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Der Autor von "Santa Evita" schildert das bizarre Comeback von General Peron in sein Land Argentinien, 21 Jahre nach Evitas Tod. Aus langen Interviews, die Martinez mit Peron führte, und widersprüchlichsten Zeitzeugnissen entstand dieser vielstimmige Roman, der historisch verbürgte Wirklichkeit so zuspitzt, dass sie von den skurrilen Einfällen eines Romanautors nicht zu unterscheiden ist.

Produktbeschreibung
Der Autor von "Santa Evita" schildert das bizarre Comeback von General Peron in sein Land Argentinien, 21 Jahre nach Evitas Tod. Aus langen Interviews, die Martinez mit Peron führte, und widersprüchlichsten Zeitzeugnissen entstand dieser vielstimmige Roman, der historisch verbürgte Wirklichkeit so zuspitzt, dass sie von den skurrilen Einfällen eines Romanautors nicht zu unterscheiden ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.1999

Generalissimo
Perón schreibt seine Memoiren im spanischen Exil

Der Roman "Santa Evita" über Eva Perón war weniger eine Biographie als eine Thanatographie. Tomás Eloy Martínezmachte sich mit diesem denkwürdigen Amalgam aus Zeitgeschichte, Mythologie und Fantasterei auch hierzulande bekannt als Historiograph von eigenwilliger Begabung. Der Erfolg des Buches hat uns seinen schon 1985 erschienenen Roman über Perón auf deutsch beschert. Im Original lautet der Titel auch "Der Roman von Perón" (La novela de Perón). Wobei offenbleibt, ob es sich um den Roman von ihm oder über ihn handelt. Denn Juan Domingo Perón tritt darin als Erzähler seines Lebens auf, als Verfasser eines ikonographischen, politisch in seinem Sinne korrekten und folglich korrigierten Lebenslaufs. Der Journalist Zamora hat den Auftrag, den alten General dem Publikum als Mensch vorzuführen. Er fördert dabei viele unschöne Details zutage.

Wer ein Leben erzählen will, hat drei Arten von Quellen zur Verfügung: Dokumente, Zeugenaussagen, Selbstzeugnisse. Über Dokumente bekommt man das faktische Skelett einer Biographie; zieht man Zeugenaussagen bei, entsteht die - oft widersprüchliche - Erscheinung, die Silhouette der zu beschreibenden Person. Das ist es, was der Journalist Zamora tut. Die Selbstzeugnisse sollten Auskunft über das Innenleben der Person geben, ihre Gefühle, ihre Motive, ihre Absichten und Ansichten. Was aber, wenn sie nur elaborierte Selbstdarstellungen sind, angetan, alle psychischen Spuren zu verwischen und nur das Äußere gelten zu lassen? Oder, um es nach Eloy Martínez in der argentinischen Macho-Variante zu sagen: "Ein Mann ist nicht, was er denkt - er ist, was er tut." Unter dieser Prämisse schreibt Perón im spanischen Exil seine Memoiren. Das heißt, er schreibt sie nicht selbst, er läßt sie von seinem Sekretär López Rega schreiben. Der hat höhere politische Ziele im Sinn, die über den Tod Peróns hinausreichen; weshalb er nicht nur ab- und umschreibt, sondern dem alten Mann gleich die "richtigen" Erinnerungen suggeriert: "In solchen Dingen, mein General, gibt es kein Versagen des Gedächtnisses, sondern nur Irrtümer der Wirklichkeit." Was ist die Wahrheit über General Perón? Eloy Martínez findet sie zwischen den Zeilen der Memoiren, in den Aussparungen. Da, wo Gefühle sein sollten, ist nichts. Da, wo Grausamkeit zu vermuten wäre, steht Pragmatismus. Wo der Charakter hingehört, trägt der Mann nur Uniform. Warum, scheint sich der Autor gefragt zu haben, ist dieser Mensch so leer?

Jeder Biograph ist darauf angewiesen, das Wissen um die Person, über die er schreibt, zu interpretieren. Aber dieser Biograph hier begnügt sich nicht mit der Interpretation. Er erzählt die Geschichte eines Menschen, dessen politischen Mythos man besser kennt als ihn selbst. Peróns biographische Daten sind geläufig, etwa die Tatsache, daß er nach achtzehnjährigem Exil nach einem überwältigenden Wahlsieg der Peronisten auf den Posten des argentinischen Präsidenten zurückkehrte. Der Roman spielt an jenem Tag, dem 20. Juni 1973, auf einem endlos langen transatlantischen Flug. In Rückblenden und den sich teils ergänzenden, teils widersprechenden Versionen seiner Vita läßt Eloy Martínez seine Figur entstehen.

Dabei verleiht er ihr die dunkle Tönung der Melancholie, die zu einem Militär und Politiker der autoritären Sorte kaum passen will. Perón, wie er in der Gegenwart dieses Romans erscheint, ist ein Greis, der sich von seinem intriganten Sekretär manipulieren läßt. Seine Macht spielt er nur aus, um Leute zu ärgern - solche, die ihn schlecht behandelt haben, oder Anhänger, die ihm nicht ergeben genug scheinen. Der Autor interessiert sich weniger für Perón, den Präsidenten, den Verkünder der Doktrin des Justitialismus und ehrgeizigen Politiker auf dem Gipfel der Macht. Diese Jahre klammert er nahezu aus. Er zeigt den intriganten Aufsteiger, den Opportunisten der frühen Jahre und den fürs Militär abgerichteten Jungen. Und er schildert einen müden Alten, der das Spiel der Macht weiterspielt, ohne sich selbst die Frage zu gestatten, wem das alles nützen soll. Dies sind Bereiche, in denen die Phntasie des Schriftstellers Quellen findet. Bei Eloy Martínez sind es äußerst ergiebige Quellen. Daß dieses Buch nicht geschrieben wurde, um die historische Wahrheit über Perón zu enthüllen, steht im ersten Satz: "Wieder träumte General Juan Perón, er gehe bis zum Eingang des Südpols und eine Horde Frauen lasse ihn nicht hinein."

Das klingt nach einem Fellini-Film, weniger nach einer politischen Biographie. Und wie später in seinem Evita-Roman zieht der Autor gekonnt die Register eines Erzähltalents, das sich der Magie im lateinamerikanischen Realismus ebenso zu bedienen weiß wie der Exaktheit des nordamerikanischen Reportagenstils. Doch hier steht, mehr als in "Santa Evita", das politische Geschehen im Vordergrund. Das Massaker am Flughafen von Ezeiza bei Peróns Ankunft in Argentinien ist das zweite Thema des Romans.

Die Vorbereitungen sowohl der rechten Mördertrupps als auch der linken Guerrilla zum Empfang des Generals werden aus der Sicht von zwei - stark typisierten - Figuren erzählt. Stolzer, liebender und fanatischer Kämpfer für die Sache des Volkes der eine; verbogene Kreatur esoterischer Geheimbündler und zur Maschine gedrillter Killer der andere, haben sie nur eines gemeinsam: Sie glauben an Perón. Nicht an den müden Alten, der im Flugzeug am Himmel kreist, während seine Anhänger unten ein Gemetzel veranstalten, und der auf niemandes Seite steht. Sie glauben an den Mythos Perón, der zählebiger ist als alle Enttäuschung. "Sie bringen die Worte durcheinander: Schicksal, Schrecken, Perón, Nation."

Diesem sowohl mythologischen als auch politischen Durcheinander setzte Eloy Martínez zu einer Zeit, als all das noch gar nicht so lange her war, die glaubhafte Realität seines Romans entgegen.

KATHARINA DÖBLER

Tomás Eloy Martínez: "Der General findet keine Ruhe". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 475 S., geb., 49,80 DM.

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