Globalisierung, Gier und fehlende Bankenregulierung - sie alle wurden für die Krise der Weltwirtschaft verantwortlich gemacht. In Wahrheit sind dies nur Nebenschauplätze eines weit größeren Dramas. Eines Dramas, das in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurzelt und bereits seit den 1970er Jahren auf offener Bühne spielt: als die Welt wider besseres Wissen begann, mit ihrem Geld den "Globalen Minotaurus" Amerika zu nähren - so wie einst die Athener dem mythischen Fabeltier auf Kreta Tribut zollten. Heute sind die USA als Stabilisator der Weltwirtschaft selbst nachhaltig geschwächt, und die Konsequenzen des Machtvakuums zeigen sich allerorten. Sie machen vor allem eines klar: Stabilität in der Weltwirtschaft ist nicht umsonst zu haben; sie erfordert historische Entscheidungen - wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Hegemonialstellung Amerikas begann. Statt hektischer Rettungsaktionen mit immer kürzeren Verfallsdaten ist eine grundlegende Debatte über Stabilitätspolitik, ist ein Neuanfang unvermeidlich.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Eine kluge und zudem auch für Laien verständlich geschriebene Zeitdiagnostik hat Christiane Müller-Lobeck in diesem Buch über die Konsequenzen aus der wirtschaftlichen Schwächung der USA infolge der Finanzkrise 2008 des Athener Ökonomen Yanis Varoufakis gelesen. Sehr viel Raum gibt die Rezensentin Varoufakis' historisch-analytischem Ansatz, der im Kern die These des "Überschussrecycling" umkreist, derzufolge die USA eigene Überschüsse gezielt zum wirtschaftlichen Aufbau anhängiger Abnehmerstaaten, darunter Deutschland und Japan, genutzt habe. Gut gefällt Müller-Lobeck dabei die Abwesenheit jeden moralischen Tonfalls: Weder werde Finanzleuten ihre Gier vorgeworfen, noch "europäische Solidarität" eingefordert. Statt dessen plädiere der Autor "leidenschaftlich" für einen Wechsel in der Politik, von dem man als Leser wohl ausgehen kann, dass ihn sich auch die Rezensentin wünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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