Im Herbst 2019 begeisterte ein sensationeller Fund das französische Feuilleton: neun frühe, bislang vollkommen unbekannte Novellen, Skizzen und Erzählungen des jungen Marcel Proust, entstanden lange vor dessen Jahrhundertwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Aufgetaucht waren diese Texte im Nachlass des französischen Verlegers Bernard de Fallois, der in den 50er Jahren über Proust promovieren wollte und dafür Einblick erhielt in Material, das beim Tod des Autors nicht vernichtet worden war. Er gab das Vorhaben auf - und die Texte gerieten in Vergessenheit.
Ein mysteriöser Verehrer entpuppt sich als Verehrerin; ein Hauptmann erinnert sich an eine homoerotische Begegnung, ohne sie als solche zu erkennen; eine gute Fee beschert dem Helden als Ausgleich für Krankheit und Leiden künstlerische Kreativität: Proust stimmt hier sein Instrumentarium für die Abfassung seines großen Romanwerks. Aber warum hat er diese Texte nie veröffentlicht? Hatte er Angst vor dem Skandal, den die bemerkenswert offene Thematisierung von Homosexualität hätte provozieren können, wie der Herausgeber vermutet? Fest steht: in diesen Versuchen steckt bereits die ganze Zukunft von Prousts Jahrhundertepos.
Ein mysteriöser Verehrer entpuppt sich als Verehrerin; ein Hauptmann erinnert sich an eine homoerotische Begegnung, ohne sie als solche zu erkennen; eine gute Fee beschert dem Helden als Ausgleich für Krankheit und Leiden künstlerische Kreativität: Proust stimmt hier sein Instrumentarium für die Abfassung seines großen Romanwerks. Aber warum hat er diese Texte nie veröffentlicht? Hatte er Angst vor dem Skandal, den die bemerkenswert offene Thematisierung von Homosexualität hätte provozieren können, wie der Herausgeber vermutet? Fest steht: in diesen Versuchen steckt bereits die ganze Zukunft von Prousts Jahrhundertepos.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Jochen Schimmang begegnet Proust in dessen früh verfassten, aber erst spät entdeckten Erzählungen einerseits als Snob, andererseits als dem Schriftsteller, der er spätestens mit 25 Jahren, eher schon mit 15 oder sogar im Kindesalter schon gewesen sei, staunt Schimmang. Nicht in den kanonischen Erzählband "Freuden und Tage" geschafft haben es diese Geschichten wohl zum einen, weil das Thema der Homosexualität sonst zu dominant geworden wäre, zum anderen, weil sie den perfektionistischen Ansprüchen des Autos nicht genügt haben mögen, vermutet der Rezensent. Aus den ergänzenden Texten des Literaturprofessors Luc Fraisse, die sich mit Nachlassdokumenten aus der Entstehungszeit der "Recherche" befassen, lernt Schimmang zudem, dass die Grundlagen für Prousts scharfen soziologisch-analytischen Blick bereits früh gelegt wurden, in einer Vorlesung des Soziologen Gabriel Tarde. Insgesamt ein "Eldorado für Proustianer", für Einsteiger aber gänzlich ungeeignet, schließt der Rezensent - diesen empfiehlt er ganz klassisch die "Recherche".
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein Eldorado also für Proustianer.« Jochen Schimmang taz. die tageszeitung 20210711