Produktdetails
- Verlag: Hauschild/WB Verpackungen
- Seitenzahl: 152
- Deutsch
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 445g
- ISBN-13: 9783897571976
- ISBN-10: 3897571978
- Artikelnr.: 12380700
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2004Der Kaiser und die Eliten blieben
Japan unter General MacArthur eignet sich nicht als Modell für den besetzten Irak
Winfried Scharlau: Der General und der Kaiser. Die amerikanische Besatzungspolitik Japans: 1945 bis 1952. Verlag H. M. Hauschild. Bremen 2003, 152 S., 14,50 [Euro].
Bei der Legitimation des Irak-Krieges hat der Hinweis auf die Erfolgsgeschichte der Demokratisierung Deutschlands und Japans nach 1945 eine gewisse Rolle gespielt. Sollte nach dem Sturz Saddam Husseins nicht ein ähnlicher Sinneswandel auch im Irak erreichbar sein? Nun gab es gewiß einleuchtende Gründe, dieses gemeingefährliche Regime ein für allemal zu zerschlagen. Doch der Demokratisierungswunsch war und ist das schwächste aller Argumente. Wer sich der seinerzeit völlig anderen Bedingungen in Deutschland bewußt war, hat das gleich erkannt. Nun kann man nachlesen, daß auch der Beispielfall Japan keinen Grund zu großen Hoffnungen gibt.
Winfried Scharlau, Verfasser dieser konzisen, sachlich gewichtigen Studie, hat sich als jahrzehntelanger ARD-Korrespondent im Fernen Osten einen Namen gemacht. Er ist von Training und Temperament Historiker, und so fußt seine neueste Buchveröffentlichung auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung. Daß er auf einen üppigen Fußnotenapparat verzichtet, ist eher zu begrüßen. Scharlau hat ganz bewußt auf jede tendenzielle Aktualisierung verzichtet. Das macht die Lektüre lohnend. Beim Studium historischer Beispielfälle kann man sich zumeist dann am besten seine eigene Meinung bilden, wenn der Autor geduldig den jeweiligen Einzelfall behutsam untersucht, ohne für die Leser den Bärenführer spielen zu wollen. Was der Verfasser vermieden hat, darf aber der Rezensent - wenigstens in Ansätzen!
Zwar zitterten alle Nachbarn vor Saddam Husseins Kriegsmaschine. Doch kein Vergleich zu den Armeen Japans, die zwischen 1937 und 1945 im Namen des Gottkaisers Hirohito der Schrecken ganz Ostasiens gewesen waren. Nach der Niederwerfung Japans entschied der fast allmächtige amerikanische Prokonsul General MacArthur in flagranter Mißachtung einer Senatsresolution, die zuvor im Luftkrieg wie "wilde Tiere" (so Präsident Truman) dezimierten Japaner "durch den Kaiser und die kaiserliche Regierung" administrieren zu lassen. Wollte man, um den Partisanenkrieg zu vermeiden und um Truppen zu sparen, eine "indirekte Herrschaft" ausüben, so galt es jedoch, den Kaiser zu schonen und die konservativen Eliten größtenteils an der Macht zu belassen. Das erwies sich in der Tat als ein durchaus funktionierendes Konzept zur Pazifizierung und wenigstens partiellen Demokratisierung einer für die amerikanischen Sieger ziemlich undurchdringlichen, auch sprachlich ganz fremden Gesellschaft.
Das war gewiß praktisch, nur kann es nicht als Modell für den Irak dienen. Oder ist es vorstellbar, daß selbst der verrückteste amerikanische Planer in den Jahren 2002/2003 auf den Gedanken verfallen wäre, Saddam Hussein niederzuwerfen, diesen dann aber zusammen mit seinen Verwaltungseliten die Demokratisierung des Iraks im amerikanischen Auftrag betreiben zu lassen und nur einige Generale nebst den schlimmsten Folterknechten zu hängen? Gewiß ist Kaiser Hirohito kein Politkrimineller gewesen wie der irakische Diktator, er war aber, wie man seit einiger Zeit genauer weiß, auch kein Chorknabe.
Die Demokratisierungsgeschichte Japans als Modell für den Irak ist noch aus anderen Gründen mehr als windschief. In Japan hatte es die Besatzung mit einer kulturell weitgehend homogenen Bevölkerung zu tun, ohne jene schwerwiegenden, kaum versöhnbaren religiösen und ethnischen Zerklüftungen, die bekanntlich den Irak zerreißen. Nur in einer industriell weit entwickelten, teilweise auch rechtlich dem Westen bereits einigermaßen angeglichenen und zugleich weitgehend integrierten Gesellschaft mochte eine reformerische Verwestlichung von oben halbwegs gelingen.
Scharlau arbeitet überzeugend heraus, daß es selbst der hochkonservative MacArthur (Amerikaner bleibt Amerikaner) für geboten und auch für machbar gefunden hat, anfangs ein ziemlich liberales Reformprogramm in Gang zu setzen mit Mehrparteiensystem, gleichen Rechten für die Frau, Zerschlagung der Konzerne, Religionsfreiheit, tiefgreifenden Erziehungsreformen und Bekehrung der Söhne der Samurais zum Pazifismus. Das konservative Establishment Japans suchte die Reformen zwar mit orientalischer Raffinesse abzubremsen. Diese fanden zumindest bei einem Teil der Bevölkerung großen Anklang, allerdings mit der Folge, daß die marxistische Linke, linke Gewerkschaften und linke Lehrer kräftig ins Kraut schossen.
Im Februar 1947, als Truman zum antisowjetischen Containment überging, wurde der neue Planungschef im State Department, George Kennan, zu MacArthur nach Tokio entsandt. Kennan war ziemlich entsetzt über die Lage und hatte sogar Sorge, Japan könne ins kommunistische Lager abdriften - ausgerechnet unter einem ultrarechten Militärgouverneur. Wie zu erwarten, war MacArthur wenig bestürzt darüber, daß sich der Wind in Washington gedreht hatte, und gab Kennan gegenüber sogar zu, vielleicht säßen in der Besatzungsverwaltung in der Tat ein paar "Rote". Rasch erlebten nun die japanischen Konservativen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung ihr Comeback. Man möchte fast sagen: "Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch." Doch der berühmte Artikel 9 der von den Amerikanern im Schnellverfahren aufgesetzten Verfassung ließ sich zu deren Kummer nicht mehr abändern: "Der Unterhalt von Land-, See- und Luftstreitkräften, wie auch anderes Kriegsmaterial, wird niemals autorisiert."
Dies und manches andere breitet Scharlau kundig aus. Ob Japan unter MacArthur wirklich auf den Weg der Verwestlichung gestoßen wurde oder ob es im Kern unverändert blieb, wie Kaiser Hirohito 1975 "von hoher Warte aus" meinte, das läßt er erst etwas unklar in der Schwebe, um es dann doch zu bejahen. Wie man weiß, sind die Experten darüber sehr uneins. Auch dieser Autor zeigt sich von der Gestalt MacArthurs irgendwie fasziniert. Beim Lesen seiner Porträtstudie kommt einem in den Sinn, was Voltaire einstmals über den Schwedenkönig Karl XII. schrieb: Dieser sei groß, rätselhaft und verrückt gewesen, ebendas aber sei der Stoff, aus dem Geschichte gemacht wird.
Man sieht: Wie immer man es auch dreht und wendet, ein Modell für den Irak im Jahr 2004 kann Japan unter MacArthur nicht abgeben. Die Bedingungen im Lande selbst und die des Jet-set- und des Kommunikationszeitalters mit seiner weltweiten Vernetzung haben sich völlig verändert. Verändert hat sich übrigens auch Amerika selbst. In manchem hatte der in Japan ziemlich schrankenlos herrschende Prokonsul General MacArthur mit Julius Caesar in Gallien mehr gemeinsam als mit dem Ziviladministrator Bremer im heutigen Irak.
HANS-PETER SCHWARZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Japan unter General MacArthur eignet sich nicht als Modell für den besetzten Irak
Winfried Scharlau: Der General und der Kaiser. Die amerikanische Besatzungspolitik Japans: 1945 bis 1952. Verlag H. M. Hauschild. Bremen 2003, 152 S., 14,50 [Euro].
Bei der Legitimation des Irak-Krieges hat der Hinweis auf die Erfolgsgeschichte der Demokratisierung Deutschlands und Japans nach 1945 eine gewisse Rolle gespielt. Sollte nach dem Sturz Saddam Husseins nicht ein ähnlicher Sinneswandel auch im Irak erreichbar sein? Nun gab es gewiß einleuchtende Gründe, dieses gemeingefährliche Regime ein für allemal zu zerschlagen. Doch der Demokratisierungswunsch war und ist das schwächste aller Argumente. Wer sich der seinerzeit völlig anderen Bedingungen in Deutschland bewußt war, hat das gleich erkannt. Nun kann man nachlesen, daß auch der Beispielfall Japan keinen Grund zu großen Hoffnungen gibt.
Winfried Scharlau, Verfasser dieser konzisen, sachlich gewichtigen Studie, hat sich als jahrzehntelanger ARD-Korrespondent im Fernen Osten einen Namen gemacht. Er ist von Training und Temperament Historiker, und so fußt seine neueste Buchveröffentlichung auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung. Daß er auf einen üppigen Fußnotenapparat verzichtet, ist eher zu begrüßen. Scharlau hat ganz bewußt auf jede tendenzielle Aktualisierung verzichtet. Das macht die Lektüre lohnend. Beim Studium historischer Beispielfälle kann man sich zumeist dann am besten seine eigene Meinung bilden, wenn der Autor geduldig den jeweiligen Einzelfall behutsam untersucht, ohne für die Leser den Bärenführer spielen zu wollen. Was der Verfasser vermieden hat, darf aber der Rezensent - wenigstens in Ansätzen!
Zwar zitterten alle Nachbarn vor Saddam Husseins Kriegsmaschine. Doch kein Vergleich zu den Armeen Japans, die zwischen 1937 und 1945 im Namen des Gottkaisers Hirohito der Schrecken ganz Ostasiens gewesen waren. Nach der Niederwerfung Japans entschied der fast allmächtige amerikanische Prokonsul General MacArthur in flagranter Mißachtung einer Senatsresolution, die zuvor im Luftkrieg wie "wilde Tiere" (so Präsident Truman) dezimierten Japaner "durch den Kaiser und die kaiserliche Regierung" administrieren zu lassen. Wollte man, um den Partisanenkrieg zu vermeiden und um Truppen zu sparen, eine "indirekte Herrschaft" ausüben, so galt es jedoch, den Kaiser zu schonen und die konservativen Eliten größtenteils an der Macht zu belassen. Das erwies sich in der Tat als ein durchaus funktionierendes Konzept zur Pazifizierung und wenigstens partiellen Demokratisierung einer für die amerikanischen Sieger ziemlich undurchdringlichen, auch sprachlich ganz fremden Gesellschaft.
Das war gewiß praktisch, nur kann es nicht als Modell für den Irak dienen. Oder ist es vorstellbar, daß selbst der verrückteste amerikanische Planer in den Jahren 2002/2003 auf den Gedanken verfallen wäre, Saddam Hussein niederzuwerfen, diesen dann aber zusammen mit seinen Verwaltungseliten die Demokratisierung des Iraks im amerikanischen Auftrag betreiben zu lassen und nur einige Generale nebst den schlimmsten Folterknechten zu hängen? Gewiß ist Kaiser Hirohito kein Politkrimineller gewesen wie der irakische Diktator, er war aber, wie man seit einiger Zeit genauer weiß, auch kein Chorknabe.
Die Demokratisierungsgeschichte Japans als Modell für den Irak ist noch aus anderen Gründen mehr als windschief. In Japan hatte es die Besatzung mit einer kulturell weitgehend homogenen Bevölkerung zu tun, ohne jene schwerwiegenden, kaum versöhnbaren religiösen und ethnischen Zerklüftungen, die bekanntlich den Irak zerreißen. Nur in einer industriell weit entwickelten, teilweise auch rechtlich dem Westen bereits einigermaßen angeglichenen und zugleich weitgehend integrierten Gesellschaft mochte eine reformerische Verwestlichung von oben halbwegs gelingen.
Scharlau arbeitet überzeugend heraus, daß es selbst der hochkonservative MacArthur (Amerikaner bleibt Amerikaner) für geboten und auch für machbar gefunden hat, anfangs ein ziemlich liberales Reformprogramm in Gang zu setzen mit Mehrparteiensystem, gleichen Rechten für die Frau, Zerschlagung der Konzerne, Religionsfreiheit, tiefgreifenden Erziehungsreformen und Bekehrung der Söhne der Samurais zum Pazifismus. Das konservative Establishment Japans suchte die Reformen zwar mit orientalischer Raffinesse abzubremsen. Diese fanden zumindest bei einem Teil der Bevölkerung großen Anklang, allerdings mit der Folge, daß die marxistische Linke, linke Gewerkschaften und linke Lehrer kräftig ins Kraut schossen.
Im Februar 1947, als Truman zum antisowjetischen Containment überging, wurde der neue Planungschef im State Department, George Kennan, zu MacArthur nach Tokio entsandt. Kennan war ziemlich entsetzt über die Lage und hatte sogar Sorge, Japan könne ins kommunistische Lager abdriften - ausgerechnet unter einem ultrarechten Militärgouverneur. Wie zu erwarten, war MacArthur wenig bestürzt darüber, daß sich der Wind in Washington gedreht hatte, und gab Kennan gegenüber sogar zu, vielleicht säßen in der Besatzungsverwaltung in der Tat ein paar "Rote". Rasch erlebten nun die japanischen Konservativen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung ihr Comeback. Man möchte fast sagen: "Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch." Doch der berühmte Artikel 9 der von den Amerikanern im Schnellverfahren aufgesetzten Verfassung ließ sich zu deren Kummer nicht mehr abändern: "Der Unterhalt von Land-, See- und Luftstreitkräften, wie auch anderes Kriegsmaterial, wird niemals autorisiert."
Dies und manches andere breitet Scharlau kundig aus. Ob Japan unter MacArthur wirklich auf den Weg der Verwestlichung gestoßen wurde oder ob es im Kern unverändert blieb, wie Kaiser Hirohito 1975 "von hoher Warte aus" meinte, das läßt er erst etwas unklar in der Schwebe, um es dann doch zu bejahen. Wie man weiß, sind die Experten darüber sehr uneins. Auch dieser Autor zeigt sich von der Gestalt MacArthurs irgendwie fasziniert. Beim Lesen seiner Porträtstudie kommt einem in den Sinn, was Voltaire einstmals über den Schwedenkönig Karl XII. schrieb: Dieser sei groß, rätselhaft und verrückt gewesen, ebendas aber sei der Stoff, aus dem Geschichte gemacht wird.
Man sieht: Wie immer man es auch dreht und wendet, ein Modell für den Irak im Jahr 2004 kann Japan unter MacArthur nicht abgeben. Die Bedingungen im Lande selbst und die des Jet-set- und des Kommunikationszeitalters mit seiner weltweiten Vernetzung haben sich völlig verändert. Verändert hat sich übrigens auch Amerika selbst. In manchem hatte der in Japan ziemlich schrankenlos herrschende Prokonsul General MacArthur mit Julius Caesar in Gallien mehr gemeinsam als mit dem Ziviladministrator Bremer im heutigen Irak.
HANS-PETER SCHWARZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als "konzise, sachlich gewichtige Studie" würdigt Hans-Peter Schwarz dieses Buch des langjährigen ARD-Fernost-Korrespondenten Winfried Scharlau über die amerikanische Besatzungspolitik Japans von 1945 bis 1952. Wie Schwarz darlegt, nimmt der fast allmächtige amerikanische Prokonsul General MacArthur dabei eine wichtige Rolle ein: in flagranter Missachtung einer Senatsresolution hatte er entschieden, Japan "durch den Kaiser und die kaiserliche Regierung" administrieren zu lassen, den Kaiser also zu schonen und die konservativen Eliten größtenteils an der Macht zu belassen - ein Konzept zur Pazifizierung und wenigstens partiellen Demokratisierung, das durchaus aufging. Scharlaus Ausführungen über die Demokratisierungsbestrebungen MacArthurs lobt Schwarz generell als "überzeugend" und "kundig". Dass die Studie, die auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung fußt, ohne wuchernden Fußnotenapparat auskommt, findet Schwarz dabei "eher zu begrüßen". Da der Hinweis auf die Erfolgsgeschichte der Demokratisierung Japans nach 1945 bei der Legitimation des Irak-Krieges eine gewisse Rolle gespielt hat, denkt Schwarz auch über die Frage nach, ob Japan unter General MacArthur ein Modell für den besetzten Irak sein könnte, eine Frage, die er entschieden verneint.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH