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Der Gesamttatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit ist aus dem Regelungswerk des Völkerstrafrechts nicht mehr hinweg zu denken. Aufgrund seiner primär aus Völkergewohnheitsrecht erwachsenen Entstehungsgeschichte und vielfachen Novellierung verbleiben gleichwohl dogmatische Auslegungsprobleme. Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine umfassende Analyse des Gesamttatbestandes, die nicht an der Wiedergabe des status quo stehen bleiben, sondern Kritik und Entwicklungspotenzial aufzeigen möchte. Der Autor diskutiert inter alia die Divergenz zwischen Gesamttatbestand, Gesamtkontext…mehr

Produktbeschreibung
Der Gesamttatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit ist aus dem Regelungswerk des Völkerstrafrechts nicht mehr hinweg zu denken. Aufgrund seiner primär aus Völkergewohnheitsrecht erwachsenen Entstehungsgeschichte und vielfachen Novellierung verbleiben gleichwohl dogmatische Auslegungsprobleme. Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine umfassende Analyse des Gesamttatbestandes, die nicht an der Wiedergabe des status quo stehen bleiben, sondern Kritik und Entwicklungspotenzial aufzeigen möchte. Der Autor diskutiert inter alia die Divergenz zwischen Gesamttatbestand, Gesamtkontext und Einzeltatbestand, sowie die Verwirklichung des chapeau Merkmals "mehrfache Begehung" im Wege einer - so hier betitelten - "ad hoc makrokriminellen" Einzelbegehung. Bei den Katalogstraftaten setzt er sich verstärkt mit den Sexualdelikten, einschließlich der Strafbarkeit des Verbrechens der Zwangsheirat, auseinander. Die makrokriminelle Mischproblematik beim Apartheidtatbestand wird, soweitersichtlich, erstmalig angesprochen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2010

Laxer Umgang der Gerichte
Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit

Der Begriff des Verbrechens gegen die Menschlichkeit ist zum Synonym jener politisch-ideologisch geprägten Großkriminalität geworden, die völkerstrafrechtlich zu ahnden sich die Staatengemeinschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anschickt. Über den Gesamttatbestand, der erstmalig im Statut des Nürnberger Tribunals auftauchte, besteht bis heute keine wirkliche Klarheit. Ein Grund dafür dürfte sein, dass nach den Nürnberger und Tokioter Prozessen jahrzehntelang keine internationale Strafgerichtsbarkeit existierte, die diesen Tatbestand mit universeller Gültigkeit konkretisierend zur Anwendung hätte bringen können. Erst seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts findet eine tatbestandliche Präzisierung statt, die mit der Errichtung und Judikatur verschiedener internationaler Tribunale Hand in Hand geht. Es ist daher sehr verdienstvoll, wenn sich Bernd Kuschnik der dogmatischen Durchdringung und interpretativen Entfaltung des Gesamttatbestands angenommen hat, der durch die Begehung mindestens eines, in einen enumerierten Straftatenkatalog fallenden, mikrokriminellen Einzelverbrechens gekennzeichnet ist, das in einem makrokriminellen Gesamtkontext steht, zu dem es eine spezifische Verbindung aufweist. In akribischer Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere der vom UN-Sicherheitsrat eingesetzten Straftribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda, werden die Struktur des Gesamttatbestands, seiner zusammengesetzten Teile sowie die einzelnen, objektiven wie subjektiven Voraussetzungen der Einzeltatbestände analysiert.

Wenn sich ungeachtet des Erkenntnisgewinns ein gewisses Unbehagen bei der Lektüre einstellt, dann gilt dies in erster Linie dem bei Anwendung des Tatbestands doch bisweilen recht laxen Umgang der Gerichte mit dem Legalitätsprinzip und dem Rückwirkungsverbot, wie zum Beispiel des Iraqui High Tribunal im Fall von Saddam Hussein. Auch der Verfasser will - offenbar um der Gerechtigkeit willen - das Legalitätsprinzip nicht als "starren Verfahrensgrundsatz" verstanden wissen; sonst könnte der Auffangtatbestand "anderer unmenschlicher Handlungen" trotz aller Konkretisierungsbemühungen keine Gültigkeit haben. Jede Aufweichung des strikten Satzes nulla poena sine lege, um strafwürdiges, aber zum Tatzeitpunkt nicht strafbares Verhalten ahnden zu können, geht aber an die rechtsstaatliche Substanz, die auch nicht auf dem Altar progressiver Internationalität geopfert werden darf. Eine völlige Entgrenzung des Tatbestandes droht, wenn perspektivisch auch schwere Umweltzerstörung, Assimilierungsbestrebungen gegenüber Ausländern oder gar "die durch Tabakverwendung hervorgerufene Todesrate oder die vermehrte Verwendung von Getreide als Biokraftstoff" als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeordnet werden sollen. Die Staatengemeinschaft täte besser daran, sich wieder auf den Kern des Verbrechens zu konzentrieren und diesen konsequent rechtlich einzuhegen.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Bernhard Kuschnik: Der Gesamttatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Herleitungen, Ausprägungen, Entwicklungen. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2009. 503 S., 98,- [Euro].

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