Eine unkonventionelle Frau
Alice wird als junges Mädchen mit dem älteren Aubrey verheiratet, um die verarmte Familie auf Creston Hall zu sanieren. Zwar ist Alice ein nicht ganz unerfahrenes Mädchen, doch stellt die Ehe mit Aubrey sie vor einige Hindernisse: Wer ist dieser schweigsame Mann, der kaum
Interesse an ihr zu haben scheint, und warum hat er sie geheiratet? Der Hörer begleitet Alice auf…mehrEine unkonventionelle Frau
Alice wird als junges Mädchen mit dem älteren Aubrey verheiratet, um die verarmte Familie auf Creston Hall zu sanieren. Zwar ist Alice ein nicht ganz unerfahrenes Mädchen, doch stellt die Ehe mit Aubrey sie vor einige Hindernisse: Wer ist dieser schweigsame Mann, der kaum Interesse an ihr zu haben scheint, und warum hat er sie geheiratet? Der Hörer begleitet Alice auf den Irr- und Umwegen ihrer Ehe über Frankreich zurück nach England und von dort, als der 2. Weltkrieg auszubrechen droht, nach Amerika, begleitet von diversen Männerbekanntschaften, die die Leere ihrer Ehe durch die häufige Abwesenheit ihres Mannes füllen sollen. In Amerika beginnt für Alice ein neuer Lebensabschnitt: sie erhält die Möglichkeit, eine Kolumne in einer Zeitung zu schreiben und ihr erstes Buch zu veröffentlichen. Doch die dunklen Schatten aus Europa reichen sehr weit …
Das Hörbuch ist weder historischer Roman noch Familiensaga, vielleicht kann man es am ehesten als Sittengemälde beschreiben, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Es geht um das Leben der Frauen, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die zwei Weltkriege entscheidend zu verändern beginnt und das doch noch lange den alten Konventionen verhaftet bleibt. Auf der einen Seite ist die materielle Versorgung der Frau in der Ehe noch das gängige Modell, in dem sie sich dem Wunsch des Mannes zu fügen und kaum eine Chance hat, sollte sie ungewollt ein Kind erwarten. Auf der anderen Seite sind Frauen immer mehr gezwungen, sich selbst zu erhalten, durch Berufstätigkeit oder geschickte Ehepolitik. Alice bewegt sich irgendwo dazwischen. Zwar hat sie sich den Eheplänen ihrer Mutter zu beugen und ist lange so unselbständig, wie es junge Mädchen mit den entsprechenden Hauspersonal eben sind, so lässt ihr Mann ihr in ihrer Ehe doch reichlich Freiheit auch für Affären und sexuelle Abenteuer sowie für ihre schriftstellerischen Ambitionen. Doch bleibt sie letztlich in der Sehnsucht nach der Liebe des Mannes, mit dem sie zwar verheiratet ist, der aber zugleich unerreichbar scheint, gefangen. Weit über die Hälfte des Buches begleitet man sie durch zahl- und wahllose Affären und Selbstbespiegelungen ihrer Sehnsüchte, was ein wenig mühselig ist. Dabei scheint sie in einer Art luftleerer Blase zu leben, tangiert ihr Leben doch kaum etwas als ihr Seelenleben und ihre Beziehung(en). Erst mit der Zeit in Amerika nimmt auch die äußere Handlung an Fahrt auf, der Krieg tangiert zumindest in Briefform jetzt auch Alices Leben. Mit ihrer Schriftstellertätigkeit setzt allmählich auch ein Prozess der Selbständigkeit ein: sie kauft ein Haus, lernt Autofahren und auch ein wenig kochen.
Die breite Schilderung des Sitten- und Seelenlebens muss man mögen, auch wenn der Schluss mich etwas versöhnlicher stimmt.
Der Vortrag des Hörbuches passt für mich sowohl stimmlich als auch von der Intonation, sodass sich schnell das Gefühl einstellt, der Hörer folge Alice eigenen Worten und Gedanken.