Zum 70sten Geburtstag des Autors: Eine vollständige Sammlung seiner längeren Erzählungen.
Am 1. März 2013 wird Franz Hohler 70 Jahre alt. Zu seinem Geburtstag erscheint eine vollständige Sammlung seiner längeren Erzählungen - ein Muss für alle Bewunderer und Liebhaber Franz Hohlers und seiner einzigartigen Erzählkunst.
Franz Hohler ist keineswegs nur ein Meister der pointierten Kurzprosa, er ist auch der Meister der großen Form, ein herausragender Autor von längeren Erzählungen. Dies hat er von Anfang an mit legendären Erzählungssammlungen unter Beweis gestellt: mit Bänden wie »Der Rand von Ostermundigen « oder »Die Rückeroberung«, »Die Torte« und »Der Stein«. Jeder dieser Erzählbände hat stets von neuem die Herzen eines großen Lesepublikums erobert - und dies mit gutem Grund. Denn immer gelingt Franz Hohler etwas ganz Besonderes: Er lässt unsere Wirklichkeit entgleisen und verschafft so der Phantasie den Platz, den sie zweifellos verdient und den wir ihr viel zu selten einzuräumen bereit sind. In dem vorliegenden Band können erstmals sämtliche langen Erzählungen des Autors in der Reihenfolge ihrer ursprünglichen Veröffentlichung gelesen werden: Das ist ein einzigartiges Lesevergnügen, und es bringt uns den Erzähler Franz Hohler näher, als wir ihm je gekommen sind. Das macht diesen Band zu einem imposanten Zeugnis höchster Erzählkunst aus über vierzig Jahren Schweizer Literatur. Mit diesem Band beginnt eine Ausgabe der Werke Franz Hohlers in lockerer zeitlicher Folge.
Am 1. März 2013 wird Franz Hohler 70 Jahre alt. Zu seinem Geburtstag erscheint eine vollständige Sammlung seiner längeren Erzählungen - ein Muss für alle Bewunderer und Liebhaber Franz Hohlers und seiner einzigartigen Erzählkunst.
Franz Hohler ist keineswegs nur ein Meister der pointierten Kurzprosa, er ist auch der Meister der großen Form, ein herausragender Autor von längeren Erzählungen. Dies hat er von Anfang an mit legendären Erzählungssammlungen unter Beweis gestellt: mit Bänden wie »Der Rand von Ostermundigen « oder »Die Rückeroberung«, »Die Torte« und »Der Stein«. Jeder dieser Erzählbände hat stets von neuem die Herzen eines großen Lesepublikums erobert - und dies mit gutem Grund. Denn immer gelingt Franz Hohler etwas ganz Besonderes: Er lässt unsere Wirklichkeit entgleisen und verschafft so der Phantasie den Platz, den sie zweifellos verdient und den wir ihr viel zu selten einzuräumen bereit sind. In dem vorliegenden Band können erstmals sämtliche langen Erzählungen des Autors in der Reihenfolge ihrer ursprünglichen Veröffentlichung gelesen werden: Das ist ein einzigartiges Lesevergnügen, und es bringt uns den Erzähler Franz Hohler näher, als wir ihm je gekommen sind. Das macht diesen Band zu einem imposanten Zeugnis höchster Erzählkunst aus über vierzig Jahren Schweizer Literatur. Mit diesem Band beginnt eine Ausgabe der Werke Franz Hohlers in lockerer zeitlicher Folge.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auch wenn sich der Kabarettist Franz Hohler auch als Romancier bewährt hat, seine "Königsdisziplin" als Autor war schon immer die Erzählung mittlerer Länge, findet Sabine Doering, die sich sehr über die Sammlung ebensolcher in "Der Geisterfahrer" gefreut hat. Hohler ist zwar durch und durch ein Moralist, warnt die Rezensentin, aber er ist einer, dem sie sich gerne anvertraut, weil es "bei aller politischen Korrektheit" immer locker, bissig und witzig daher geht. Tiere erobern Zürich zurück, eine Gynäkologin reist durch die Zeit und die heiligen drei Könige bekommen einen Vierten im Bunde verpasst - ob als Quasi-Prophet der Öko-Literatur oder als fantastischer Erzähler im Stil eines E.T.A. Hoffmann, Hohler erzählt ohne zu erklären. Besonders, wo der Autor auf die alltäglichen menschlichen Abgründe aufmerksam macht und die "Überzeugungen des bürgerlichen Establishments erschüttert", ist er in seinem Element, bekundet die Rezensentin. Seine Sympathien gehören den sozialen Randgruppen und den kleinen Leuten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2013Von der obsessiven Lust am Wiederverwerten
Erzählen, nicht erklären: "Der Geisterfahrer" versammelt Neu- und Wiederentdeckungen aus dem formenreichen Werk Franz Hohlers
Vor fast fünfzig Jahren stand Franz Hohler, der heute siebzig Jahre alt wird, zum ersten Mal als Kabarettist auf der Bühne. Seitdem hat er sich viele künstlerische Formen zu eigen gemacht - Hörspiele, Theaterstücke, Filme, Gedichte, Kinderbücher und immer wieder erzählende Prosa. Mit Miniaturen und knappen, alphabetisch angeordneten "Idyllen" begann er 1970 seine Berichte aus dem Alltag, deren scheinbar naiver Ton das Widersprüchliche und Sperrige unserer vertrauten Lebenswelt aufdeckt. Hohlers Königsdisziplin im Erzählen aber ist über all die Jahre hinweg die mittlere Länge geblieben.
Dreiundvierzig Erzählungen aus gut vier Jahrzehnten vereinigt ein voluminöser Sammelband, der kurzweilige Neu- und Wiederentdeckungen ermöglicht. Am erstaunlichsten ist die Erkenntnis, wie wenig sich die Themen, Motive und Schreibweisen Franz Hohlers geändert haben. Das ist jedoch kein Symptom frühzeitigen Stillstands, sondern eher ein Zeichen dafür, wie früh dieser Erzähler den ihm gemäßen Stil des ruhigen Chronisten gefunden hat, der beharrlich und scharfsichtig hinter die Oberfläche des Bekannten und Harmlosen blickt.
Ein Musterstück der Öko-Literatur avant la lettre ist die meisterhafte Erzählung "Die Rückeroberung" aus dem Jahr 1980, die den verstörenden Einbruch der Wildnis in die gediegene Bankenstadt Zürich beschreibt. Steinadler nisten auf Hochhäusern, Hirschrudel ziehen durch belebte Straßen. Die verunsicherten Zürcher können weder das Vordringen von Wölfen in ihre Zivilisation aufhalten noch verhindern, dass urzeitliche Schachtelhalme die Luxushotels überwuchern. Die Hilflosigkeit und Verletzlichkeit der Menschen und ihrer technischen Errungenschaften gegenüber elementaren Naturkräften ist ein zentrales Thema Hohlers geblieben. In einem der jüngsten Texte der Sammlung wird ein von der Eiszeit geschliffener Kiesel zur gefährlichen Waffe in der Hand eines ungestümen Jugendlichen.
Die Sympathien des Erzählers gelten beständig den kleinen Leuten und sozialen Randgruppen. Wann immer finster aussehende Balkanflüchtlinge auftauchen oder ein in der Vergangenheit geschehenes Unrecht offenbar wird - stets kann man sicher sein, dass Franz Hohler seine Geschichten zu einem Ende führt, das die Überzeugungen des bürgerlichen Establishments erschüttert. Skurrile Einfälle sorgen dafür, dass es bei aller politischen Korrektheit dann doch nicht verbissen zugeht und man sich der Fabulierlust dieses strengen Moralisten gern anvertraut. Denn wer rechnet schon damit, dass eine dunkelhäutige Fremde der Waschmaschine entsteigt, dass im Futter eines neuen Mantels eine alte unbezahlte Rechnung auftaucht oder dass ein Halstuch rassistische Morde sühnen kann?
Mit solchen Volten, die das Unberechenbare und Phantastische in die moderne Welt einbrechen lassen, stellt sich Franz Hohler in die literarische Tradition vor allem E. T. A. Hoffmanns. Gern erschüttert er das Vertrauen in den technischen Fortschritt. Auf dem Hochzeitsbild seiner Eltern entdeckt ein Mann einen beunruhigenden Fremden; einen anderen rettet am Epiphaniastag ein geheimnisvoller vierter König, der die drei Sternsinger begleitet und den niemand kennt. Und warum wird die elegante Gynäkologin von einem Reitpferd auf eine mittelalterliche Burg gebracht, um dort, nach einer seltsamen Zeitreise, einer Gebärenden beizustehen? Wer rationale Antworten auf solche Fragen sucht, ist bei Franz Hohler an der falschen Adresse. Erzählen, nicht erklären, lautet die Devise, die er seit seinen literarischen Anfängen verfolgt.
Besonders überzeugend ist Hohler dort, wo er Abgründe menschlichen Verhaltens beschreibt. Die obsessive Lust am Wiederverwerten kann eine Familie zerstören, wie die beklemmende Fallstudie "Billiges Notizpapier" demonstriert. Was für schreckliche Verwicklungen aus dem gedankenlosen Aufheben eines alten Blechschildes entstehen, schildert der lange Brief, den ein des mehrfachen Mordes Angeklagter aus der Untersuchungshaft schreibt.
Auch die Langstrecke des Romans beherrscht Franz Hohler, das zeigte 1989 sein Roman "Der neue Berg". Während in der Nähe Zürichs ein veritabler Vulkan den Waldboden durchbricht, entwickeln sich in der städtischen Gesellschaft andere Gefahren, zerbrechen Ehen, Familien und Freundschaften. Eine komplette Lesung des Romans, die Hohler damals in Basel vortrug, ist nun in ihrer vollen Länge von mehr als zwölf Stunden greifbar. Für Hörer außerhalb der Schweiz kann Hohlers helvetischer Tonfall womöglich eine trügerische Behaglichkeit vermitteln, die in reizvollem Kontrast zu den weitreichenden geologischen und sozialen Verwerfungen steht. Dass es angesichts dieser vielfachen Katastrophen durchaus auch komisch zugeht, bezeugt das häufige Lachen der Hörer, das im Live-Mitschnitt der Lesung konserviert bleibt und das nun ein wenig an das eingeblendete Gelächter in Fernsehkomödien erinnert. Selbst als Romancier ist Franz Hohler also ein erfahrener Kabarettist geblieben, dessen präzise Pointen ihr Publikum ohne Umweg erreichen.
SABINE DOERING
Franz Hohler: "Der Geisterfahrer". Die Erzählungen.
Mit einem Nachwort von Roger Willemsen. Luchterhand Literaturverlag, München 2013. 576 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erzählen, nicht erklären: "Der Geisterfahrer" versammelt Neu- und Wiederentdeckungen aus dem formenreichen Werk Franz Hohlers
Vor fast fünfzig Jahren stand Franz Hohler, der heute siebzig Jahre alt wird, zum ersten Mal als Kabarettist auf der Bühne. Seitdem hat er sich viele künstlerische Formen zu eigen gemacht - Hörspiele, Theaterstücke, Filme, Gedichte, Kinderbücher und immer wieder erzählende Prosa. Mit Miniaturen und knappen, alphabetisch angeordneten "Idyllen" begann er 1970 seine Berichte aus dem Alltag, deren scheinbar naiver Ton das Widersprüchliche und Sperrige unserer vertrauten Lebenswelt aufdeckt. Hohlers Königsdisziplin im Erzählen aber ist über all die Jahre hinweg die mittlere Länge geblieben.
Dreiundvierzig Erzählungen aus gut vier Jahrzehnten vereinigt ein voluminöser Sammelband, der kurzweilige Neu- und Wiederentdeckungen ermöglicht. Am erstaunlichsten ist die Erkenntnis, wie wenig sich die Themen, Motive und Schreibweisen Franz Hohlers geändert haben. Das ist jedoch kein Symptom frühzeitigen Stillstands, sondern eher ein Zeichen dafür, wie früh dieser Erzähler den ihm gemäßen Stil des ruhigen Chronisten gefunden hat, der beharrlich und scharfsichtig hinter die Oberfläche des Bekannten und Harmlosen blickt.
Ein Musterstück der Öko-Literatur avant la lettre ist die meisterhafte Erzählung "Die Rückeroberung" aus dem Jahr 1980, die den verstörenden Einbruch der Wildnis in die gediegene Bankenstadt Zürich beschreibt. Steinadler nisten auf Hochhäusern, Hirschrudel ziehen durch belebte Straßen. Die verunsicherten Zürcher können weder das Vordringen von Wölfen in ihre Zivilisation aufhalten noch verhindern, dass urzeitliche Schachtelhalme die Luxushotels überwuchern. Die Hilflosigkeit und Verletzlichkeit der Menschen und ihrer technischen Errungenschaften gegenüber elementaren Naturkräften ist ein zentrales Thema Hohlers geblieben. In einem der jüngsten Texte der Sammlung wird ein von der Eiszeit geschliffener Kiesel zur gefährlichen Waffe in der Hand eines ungestümen Jugendlichen.
Die Sympathien des Erzählers gelten beständig den kleinen Leuten und sozialen Randgruppen. Wann immer finster aussehende Balkanflüchtlinge auftauchen oder ein in der Vergangenheit geschehenes Unrecht offenbar wird - stets kann man sicher sein, dass Franz Hohler seine Geschichten zu einem Ende führt, das die Überzeugungen des bürgerlichen Establishments erschüttert. Skurrile Einfälle sorgen dafür, dass es bei aller politischen Korrektheit dann doch nicht verbissen zugeht und man sich der Fabulierlust dieses strengen Moralisten gern anvertraut. Denn wer rechnet schon damit, dass eine dunkelhäutige Fremde der Waschmaschine entsteigt, dass im Futter eines neuen Mantels eine alte unbezahlte Rechnung auftaucht oder dass ein Halstuch rassistische Morde sühnen kann?
Mit solchen Volten, die das Unberechenbare und Phantastische in die moderne Welt einbrechen lassen, stellt sich Franz Hohler in die literarische Tradition vor allem E. T. A. Hoffmanns. Gern erschüttert er das Vertrauen in den technischen Fortschritt. Auf dem Hochzeitsbild seiner Eltern entdeckt ein Mann einen beunruhigenden Fremden; einen anderen rettet am Epiphaniastag ein geheimnisvoller vierter König, der die drei Sternsinger begleitet und den niemand kennt. Und warum wird die elegante Gynäkologin von einem Reitpferd auf eine mittelalterliche Burg gebracht, um dort, nach einer seltsamen Zeitreise, einer Gebärenden beizustehen? Wer rationale Antworten auf solche Fragen sucht, ist bei Franz Hohler an der falschen Adresse. Erzählen, nicht erklären, lautet die Devise, die er seit seinen literarischen Anfängen verfolgt.
Besonders überzeugend ist Hohler dort, wo er Abgründe menschlichen Verhaltens beschreibt. Die obsessive Lust am Wiederverwerten kann eine Familie zerstören, wie die beklemmende Fallstudie "Billiges Notizpapier" demonstriert. Was für schreckliche Verwicklungen aus dem gedankenlosen Aufheben eines alten Blechschildes entstehen, schildert der lange Brief, den ein des mehrfachen Mordes Angeklagter aus der Untersuchungshaft schreibt.
Auch die Langstrecke des Romans beherrscht Franz Hohler, das zeigte 1989 sein Roman "Der neue Berg". Während in der Nähe Zürichs ein veritabler Vulkan den Waldboden durchbricht, entwickeln sich in der städtischen Gesellschaft andere Gefahren, zerbrechen Ehen, Familien und Freundschaften. Eine komplette Lesung des Romans, die Hohler damals in Basel vortrug, ist nun in ihrer vollen Länge von mehr als zwölf Stunden greifbar. Für Hörer außerhalb der Schweiz kann Hohlers helvetischer Tonfall womöglich eine trügerische Behaglichkeit vermitteln, die in reizvollem Kontrast zu den weitreichenden geologischen und sozialen Verwerfungen steht. Dass es angesichts dieser vielfachen Katastrophen durchaus auch komisch zugeht, bezeugt das häufige Lachen der Hörer, das im Live-Mitschnitt der Lesung konserviert bleibt und das nun ein wenig an das eingeblendete Gelächter in Fernsehkomödien erinnert. Selbst als Romancier ist Franz Hohler also ein erfahrener Kabarettist geblieben, dessen präzise Pointen ihr Publikum ohne Umweg erreichen.
SABINE DOERING
Franz Hohler: "Der Geisterfahrer". Die Erzählungen.
Mit einem Nachwort von Roger Willemsen. Luchterhand Literaturverlag, München 2013. 576 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main