Produktdetails
- Verlag: List
- Seitenzahl: 464
- Abmessung: 41mm x 146mm x 219mm
- Gewicht: 755g
- ISBN-13: 9783471793602
- ISBN-10: 3471793607
- Artikelnr.: 24817751
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2000Mögliche Attacken
In der Renaissance hat die
moderne Konsumwelt begonnen
Enthüllungsliteratur, Neues aus einer alten Zeit, der Renaissance. Nicht ganz so sensationell vielleicht, wie der Tonfall manchmal suggeriert, aber durchwegs lebhaft, temperamentvoll.
„Die Welt, die wir heute bewohnen, mit ihrer rücksichtslosen Konkurrenz, dem angeheizten Konsum, dem rastlosen Verlangen nach immer weiteren Horizonten, Reisen, Entdeckungen und Neuerungen, diese Welt, die umschlossen von kleinlichem Nationalismus und religiöser Bigotterie, doch nicht willens ist, sich davon vereinnahmen zu lassen – es ist eine Welt, die entstanden ist in jener einzigartigen Zeit der Renaissance. ”
Das ist der letzte Satz des Buches und so konzentriert, als Fazit und Formel, wirkt er einschüchternder, als er gemeint ist. Denn zuvor hat man sich mit Lisa Jardine Episode für Episode faszinieren lassen von eben dieser Welt, und die alte Scheu abgelegt davor, was passiert, wenn die verschiedenen Bereiche sich vermengen, wenn Kunst zusammengeht mit Kommerz, Handwerk mit Ideen.
Es ist eine britische Perspektive, in der hier erzählt wird, der Blick geht gern aufs Detail – aufs Handwerkliche, aufs Manuelle. Auf wissenschaftliches Gerät zum Beispiel, oben abgebildet: ein Ausschnitt aus Holbeins Porträt des Kaufmanns und Hofastronomen Nikolaus Kratzer; die gleichen Instrumente tauchen auch auf Holbeins Bild Die Gesandten auf – das Schlüsselbild der Epoche?
„Worldly goods” kündigt der Originaltitel an. Die Konsumgesellschaft etabliert sich, überall reiches Gepränge, repräsentativ, protzerhaft. Selbstdarstellung ist angesagt, und die Künste profitieren davon, die Künstler. Bibliotheken und Galerien werden gegründet, Paläste und Kirchen gebaut. Globalisierung hat begonnen, Weltreisen und Kolonisation. Es gibt Parallelen zum Kulturgeschehen heute in Hülle und Fülle. Überall wird offen gehandelt und gefeilscht, man macht Reklame für sich und hat keine Angst vor großen Schulden.
Ästhetik wird kalkulierbar – das Ultramarin der Jungfrau Maria war weniger dicht und teuer als das der Heiligen. Erasmus war ein Bestsellerautor und hat sich als solcher gern in Buchhandelsgeschäfte gemischt. Und Leonardo machte Reklame für seine militärische Ingenieurskunst – was die Verteidigung anging, aber auch für mögliche Attacken.
göt
LISA JARDINE: Der Glanz der Renaissance. Ein Zeitalter wird entdeckt. Aus dem Englischen von Anne Spielmann. List Verlag, München 1999. 464 Seiten, Abbildungen, 58 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
In der Renaissance hat die
moderne Konsumwelt begonnen
Enthüllungsliteratur, Neues aus einer alten Zeit, der Renaissance. Nicht ganz so sensationell vielleicht, wie der Tonfall manchmal suggeriert, aber durchwegs lebhaft, temperamentvoll.
„Die Welt, die wir heute bewohnen, mit ihrer rücksichtslosen Konkurrenz, dem angeheizten Konsum, dem rastlosen Verlangen nach immer weiteren Horizonten, Reisen, Entdeckungen und Neuerungen, diese Welt, die umschlossen von kleinlichem Nationalismus und religiöser Bigotterie, doch nicht willens ist, sich davon vereinnahmen zu lassen – es ist eine Welt, die entstanden ist in jener einzigartigen Zeit der Renaissance. ”
Das ist der letzte Satz des Buches und so konzentriert, als Fazit und Formel, wirkt er einschüchternder, als er gemeint ist. Denn zuvor hat man sich mit Lisa Jardine Episode für Episode faszinieren lassen von eben dieser Welt, und die alte Scheu abgelegt davor, was passiert, wenn die verschiedenen Bereiche sich vermengen, wenn Kunst zusammengeht mit Kommerz, Handwerk mit Ideen.
Es ist eine britische Perspektive, in der hier erzählt wird, der Blick geht gern aufs Detail – aufs Handwerkliche, aufs Manuelle. Auf wissenschaftliches Gerät zum Beispiel, oben abgebildet: ein Ausschnitt aus Holbeins Porträt des Kaufmanns und Hofastronomen Nikolaus Kratzer; die gleichen Instrumente tauchen auch auf Holbeins Bild Die Gesandten auf – das Schlüsselbild der Epoche?
„Worldly goods” kündigt der Originaltitel an. Die Konsumgesellschaft etabliert sich, überall reiches Gepränge, repräsentativ, protzerhaft. Selbstdarstellung ist angesagt, und die Künste profitieren davon, die Künstler. Bibliotheken und Galerien werden gegründet, Paläste und Kirchen gebaut. Globalisierung hat begonnen, Weltreisen und Kolonisation. Es gibt Parallelen zum Kulturgeschehen heute in Hülle und Fülle. Überall wird offen gehandelt und gefeilscht, man macht Reklame für sich und hat keine Angst vor großen Schulden.
Ästhetik wird kalkulierbar – das Ultramarin der Jungfrau Maria war weniger dicht und teuer als das der Heiligen. Erasmus war ein Bestsellerautor und hat sich als solcher gern in Buchhandelsgeschäfte gemischt. Und Leonardo machte Reklame für seine militärische Ingenieurskunst – was die Verteidigung anging, aber auch für mögliche Attacken.
göt
LISA JARDINE: Der Glanz der Renaissance. Ein Zeitalter wird entdeckt. Aus dem Englischen von Anne Spielmann. List Verlag, München 1999. 464 Seiten, Abbildungen, 58 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Volker Reinhardt lässt sich nicht die Gelegenheit nicht entgehen, Lisa Jardines Versuch, der Renaissance neue Facetten abzugewinnen, ordentlich "durch den Kakao zu ziehen". Dabei listet er Jardines "bemerkenswerte Enthüllungen" nicht ohne Ironie auf: misslungene Begriffsinterpretationen, Fehler bei zeitlichen Zuordnungen ("um ein weniges (circa 250 Jahre) zu früh datiert") und fragwürdige Neuigkeiten über zahlreiche Persönlichkeiten der Zeit. Am meisten stört sich Reinhardt jedoch daran, dass Jardine ihr Augenmerk fast ausschließlich auf die Themen Geld und Glamour richtet. Anders als die "pedantischen Federfuchser-Gelehrten" ist Jardine nämlich der Ansicht, dass die Renaissance von "Big Business" und frühen "Shareholder-Value"-Ideen geprägt ist. Abschließend freut sich Reinhardt schon darauf, dass sicher bald "Verona Feldbusch ein Magazin über die Offizien moderieren wird".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH