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Der neue Roman von Olga Tokarczuk ist ein spannender moralischer Thriller. Die schrullige Erzählerin Janina Duszejko, Dorflehrerin für Englisch und im Winter Hüterin der Häuser von Sommerfrischlern auf einem windgepeitschten Hochplateau im Glatzer Kessel, hat zwei Leidenschaften: für Astrologie und für Tiere. Außerdem kämpft sie mit einem tückischen Leiden, liest und übersetzt mit einem ehemaligen Schüler die Gedichte von William Blake und räsoniert über die Sterne, die Menschen und die Bedeutung von Namen.
Vor allem aber entwickelt die Erzählerin kuriose Theorien über die an Tieren
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Produktbeschreibung
Der neue Roman von Olga Tokarczuk ist ein spannender moralischer Thriller. Die schrullige Erzählerin Janina Duszejko, Dorflehrerin für Englisch und im Winter Hüterin der Häuser von Sommerfrischlern auf einem windgepeitschten Hochplateau im Glatzer Kessel, hat zwei Leidenschaften: für Astrologie und für Tiere. Außerdem kämpft sie mit einem tückischen Leiden, liest und übersetzt mit einem ehemaligen Schüler die Gedichte von William Blake und räsoniert über die Sterne, die Menschen und die Bedeutung von Namen.

Vor allem aber entwickelt die Erzählerin kuriose Theorien über die an Tieren begangenen Verbrechen. Als in der Umgebung eine Leiche nach der anderen gefunden wird, ist sie, die allgemein als Verrückte angesehen wird, der Polizei immer einen Schritt voraus. Dabei weiß sie das unauffällige Erscheinungsbild einer "alten Frau mit Plastiktüte in der Hand" geschickt zu nutzen. In ihrem einsamen Kampf für die Sache der Tiere legt sie sich mit den Honoratioren der Umgebung, mitder Polizei und sogar mit der Kirche an - und begibt sich dabei in große Gefahr.
Autorenporträt
Olga Tokarczuk, 1962 geboren, ist eine der bedeutendsten polnischen Autorinnen ihrer Generation. Zuletzt erschien auf Deutsch UNRAST (2009). Dafür wurde sie mit dem Nike-Literaturpreis ausgezeichnet. DER GESANG DER FLEDERMÄUSE ist als deutsch-polnische Koproduktion zur Verfilmung vorgesehen (Regie: Agnieszka Holland). Doreen Daume, 1957 geboren, übersetzt seit 1999 polnische Literatur, u. a. von Bruno Schulz, Czeslaw Milosz, Ewa Lipska, Mariusz Grzebalski, Piotr Sommer, Andrzej Kopacki. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2008 mit dem Österreichischen Staatspreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2011

Lenke deinen Wagen über die Gebeine der Toten

Von den erbarmungslosen Ritualen der Jagd: "Der Gesang der Fledermäuse" von Olga Tokarczuk ist Tierschützerroman, Krimi und scharfe Zivilisationskritik in einem.

Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur war für die polnische Autorin Olga Tokarczuk schon immer ein wichtiges Thema. Sie hat es in ihren früheren Romanen bewiesen, aber auch in ihrem schmalen, weniger bekannten Buch "Anna In in den Katakomben", das vor vier Jahren in einer kleinen Reihe über Mythen erschien. Es erzählt die Geschichte der Göttin Inanna, deren Name für die Fruchtbarkeit der Natur und somit für den Ursprung des Lebens steht.

Auch Tokarczuks neueste Figur, die Ich-Erzählerin Janina Duszejko, ist jemand, dem die Natur sehr am Herzen liegt. Ansonsten ist sie eine unauffällige Person, auf den ersten Blick zumindest: Eine ältere, alleinstehende Frau, die früher als Brückenbauingenieurin gearbeitet hat und heute in einem kleinen niederschlesischen Dorf ein unkompliziertes Leben führt. Ihren Beruf hat sie längst an den Nagel gehängt, mit dem Englischunterricht für die Dorfkinder und der winterlichen Betreuung benachbarter Sommerhäuser hat sie aber genug zu tun. Manchmal fühlt sie sich ein wenig einsam, denn "Menschen in meinem Alter haben keine Orte mehr, die sie einmal geliebt haben und wo sie hingehörten".

Dieses Gefühl der Entwurzelung resultiert aber nicht allein aus ihrem Alter - schuld daran ist auch der Ort, an dem sie lebt. Das Dorf liegt auf einer Hochebene im Glatzer Kessel, nahe der tschechischen Grenze. Es ist eine einsame Gegend, in der die Zeit ihre eigenen Regeln zu haben scheint. Das Moderne hat hier gleichsam in beschleunigter Form Einzug gehalten, will heißen: Das Internet und die EU-Regeln sind den Bewohnern zwar vertraut, doch gleichzeitig müssen sie oft auf den elementaren Alltagskomfort verzichten. Und die Stille der umliegenden Berge, die Dunkelheit der Wälder, die ihr eigenes Leben haben, und die Fledermäuse, die am Himmel ihren unruhigen Tanz vorführen, sorgen für eine einzigartige Aura.

Janinas Naturverbundenheit äußert sich vor allem in der Liebe zu Tieren. Sie kümmert sich genauso liebevoll um ihre beiden "Mädchen", wie sie zärtlich ihre Hündinnen nennt, wie um alle anderen Tierarten, um die auch ständig ihre Gedanken kreisen. Wenn sie mal einen an die Menschen verschwendet, dann nur, weil sie in ihnen deren Peiniger sieht. "Was hatten sie heute gegessen und was gestern", fragt sie sich bei der Einweihung der Kapelle des heiligen Hubertus, des Schutzpatrons der Jäger, "war der Schinken schon verdaut, waren die Hühner, Hasen und Kälber schon auf dem Weg durch ihre Mägen?" Wenn es Gott wirklich gäbe, meint sie, müsste er jetzt vom Himmel heruntersteigen oder "zumindest seine Stellvertreter, seine flammenden Erzengel herschicken, damit sie ein für alle Mal diese schreckliche Heuchelei beenden".

Tokarczuks Buch ist also ein Tierschützerroman, vor allem aber ist es ein Krimi, oder besser: Es ist beides gleichzeitig, wobei es dem kriminalistischen Plot nicht an Humor mangelt. Janinas größte Feinde sind die Wilderer, denen sie, als ihre Hunde plötzlich erschossen werden, einen offenen Krieg erklärt. Als kurz darauf aber ihr Nachbar an einem Knochen erstickt, ein Polizeibeamter in einem Brunnen ertrinkt und noch drei weitere rätselhafte Todesfälle folgen, entwickelt sie eine eigene, recht gewagte Theorie. Sie behauptet nämlich, bei den Verstorbenen handele es sich um Opfer eines mehrfachen Mordes und bei den Mördern nicht um Menschen, sondern um Tiere.

Um dieser düsteren Vision Nachdruck zu verleihen, greift sie auf ihre zweite Leidenschaft zurück, die Astrologie, und scheut sich auch nicht, die Ergebnisse ihrer Detektivarbeit der Polizei mitzuteilen. "Überprüfen Sie bitte, wo bei allen Opfern der Saturn stand", fordert sie die Ordnungshüter auf, nicht ohne sie darauf hinzuweisen, dass eines der Opfer "im Moment seines Todes den Mars im Transit der Venus hatte, was nach Erkenntnissen der Astrologie viele Analogien zu Pelztieren hat".

Nach dem etwas langatmigen und gattungsmäßig komplizierten "Unrast" hat Tokarczuk ein leichtes, unterhaltsames Buch geschrieben. Mit den Meistern der Kriminalliteratur kann sie es nicht aufnehmen - dazu sind der Plot und die Lösung des Rätsels zu einfach -, doch das hatte sie auch gar nicht vor. Ihr Roman ist ein Pastiche, der mit bekannten Mustern der Gattung spielt und dieses Spiel mit viel Ironie und skurrilem Witz betreibt. Janina richtet sich auch in ihrem Alltag nach dem Stand der Sterne, und wirklich wichtige Entscheidungen trifft sie nur noch mit Hilfe von Astrologie und Zahlensymbolik. Ansonsten unterhält sie sich gern mit ihrer verstorbenen Mutter, zu ihren "Mädchen" knüpft sie auch schnell einen intensiven spirituellen Kontakt, und ihre besten Freunde, ein Insektenforscher, die Besitzerin eines Secondhand-Ladens und ein ehemaliger Schüler, sind ebenfalls Eigenbrötler. Allerdings wäre Tokarczuk nicht sie selbst, würde sie nicht epischen Nerv mit philosophischer Tiefe verbinden. Bei ihrer Betrachtung des modernen Menschen beschränkt sie sich nicht nur auf seinen Umgang mit der Natur. Sie beklagt auch generell den Zustand unserer Welt, in der zunehmend Rücksichtslosigkeit und Mangel an Empathie herrschen. Und sie fragt, wenn auch vom gnostischen Standpunkt aus, nach der Vereinbarkeit des menschlichen Verhaltens mit der Güte und Gerechtigkeit Gottes.

Geistiger Pate ihrer pessimistischen Weltdiagnose ist der englische Dichter und Mystiker William Blake, den Janina zusammen mit ihrem ehemaligen Schüler übersetzt und der in der polnischen Literatur bisher vor allem dank Czeslaw Milosz existierte: In seinem essayistischen Hauptwerk "Das Land Ulro" wollte Milosz nach eigenen Worten "die Erosion der religiösen Imagination in unserer Epoche aufzeigen" und griff dazu auf einen von Blakes Texten zurück. Diesem entnahm er auch den Titel des Bandes: Er bezeichnet einen Ort der geistigen Heimatlosigkeit, eine Welt, in der die Menschen zu statistischen Einheiten werden.

Nun greift Olga Tokarczuk auf den englischen Mystiker zurück, um scharfe Zivilisationskritik zu üben. Jedem Kapitel ihres Romans steht ein Blake-Zitat als Motto voran, einer seiner Briefe beschäftigt die beiden Hobby-Übersetzer ein ganzes Wochenende lang, und der Titel des polnischen Originals ist ebenfalls seiner Dichtung entnommen: "Lenke deinen Wagen und Pflug über die Gebeine der Toten" - ein Satz, der Janina auf einen Gedanken in Bezug auf die Jagdrituale bringt: "Plötzlich war mir klar, warum die Hochsitze, die doch mehr an die Wachtürme eines Konzentrationslagers erinnern, Kanzeln genannt werden. Auf einer Kanzel stellt sich ein Mensch über die anderen Lebewesen und erteilt sich selbst die Macht über ihr Leben und ihren Tod." Eine kühne Assoziation, die den gedanklichen Ansatz des Romans eindrucksvoll verdeutlicht.

Ihr Talent, einen philosophisch ambitionierten Stoff in eine leichte literarische Form zu verpacken, hat Olga Tokarczuk schon mehrmals den Vergleich mit Umberto Eco eingebracht, und, wie es scheint, hat er auch in diesem Fall seine Berechtigung. Ebenso wie der mit Gabriel García Márquez, mit dem sie die Fähigkeit verbindet, eine in sich geschlossene Welt zu erschaffen und eine alltägliche Situation in eine Katastrophe respektive ein Geheimnis münden zu lassen. Kurz, sie zeigt erneut ihr ganzes stilistisches Können, zu dem noch einiges mehr gehört: die Kraft und Präzision der Sprache, die Genauigkeit der Beschreibung, die jedes noch so kleine Detail greifbar macht, die Zeichnung der Figuren, die bei aller Skurrilität etwas seltsam Anziehendes an sich haben. Ein Roman müsse vor allem Spaß machen, sagt sie manchmal in ihren Interviews. Dass dies auch ihre eigene Devise ist, kann man diesmal besonders deutlich spüren.

MARTA KIJOWSKA

Olga Tokarczuk: "Der Gesang der Fledermäuse". Roman.

Aus dem Polnischen von Doreen Daume. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2011. 352 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Peter Kunisch mag Olga Tokarczuk und ihren märchenhaften, etwas versponnenen Stil. Und auch ihren neuen Roman "Der Gesang der Fledermäuse" hat er gern gelesen, auch wenn er nicht ganz die "existenzielle Intensität" ihres Meisterwerks "Unrast" biete. Trotzdem schlägt ihn die polnische Autorin wieder als "ausgezeichnete Menschenerfinderin" in den Bann. Sie erzählt von einer in die Jahre gekommenen Bergbauingenieurin, die sich in die südpolnischen Berge zurückgezogen, wo sie ihrer Liebe zu Tieren und William Blake frönt. Von Idylle kann hier aber keine Rede sein, Morde geschehen. Ganz überzeugt ist Kunisch offenbar nicht von der Geschichte, aber er betont, dass Tokarczuk auch hier eine bewundernswert bildreiche Sprache pflegt und das sie mit der "Literarisierung der Tierwelt" nicht im Abseits steht, sondern in der Nähe von J.M. Coetzee und Jonathan Safran Foer.

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