Gleich auf den ersten Seiten erfährt man vom schrecklichen Schicksal der 9jährigen Mary Lennox. Sie ist bei ihren britischen Eltern in Indien aufgewachsen. Doch eines Tages verstarben sowohl die Eltern als auch einige Diener des Haushalts, darunter auch Marys Amme, an der Cholera. Natürlich tut Mary
einem sehr leid, doch Frances H. Burnett gelingt es, ebenfalls gleich auf den ersten Seiten ein…mehrGleich auf den ersten Seiten erfährt man vom schrecklichen Schicksal der 9jährigen Mary Lennox. Sie ist bei ihren britischen Eltern in Indien aufgewachsen. Doch eines Tages verstarben sowohl die Eltern als auch einige Diener des Haushalts, darunter auch Marys Amme, an der Cholera. Natürlich tut Mary einem sehr leid, doch Frances H. Burnett gelingt es, ebenfalls gleich auf den ersten Seiten ein deutliches Bild von der Verzogenheit und Unduldsamkeit des Kindes zu zeichnen. Aufgewachsen in Reichtum und von nachgiebigen Dienern erzogen, ist Mary selbstverliebt und kaum fähig, Mitgefühl für die verstorbenen Eltern zu empfinden. Sie ist eher erbost darüber, dass niemand da ist, der sie anzieht.
Mary wird auf den Landsitz ihres ebenfalls reichen Onkels nach England gebracht und muss feststellen, dass dieser Verwandte sich nicht allzu viel aus ihr macht. Die Haushälterin erbarmt sich ihrer und versucht, Mary grundlegende Regeln beizubringen, z.B. dass sich ein neunjähriges Mädchen durchaus selbst anziehen kann. Doch auch die Haushälterin kann dem Mädchen nicht die Familie ersetzen. Und Mary fängt an, das Schloss und die Gegend zu erkunden. Sie entdeckt, dass ihr Cousin Colin mit im Schloss lebt, aber niemand sehen will. Und sie entdeckt einen Garten, dessen Tor verschlossen ist und niemand kann oder will ihr sagen, wo der Schlüssel ist…
Mary gelangt irgendwann aber doch hinein und entdeckt einen wunderschön angelegten, aber verwilderten Garten. Diesen Ort beginnt sie zu lieben. Zu Anfang ist sie nur da, um da zu sein, doch nach und nach entfernt sie das Unkraut, gießt die Pflanzen und fängt an, sich an der Schönheit des Gartens zu freuen. Im Verlauf dieser Zeit erlebt der Leser, wie sich Marys Persönlichkeit verändert. In dem Maß, in dem sie anfängt, für die Pflanzen eine Art Verantwortung zu übernehmen, wächst auch Marys Verständnis für die Menschen um sie herum. Aus dem ichbezogenen Kind wird nach und nach eine liebenswürdige Person, die sich Sorgen um ihren im Rollstuhl sitzenden Cousin macht und Freundschaft mit einem Jungen aus dem Dorf schließt.
Der Garten ist der Dreh- und Angelpunkt dieser zauberhaften Geschichte. Er ist der Schlüssel zur Klärung vieler Fragen: Warum ist der Onkel so mürrisch? Warum sitzt Colin im Rollstuhl? Warum durfte ihn zehn Jahre lang niemand betreten? Am Ende des Buches werden alle diese Fragen beantwortet sein. Da ich großes Vergnügen daran hatte, beim Lesen die Antworten nicht zu kennen, lasse ich sie an dieser Stelle ebenfalls offen.
Ich denke man hört schon heraus, dass dies nicht nur ein Buch für Kinder ist. Natürlich ist der Schreibstil kindgerecht, aber man findet sich schnell in die einfache Erzählweise hinein und ist von der Geschichte gefesselt, dass dies nicht weiter stört.
Die Art, in der Frances H. Burnett den Charakter von Mary herausarbeitet, finde ich sehr bemerkenswert. Und darin liegt meines Erachtens nach auch der Zauber dieser Geschichte: Man erlebt eine großartige Verwandlung eines jungen Menschen mit, vergleichbar mit der Metamorphose einer Raupe zu einem wunderschönen Schmetterling.
Fazit: Ein wunderschönes Buch, nicht nur für Kinder.