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Gert Heidenreich nimmt in seinen 'Erotischen Mysterien' ein ganzes Genre aufs Korn und entdeckt die Gattung der erotischen Erzählung neu. Am Ende hat der Leser das wohlige Gefühl, so skurrilen wie anregenden Begebenheiten beigewohnt zu haben - Trouvaillen für Genießer.

Produktbeschreibung
Gert Heidenreich nimmt in seinen 'Erotischen Mysterien' ein ganzes Genre aufs Korn und entdeckt die Gattung der erotischen Erzählung neu. Am Ende hat der Leser das wohlige Gefühl, so skurrilen wie anregenden Begebenheiten beigewohnt zu haben - Trouvaillen für Genießer.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.1997

Kurvenreiche Wüstendünen
Manchmal subtil: Gert Heidenreichs "Erotische Mysterien"

Der Titel klingt hinreichend seriös und doch immer noch attraktiv genug, um auf Schlüpfriges neugierig zu machen. Vom "Mysterium" der Liebe ist allerdings, offen gesagt, in den dreizehn Geschichten des Buches kaum die Rede; eher schon von unerhörten sexuellen Abnormitäten und Begebenheiten: Ein zum Bordell umgerüsteter Leichenwagen, die Erfolgsstory des Kunstglied-Herstellers Jonas Milchhaut, die Geschichte von Jussuf, der seinen riesigen Phallus in kurvenreiche Wüstendünen bohrt, oder auch die des Tübinger Studenten Ludwig, der sich mit seiner Zimmerwirtin immer nur im Kartoffelbrei, mit den sie ihn einschmiert, vereinigt - das sind immerhin ungewöhnliche Variationen einer "Sache", deren Name - nenn's Erotik, Liebe, Sexualität - zuletzt nichts zur Sache tut.

Heidenreich erzählt diese und andere Lustgeschichten durchaus routiniert. Souverän wechselt er Zeit, Ort und Personal, Perspektive und die Darstellungsform des Geschehens: Von der Anekdote und Legende bis zu intimen Tagebuchaufzeichnungen, von der psychologischen Studie bis zum nüchternen Bericht reicht das Repertoire seiner weltweiten Liebesvorstellungen, so daß für unterhaltende Varietät gesorgt ist. Am besten ist er aber dort, wo er sich und seinen Lesern Zeit läßt. Die kurzen, chronikartigen "Legenden" abnormer Vorkommnisse mögen sensationell sein; sie erreichen aber nicht entfernt jenen Grad subtiler Beunruhigung, der von den Kurzprosastücken beispielweise eines Robert Walser ausgeht. Dagegen ist Heidenreich dort in seinem Element, wo er seinen Figuren Gelegenheit gibt, sich in ihrer Widersprüchlichkeit allmählich zu entfalten. Das gilt sogar für die Alltagsgeschichte eines in die Jahre gekommenen Paares, das sich trennt, weil die Ehefrau das Ergebnis ihrer Dressur des Mannes nicht mehr ertragen kann - ein Liebesfall, der im übrigen gar nicht so recht in die Reihe der sonst gelegentlich recht grellen Fallgeschichten passen mag.

Charmant und auf reizvolle Art unterhaltsam ist dagegen die Tagebuch-Erzählung des Malers, der von gleich zwei Gören verführt wird, obwohl er doch eigentlich nur auf der Suche nach dem richtigen Blau war. Und geradezu meisterhaft will mir die Pubertätsgeschichte des dreizehnjährigen Martin erscheinen, der sich seine Audrey (natürlich Hepburn) halb aus der Ruinen-Wirklichkeit der Nachkriegszeit abliest und halb aus seiner Phantasie erschafft. Dem Phantom seiner sexuellen Neugier - er hat die junge Frau, offensichtlich mit ihrem Einverständnis, beim Auskleiden in der Badeanstalt und bei einer Selbstbefriedigung auf dem ruinösen Nachbargrundstück beobachtet - bleibt er gegen alle Widerstände treu, und als Audrey im Zuge des fortschreitenden Wirtschaftswunders (der Vater erwirbt das Grundstück) unwiederbringlich verschwunden zu sein scheint, da imaginiert er sie sich zurück: als Adele, "die Frau unterm Weißdorn", kriecht sie zu ihm unter seine Bettdecke. Eine anrührende, bedeutungsvolle, weder ins Kitschige noch ins Exhibitionistische abgleitende Studie, fast im Kinderton erzählt. Es ist zugleich, und das ist kein Zufall, die längste Geschichte des Bandes. WULF SEGEBRECHT

Gert Heidenreich: "Der Geliebte des dritten Tages". Erotische Mysterien. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1997. 224 S., geb., 38,- DM.

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