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Robert Walsers zweiter Roman Robert Walsers zweiter Roman Der Gehülfe wurde 1908 vom Verlag Bruno Cassirer in Berlin verlegt, in dem 1907 bereits Geschwister Tanner erschienen war. Die Kritische Robert Walser-Edition (KWA) dokumentiert erstmals den Textstand des Erstdrucks des Romans, über den Christian Morgenstern, der Lektor des Verlags, urteilt: «Walser gefällt mir ausgezeichnet. [...] Es ist etwas breit gewebt, aber die Muster verblüffen immer wieder durch ihre Feinheit. Eine erstaunliche Zucht und Reife erhebt es künstlerisch weit über die Vorgänger.»Die Entstehungs- und Textgeschichte…mehr

Produktbeschreibung
Robert Walsers zweiter Roman Robert Walsers zweiter Roman Der Gehülfe wurde 1908 vom Verlag Bruno Cassirer in Berlin verlegt, in dem 1907 bereits Geschwister Tanner erschienen war. Die Kritische Robert Walser-Edition (KWA) dokumentiert erstmals den Textstand des Erstdrucks des Romans, über den Christian Morgenstern, der Lektor des Verlags, urteilt: «Walser gefällt mir ausgezeichnet. [...] Es ist etwas breit gewebt, aber die Muster verblüffen immer wieder durch ihre Feinheit. Eine erstaunliche Zucht und Reife erhebt es künstlerisch weit über die Vorgänger.»Die Entstehungs- und Textgeschichte des Romans gibt dabei einige Rätsel auf. Morgenstern lag noch vor dem Erscheinen von Geschwister Tanner, im November 1906, ein neues Manuskript Walsers vor, das in der überlieferten Korrespondenz mit «Gehülfe» betitelt wird, sich aber inhaltlich wesentlich vom vorliegenden Roman unterschieden haben muss. Offenbar wurden also binnen eines Jahres zwei Manuskripte fertiggestellt, wovon aber nur eines zum Druck gelangte. Im Nachwort der KWA wird diese nur lückenhaft zu rekonstruierende Entstehungsgeschichte Des Gehülfen und die dazu erhaltenen Dokumente in Auszügen wiedergegeben. Ein Abriss der frühen Rezeption gibt einen Einblick in die teilweise kontroversen Besprechungen und das breite Echo der Kritik zu Robert Walsers zweitem publizierten Roman. Im philologischen Apparat der Edition wird die Textdifferenz der Buchausgabe gegenüber der Handschrift (KWA IV 2) dargestellt.Die in KWA IV.2 faksimilierte und diplomatisch transkribierte Handschrift ist das einzige erhaltene Romanmanuskript neben demjenigen zu Geschwister Tanner. Die Entstehung des Romans scheint problemlos und rasch vonstatten gegangen zu sein, wie durch Selbstaussagen Walsers gegenüber Carl Seelig und in einem späteren Prosastück nahegelegt wird, worin dem Erzähler «in recht kurzer Zeit ein Roman aus der Feder hervorsproß». Im Vergleich zum ersten Roman weist das Manuskript auch ungleich weniger Bearbeitungsspuren auf. Der gleichmässige und saubere Schriftduktus lassen den Eindruck einer Abschrift entstehen. An den Faksimiles nachvollziehbare handschriftliche Phänomene legen jedoch nahe, dass es sich auch hier um eine Erstniederschrift handelt, die Walser vermutlich in der zweiten Jahreshälfte 1907 angefertigt hat.Auf der beigelegten CD-ROM befindet sich die elektronische Version aller bisher in der KWA edierten Bände, mit Dokumenten und den farbigen Handschriftenfaksimiles. Ausserdem enthält die CD-ROM die fortlaufend aktualisierte Version des Findbuchs, mit dem sämtliche Texte Robert Walsers nach den Archivstandorten, Erstdruckorten und den Abdrucken in den wichtigsten späteren Textausgaben identifiziert werden können.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Der Autor: Robert Walser (1878-1956) zählt als Meister der kleinen Form zu den grossen der Schweizer Autoren. Auf die drei in Berlin entstandene Romane folgten die kürzeren, aber nicht minder eigensinnigen Texte seiner Bieler und Berner Jahre, zuletzt die Selbstvergessenheit des Dichters in der Heil- und Pflegeanstalt Herisau. Die Herausgeber: Dr. des. Christian Walt ist Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Zürich und an der "Kritischen Walser-Ausgabe". Angela Thut, lic. phil., ist ebenfalls Mitarbeiterin am Deutschen Seminar der Universität Zürich und an der "Kritischen Walser-Ausgabe".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.11.2019

Bergfeuer brennen still, aber lang
Hochpräzises Geplauder eines gehorsamen Knechtes: Robert Walsers Roman „Der Gehülfe“ in der „Berner Ausgabe“
Verschwunden war Robert Walsers Werk nie, seit es von den Sechzigerjahren an eine größere Leserschaft fand. Im Gegenteil hat das wachsende Interesse am Werk des Schweizers vieles zu Tage gefördert, das neue Zugänge zu diesem schwer fassbaren Dichter ermöglicht. Nach seinen drei Romanen, die Anerkennung erfuhren, ihm aber wenig Geld einbrachten, verlegte Walser sich vor allem auf das Schreiben kurzer Prosastücke und Feuilletons. Vieles davon ist erst durch die Forschung der letzten Jahre entdeckt worden, ebenso große Teile seiner Korrespondenzen.
Seit einiger Zeit entstehen zwei neue Werkausgaben, zum einen die „Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte“ bei den Verlagen Stroemfeld und Schwabe, zum anderen die „Berner Ausgabe“, die als Leseausgabe für ein breites Publikum gedacht, aber auch mit Kommentaren und Nachworten versehen ist, und die bei Suhrkamp erscheint. Im vergangenen Jahr machten drei Briefbände den Anfang, die etwa zur Hälfte bisher Unveröffentlichtes enthalten und Walser als Bestreiter seiner literarischen und menschlichen Existenz klarer konturieren. Zudem bereichern sie die Lektüre der bekannten Werke, in denen sich das in den Briefen fragmentarisch überlieferte Leben zur Erzählung verdichtet. Mit dem „Gehülfen“ (1908) erscheint in der Berner Ausgabe nun der erste Roman.
Als darin zu Beginn der junge Joseph Marti im Haus Tobler einzieht, um dem Ingenieur bei der Vermarktung seiner Geräte zu helfen, da kennt er das Leben längst. Er weiß, dass er wird Gehorsam leisten müssen. Und bald nach Antritt der Stelle bemerkt er, dass es um das Büro nicht gut bestellt ist: die „Reklame-Uhr“ will sich nicht verkaufen, ebenso wenig der „Schützenautomat“, der Munition für Jäger bereithält, oder der neue „Krankenstuhl“.
Unberührt lässt das Joseph nicht, der sein Schicksal mit dem des Büros verwoben hat, zumal er in der Villa der Familie wohnt und sich auch für die Instandhaltung des Anwesens verantwortlich fühlt, allmählich sogar für die der familiären Ordnung. Bald ist Joseph Marti festgelegt auf diese Rolle und er arbeitet, man würde heute sagen, außerordentlich flexibel, um nicht sagen zu müssen: er besteht einzig aus Bewegungen, die Erwartungen erfüllen. Das ist die Seite des Romans, an der die Erfahrung des gegenwärtigen Lesers anknüpft, weil sie zu allen Zeiten wirkende Folgen von Machtbeziehungen beleuchtet. Walser erkundet die Seele, die sich nur im Recht fühlen kann, wenn es ihr von oben gestattet wird.
Tagein, tagaus nur mit diesem Vorgesetzten zu leben und seinen läppischen Erfindungen, in denen das Leere des Marketings ebenso erscheint wie die Überflüssigkeit vieler Automatisierungen – das ist aber doch zu wenig für ein menschliches Leben. Im Gehülfen kollidiert der Zwang, das freie Denken in den Dienst banaler Rechen- und Schreibaufgaben zu stellen und so aufzuheben, mit dem Drang, sich der eigenen Fantasie zu erfreuen. Robert Walser variiert das wiederkehrende Thema der Zumutungen in einer Tonart, die den Erzähler weit über ihnen schweben lässt. Walsers Erzählen ist auch der Triumph über das Erzählte. Indem er eine Form findet für die Erfahrung, siegt der Gedanke über diese. Er bewahrt sich seine innere Freiheit und in ihr den Stolz.
In Walsers hochpräzisem Geplauder liegt, getragen von Naivität und Ironie, die Überlegenheit dessen, der die Welt durchschaut hat, der er nicht entkommt. Diese verdankt er den Naturerfahrungen. Bei einem Feuerwerk, das die Toblers veranstalten, prallen die Erfahrungswelten aufeinander, als es von Feuern und Hornrufen aus den Bergen unterbrochen wird: „Das war schön, und alles, was Ohren hatte, horchte. Ja wenn die Berge selber zu tönen und zu reden anfangen, muss wohl bald das kleine Gezische und Geknatter der Raketen schweigen. Bergfeuer brennen still aber lang, während der Sprühregen der Nähe emporprasselt, mit recht vielem augenblicklichen Erfolg und Geräusch, aber auch gleich wieder ins Nichts zusammensinkt.“
Die Natur (hier ergänzt durch Menschengemachtes) deckt ihm die Wahrheit über sein Dasein auf: unter den Menschen mag er ein austauschbares Mittel sein – in der Natur aber ist er das von ihr selbst und um seiner Lebendigkeit willen gewollte Leben. Was er in ihr erblickt, ist seine Rechtfertigung. Einmal heißt es: „Also muss man mich mit Demütigungen zur reinen Freude an der Welt Gottes aufpeitschen?“ Zu Seelenlandschaften werden Walsers Naturbeschreibungen, weil es die Natur nur in ihm gibt, als die von ihr hervorgerufene Stimmung. Das heißt, dass er sie ebenso sehr für sich macht, wie er von ihr gemacht wird. Die Allgemeingültigkeit seiner Beschreibungen verdankt sich seiner Hingabe ans Subjektive. Nicht, was sie überhaupt, nur, was sie für ihn ist, könnte die Welt für alle sein. Und ist es.
Der Bankrott der Toblers wird unausweichlich. Als gescheiterter Ingenieur ist der Herr in sehr viel mehr Abhängigkeiten verstrickt als der von ihm abhängige Knecht. Bei aller Geradlinigkeit der Handlung und Unausweichlichkeit dieses Verfalls, ist bei Walser aber viel Raum für Widersprüchlichkeiten im Psychologischen und feine Subtilität im Erotischen; da wird vieles angedeutet und spricht so viel Verschwiegenes, und das alles fließt so dahin bei einem Autor, der auch schreibend noch gestikuliert. Walsers Instinkt ließ ihn den Roman innerhalb von sechs Wochen in einer einzigen Niederschrift hervorbringen. Max Brod traf es gut, als er Walsers Romane „zu den zartesten und konsequentesten Schöpfungen deutscher Erzählkunst“ zählte.
KRISTOF BOTKA
Robert Walser: Der Gehülfe. Berner Ausgabe. Werke Band 6. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 292 Seiten, 28 Euro.
„Das war schön,
und alles, was Ohren
hatte, horchte.“
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