentration, schon alles da, was Marías bekannt gemacht hat, und es ist gut, dass man es wieder lesen kann.
HANS-
PETER KUNISCH
JAVIER MARÍAS: Der Gefühlsmensch. Roman. Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 188 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Theorie der Liebe
Warum ist dieser Roman noch nicht früher erschienen? Entstanden ist er im Jahr 1986. Und warum ergänzt ihn Javier Marias, der große spanische Zauberer, mit zwei Epilogen? Vielleicht, weil der Roman trotz seiner Vielschichtigkeit eher handlungsarm ist, weil es sich hier eigentlich um die belletristische Form einer Theorie der Liebe handelt, die Marias uns hier in seinem perfekten hochliterarischen Stil zu vermitteln versucht? Zu anspruchsvoll, um von einem Unbekannten, der er damals ja noch weitgehend war, wahrgenommen zu werden? Egal, wir können ihn nun jedenfalls lesen, den nächsten Geniestreich Javier Marias.
Dreierbeziehung
Wieder einmal geht es um eine Dreierbeziehung. Im Mittelpunkt steht die schöne Natalia. Auf einer seiner Reisen, die der Ich-Erzähler beruflich unternehmen muss - er ist Opernsänger - wird er auf sie aufmerksam. Sie wird begleitet von ihrem Ehemann und Dato, einer etwas dubiosen Figur. Der Erzähler ist fasziniert von der geheimnisvollen Atmosphäre, die dieses Trio umgibt. Er lernt die drei und ihr Leben kennen. So erfährt auch der Leser mehr von Natalia, ihrem Ehemann und von Dato.
Den Hintergrund der Schilderung dieser von Marias absichtlich nicht sichtbar dargestellten Liebe zwischen drei Menschen bildet das Bewusstsein, dass der Konflikt einer Dreierbeziehung nur durch eine Katastrophe gelöst werden kann. Die Lösung bleibt immer verhängnisvoll. Aber alles ist besser als das Glück zweier auf Kosten des Unglücks des alleine zurückbleibenden. So treibt alles auf ein katastrophisches Ende zu.
Javier Marias bringt durch seinen unbedingt zu lesenden Epilog schließlich noch eine Dimension in die Handlung dieses Romans, der ihm eine fast philosophische Tiefe gibt: Derjenige, der sich in die Liebe verstrickt, kann sich ihr auch wieder entwinden. Derjenige aber, der sie nur antizipiert, sie aber nie lebt, leidet ewig an ihr.
Großer Roman
Der Gefühlsmensch ist ein großer Roman, der an der Schwelle zu Marias großer Schaffensphase entstand. Jener Schaffensphase, der wir Romane wie Mein Herz so weiß oder Morgen in der Schlacht denk an mich verdanken. (Andreas Rötzer)

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein früher Javier Marias, der Hans-Peter Kunisch sehr bewegt hat; "hier ist", schreibt er, "schon alles da, was Marias bekannt gemacht hat, und es ist gut, dass man es wieder lesen kann" - nicht mehr, vor allem aber nicht weniger als das. Man dürfe bei Marias nicht nach originellem Stoff suchen; er sei eher die "Sorte mittelalterlicher Mönch, dem beim Abschreiben der Handschriften fad wird und der sie nach anfänglichen, an den Rand gekritzelten Kommentaren zu verändern beginnt". Hier ist es laut Kunisch die Dreiecksgeschichte von zwei Männern und einer Frau, die variiert werde: ein belgischer Geschäftsmann, seine spanische Frau Natalia und der Ich-Erzähler, ein erfolgreicher Tenor. Der Belgier, zu Beginn noch ein unwahrscheinlicher Kandidat für die Rolle des Titelhelden, stellt sich als der "Gefühlsmensch" heraus, doch Natalia verlässt ihn - und am Ende auch den Tenor, zu dem sie übergewechselt war. Es gehe, schreibt Kunisch, nicht um die gelebten Beziehungen, nicht um eine "Ehezustandsbeschreibung", sondern um den "Moment des Übergangs" von einer Geschichte zur anderen. Und um die Erinnerung, aus der in den Sekunden nach einem morgendlichen, traumschweren Erwachen im Kopf des Erzählers ein ganzer Roman wird. Der jetzt wieder auf Deutsch lieferbar ist.

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