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Produktdetails
  • Verlag: Kiepenheuer
  • Seitenzahl: 232
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 386g
  • ISBN-13: 9783378010369
  • ISBN-10: 3378010363
  • Artikelnr.: 24226156
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.1999

Drehscheibe Türkei
Der Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg

Johannes Bähr unter Mitarbeit von Michael C. Schneider: Der Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg. Ein Bericht des Hannah-Arendt-Instituts. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig, 1999. 232 Seiten, 5 Abbildungen, 36,- Mark.

Vor nicht ganz zwei Jahren erschütterten Meldungen über dunkle Goldgeschäfte der Deutschen und der Dresdner Bank die Bankenwelt. Recherchen der Unabhängigen Schweizer Historikerkommission ergaben, dass mehrere Tonnen Zahngold und Schmuckgold jüdischer Opfer in Form neutraler Goldbarren an die beiden größten deutschen Banken gelangt und von diesen in die Schweiz verkauft wurden.

Der Berliner Wirtschaftshistoriker Johannes Bähr legte im Auftrag des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung eine umfangreiche Studie über den Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg vor, die bescheiden als "Zwischenbericht" etikettiert ist. Bährs Bericht über den Goldhandel ist nur ein Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts des Hannah-Arendt-Instituts, das im Auftrag des Bankhauses die Geschichte der Dresdner Bank im "Dritten Reich" auf der Grundlage zahlreicher bislang unbekannter Quellen erforscht.

Bährs Untersuchung bringt einige Ergebnisse, die auch die Fachwelt überraschen. Nicht etwa die Schweiz, sondern die ebenfalls neutrale Türkei diente der Dresdner Bank als die wichtigste Drehscheibe des Raubgoldhandels. Der weitaus größte Teil des sogenannten Raubgolds stammte aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden und war von den deutschen Besatzungsbehörden bei Geschäftsbanken, Notenbanken und bei Privatpersonen beschlagnahmt worden. Ein erheblich kleinerer Anteil des gesamten Raubgoldes (324 kg von insgesamt fast vier Tonnen) stammte aus dem Besitz jüdischer Opfer. Nach dem Umschmelzen in neutrale Goldbarren gelangte das Opfergold von der Reichsbank in die Tresore der Dresdner Bank.

Weshalb entwickelte sich die Türkei ab Ende 1942 zum wichtigsten Handelsplatz für das geraubte Gold, das über die Dresdner Bank wieder in den Kreislauf des internationalen Goldhandels zurückfloss? Etwa 3,2 der vier Tonnen Raubgold waren niederländische, belgische, französische und italienische Goldmünzen, die sich von diesem Zeitpunkt an nicht mehr in der Schweiz absetzen ließen. Die Herkunft der Goldmünzen aus dem besetzten Westeuropa war für die Schweizer Behörden so offensichtlich, dass nach dem Krieg mit Regressforderungen zu rechnen gewesen wäre. Doch nicht allein wegen der fehlenden Alternative, sondern auch wegen der hohen Goldkurse war der türkische Goldmarkt für die deutschen Banken ausgesprochen attraktiv. Trotz alliierter Warnungen an die türkische Regierung ging der Goldhandel mit der Türkei noch bis August 1944 weiter, als die Türkei bereits ihre Chromerzlieferungen an das Reich abgebrochen hatte.

Der Goldhandel mit der Türkei diente nicht etwa der Rohstoffbeschaffung oder der Finanzierung geheimdienstlicher Operationen, sondern trivialen Gewinninteressen. Auf dem unregulierten türkischen Goldmarkt erzielten die Deutsche Bank und die Dresdner Bank erhebliche Arbitragegewinne, an denen sie zu einem kleineren Teil auch die Reichsbank profitieren ließen. Mangels eindeutiger Indizien lässt der Autor die Frage offen, ob die beteiligten Vorstandsmitglieder und Direktoren der Bank von der blutigen Herkunft des Opfergoldes wussten, es wissen oder es ahnen konnten.

Während das zuständige Vorstandsmitglied für das Auslandsgeschäft nicht der NSDAP angehörte, standen seine beiden Vorstandskollegen Emil Meyer und Karl Rasche in engen Geschäftsbeziehungen mit dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) der SS. Meyers und Rasches kollegiales Verhältnis zum Chef des SS-WVHA, Oswald Pohl, dem seit Ende 1942 auch die Konzentrationslager unterstanden, ist bekannt. Doch über Geheimnisse dieser Art wurde, wenn überhaupt, nur mündlich und in der Tarnsprache der Vollstrecker kommuniziert. Johannes Bähr hat gute Gründe, das von Historikern gepflegte positivistische Prinzip "Was nicht in den Akten ist, ist auch nicht in der Welt" in diesem Fall zu übergehen.

CHRISTOPHER KOPPER

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