Harriet Pringle fährt mit ihrem Mann im Zug durch ein vom Krieg bedrohtes Europa Richtung Osten. Guy arbeitet seit Längerem in Bukarest, nun nimmt er seine junge Braut mit in diese Metropole zwischen Moderne und orientalischem Durcheinander, eine Stadt, in der sich Spione, Militärs, verarmte russische Adelige, halbseidene Damen, Nazifunktionäre, geflüchtete jüdische Professoren die Klinken der prächtigen und weniger prächtigen Hotels, der Cafés und Nachtbars in die Hand geben. Ungetrübt ist das junge Eheglück ganz und gar nicht. Und obwohl Harriet genug zu grübeln hat über die attraktive Rumänin Sophia und andere verdächtige Kontakte ihres Mannes, geht sie doch mit sehr offenen, für Anzeichen einer drohenden Katastrophe wie für die Schönheit der so verwirrenden Fremde empfänglichen Augen durch die Tage kurz vor dem ganz großen Knall. Alle fragen sich: Werden morgen deutsche Tanks über die Avenuen rollen oder kommt die Rote Armee? Und währenddessen übt die wahrhaft bunte britische Expat Community ein Shakespearestück: Troilus and Cressida - der Fall von Troja.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Elmar Schenkel freut sich über diesen ersten Band der Balkan-Trilogie der Autorin, der es gelinge, einen "weiblicher Blick" auf die beinahe groteske Situation der Auslandsbriten in Rumänien nach Dunkirk und dem Abzug der britischen Armee aus Europa 1940 zu werfen. Es ist die Zeit, in der die Deutschen zunehmend die Stadt übernehmen, halb Europa schon Krieg und Besatzung erleidet, aber die Autorin lässt ihre Briten in ihrer "Edel-Enklave" in Bukarest, zwischen Hochstaplern und schillernden Existenzen lebend, ein Shakespeare-Stück inszenieren, erzählt der faszinierte Kritiker. Überhaupt wird seiner Meinung nach aus der Perspektive der Protagonistin, einer frisch verheirateten Frau, die Bedrohlichkeit und Unentschiedenheit der historischen Situation "auf großartige Weise" aufgezeigt. Er hofft auf die Publikation der Nachfolgebände in deutscher Übersetzung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2021Shakespeare in Bukarest
Mit den Pringles im Zug: Olivia Manning sondiert die Kriegsstimmung 1940 unter Briten in Rumänien
Rumänien zu Beginn des Zweiten Weltkriegs: ein politischer Dschungel, ein Staat zwischen sich bekämpfenden Fraktionen, die faschistischen Legionäre der Eisernen Garde gegen einen gleichfalls brutal-zynischen Monarchen. Den Führer der Eisernen Garde lässt König Carol II. 1938 umbringen, aus Rache wird im September 1939 der Premierminister Armand Calinescu ermordet. Über dem Land hängt die Frage, mit wem es sich verbünden soll, denn der Krieg könnte große Gebietsverluste einbringen. Derweil überrollen die Deutschen schon halb Europa. Großbritannien hat zwar eine Schutzgarantie abgegeben, doch es ist mit seiner Selbstverteidigung beschäftigt. Zudem steht historisch und kulturell Frankreich dem Balkanland viel näher, das britische Empire ist für die Rumänen dagegen, wie die deutsch-amerikanische Journalistin Rita Gräfin Waldeck einmal schrieb, so exotisch-fern wie die chinesische Zivilisation des sechzehnten Jahrhunderts.
Das ist in etwa die Situation, in die uns Olivia Mannings Roman "Der größte Reichtum" einführt. Wie viele Balkan-Bücher von britischen Autoren und Reisenden (von Bram Stoker bis Rebecca West) beginnt auch dieses mit einem letzten Blick nach Mitteleuropa, "irgendwo in der Nähe von Venedig". Das frisch verheiratete Paar Harriet und Guy Pringle ist auf dem Weg nach Bukarest, wo Guy als Dozent für englische Literatur arbeitet. Im Zug trifft man einen flüchtenden deutschen Juden, der vor ihren Augen abgeführt wird. Dann Bukarest: noch halb Traum, in einer Blase lebend, die jedoch fragil geworden ist.
Mit den Pringles im Zug ist auch ein russisch-irischer Prinz mitgekommen, ein liebenswürdiger Schnorrer, der jedoch zu einem windigen und daher gefährlichen Spieler im politischen Gefüge wird. Dieser Jakimov wird in Bukarest die Wege des Ehepaars kreuzen, denn er sucht in jeder Stadt erst einmal die jeweilige britische Enklave - Botschaft, British Council, Konsulat - auf, um an gefüllte Tische und gute Drinks zu kommen. Harriet dagegen tritt als Neuankömmling mit frischen Wahrnehmungen in eine Stadt, die sie zunächst gar nicht einordnen kann: Ist es das Paris des Balkans? Oder vielmehr eine orientalische Stadt, in der man den Bosporus riechen kann, wie kurz zuvor der Reiseautor Sacheverell Sitwell geschrieben hat?
Jakimov, der im Pelzmantel seines Vaters gekleidete verarmte Adlige, weiß sich immer wieder einzuschmeicheln, Geld auszuborgen und liebenswürdig aus Affären zu ziehen. Er verkörpert geradezu Rumäniens politische Lage: allen Seiten gewogen, solange die eigenen Interessen verfolgt werden können. Er versucht in den besten Hotels unterzukommen oder spielt sich als Reporter mit Geheimwissen auf. Harriet sieht das Leben mit den Augen einer Malerin - es gibt wunderbare jahreszeitliche Impressionen und Tagesstimmungen - und versucht sich einen Reim auf die chaotischen politischen Vorgänge zu machen.
Im Zentrum des ersten Romanteils steht die Ermordung des Premierministers durch die Eiserne Garde; diese macht sich, unterstützt von den Deutschen, in der Stadt hemmungslos breit. Offiziell wird der Mord als Tat frustrierter junger Leute verbrämt. Mit dieser ersten großen Erschütterung schreibt sich das Weltgeschehen ins Leben der Pringles ein. Zusehends rücken Alltag und Politik näher, bis sie kaum noch zu unterscheiden sind.
Als magnetischer Ort erweist sich das Luxushotel "Athénée" mit seiner englischen Bar. Hier trifft man auf die Offiziellen der verschiedenen Mächte, tauscht Informationen, bläht sich auf, spioniert oder schmarotzt. Jakimovs Lieblingsplatz, an dem immer mal wieder ein Buffet im Türspalt erscheint und ihn erschaudern lässt, ist auch eine Halbwelt mit phanariotischen Prinzen - Mitglieder einer abgewirtschafteten griechischen Aristokratie mit Istanbuler Hintergrund -, die wie alternde zynische Falter um die Machtzentren kreisen und auch nur einen Drink wollen. Wichtigtuer zuhauf sind hier anzutreffen, ernsthafte Kulturvermittler ebenso wie Reporter und Sängerinnen. Um ein genaues Bild dieser Edel-Enklave zu erhalten, sei die Lektüre der Aufzeichnungen der oben erwähnten Gräfin Waldeck in ihrem Reportageband "Athénée Palace" (2018 auf Deutsch erschienen im Pop Verlag) empfohlen. Was Manning aus britischer Perspektive beschreibt, kann man dort einordnen in den größeren politischen und menschlichen Zusammenhang der Zeit.
Harriet nimmt das orientalisch-korrupte Flair mit großer Anspannung wahr, sie hat auch etwas gegen Bettler. Rumänen, zumal die Bauern, sind ihr nicht geheuer. Guy dagegen kann mit allen irgendwie, ist großzügig, gesprächig, positiv. Die Deutschen aber ziehen immer tiefer in die Stadt ein. Gegenüber dem britischen Informationsbüro, das mit Reisen in den Lake District wirbt, liegt das deutsche Propagandabüro. Im Schaufenster sieht man eine Karte Europas, auf der Pfeile das Vorrücken der Nationalsozialisten abbilden. Nach Polen und Norwegen ist nun Frankreich an der Reihe. Im "Athénée" werden die Engländer bald aus ihrer Bar von grölenden deutschen Nazis und Gardisten vertrieben, das Leben auf der Straße wird immer roher. Was wollen die Briten hier noch ausrichten, nachdem man sich aus Dünkirchen zurückzog? Sie hören, wie Churchill mit seiner berühmten Rede "We shall fight on the beaches" vom Juni 1940 dem sich ausbreitenden Defätismus vor der deutschen Übermacht entgegentritt - aber sie sind so fern, diese Auslandsbriten, sie können sich den Krieg noch nicht vorstellen. Englische Filme dringen nicht mehr durch, man ist auf deutsche Wochenschauen angewiesen, und im Kino fangen junge Frauen an, die deutschen blonden Krieger zu bewundern.
In dieser bedrohten Lage hilft Literatur. Der unermüdliche Guy kann 28 Kollegen und Freunde, Briten und Rumäninnen, gewinnen, ein Shakespeare-Stück einzuüben und im Nationaltheater aufzuführen. Shakespeare gibt Halt und Struktur und festigt die Freundschaft zwischen den Völkern, aber beruhigt auch die privaten Fehden zwischen einer eifersüchtigen Harriet und der schillernden Rumänin Sophie, für die Guy sich so auffällig einsetzt. Selbst der traurige und ewig hungrige Prinz Jakimov läuft zur Hochform auf. Es ist natürlich kein Zufall, dass man "Troilus und Cressida" spielt, in dem es um das belagerte Troja geht.
Olivia Manning (1908 bis 1980) schrieb diesen ersten Teil ihrer Balkan-Trilogie ein Jahrzehnt nach Ende des Krieges. Hierzulande ist sie kaum bekannt, auch wenn es schon eine unvollständige Übersetzung gab. Silke Jellinghaus hat erstmals dem ganzen Text eine frische Fassung gegeben. In Großbritannien leuchtete 1987 Mannings Ruhm noch einmal kurz auf, als die BBC ihre Bücher verfilmen ließ, mit Emma Thompson und Kenneth Branagh in den Hauptrollen. Man hat Manning mit Graham Greene oder Evelyn Waugh verglichen. Neu aber ist vor allem der weibliche Blick auf eine historisch äußerst instabile Situation, in der ein Land sich zwischen den Mächten bewegt und am Ende schließlich auf eine Seite kippt. Besser als in historischen Sachbüchern kann der Roman die geschichtliche Offenheit und Ungewissheit erzeugen, und das gelingt Manning auf großartige Weise.
Die Autorin hat diese Romane als autobiographische Werke angesehen. Ihr Mann, das Vorbild für Guy, war, wie sich später herausstellte, Agent für die Sowjets. Manning schrieb noch eine Reihe weiterer Romane und Sachbücher, aber wir wollen den nächsten Band der Trilogie auf Deutsch lesen! ELMAR SCHENKEL
Olivia Manning: "Der größte Reichtum". Roman.
Mit einem Nachwort von Rachel Cusk. Aus dem Englischen von Silke Jellinghaus. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020.
464 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit den Pringles im Zug: Olivia Manning sondiert die Kriegsstimmung 1940 unter Briten in Rumänien
Rumänien zu Beginn des Zweiten Weltkriegs: ein politischer Dschungel, ein Staat zwischen sich bekämpfenden Fraktionen, die faschistischen Legionäre der Eisernen Garde gegen einen gleichfalls brutal-zynischen Monarchen. Den Führer der Eisernen Garde lässt König Carol II. 1938 umbringen, aus Rache wird im September 1939 der Premierminister Armand Calinescu ermordet. Über dem Land hängt die Frage, mit wem es sich verbünden soll, denn der Krieg könnte große Gebietsverluste einbringen. Derweil überrollen die Deutschen schon halb Europa. Großbritannien hat zwar eine Schutzgarantie abgegeben, doch es ist mit seiner Selbstverteidigung beschäftigt. Zudem steht historisch und kulturell Frankreich dem Balkanland viel näher, das britische Empire ist für die Rumänen dagegen, wie die deutsch-amerikanische Journalistin Rita Gräfin Waldeck einmal schrieb, so exotisch-fern wie die chinesische Zivilisation des sechzehnten Jahrhunderts.
Das ist in etwa die Situation, in die uns Olivia Mannings Roman "Der größte Reichtum" einführt. Wie viele Balkan-Bücher von britischen Autoren und Reisenden (von Bram Stoker bis Rebecca West) beginnt auch dieses mit einem letzten Blick nach Mitteleuropa, "irgendwo in der Nähe von Venedig". Das frisch verheiratete Paar Harriet und Guy Pringle ist auf dem Weg nach Bukarest, wo Guy als Dozent für englische Literatur arbeitet. Im Zug trifft man einen flüchtenden deutschen Juden, der vor ihren Augen abgeführt wird. Dann Bukarest: noch halb Traum, in einer Blase lebend, die jedoch fragil geworden ist.
Mit den Pringles im Zug ist auch ein russisch-irischer Prinz mitgekommen, ein liebenswürdiger Schnorrer, der jedoch zu einem windigen und daher gefährlichen Spieler im politischen Gefüge wird. Dieser Jakimov wird in Bukarest die Wege des Ehepaars kreuzen, denn er sucht in jeder Stadt erst einmal die jeweilige britische Enklave - Botschaft, British Council, Konsulat - auf, um an gefüllte Tische und gute Drinks zu kommen. Harriet dagegen tritt als Neuankömmling mit frischen Wahrnehmungen in eine Stadt, die sie zunächst gar nicht einordnen kann: Ist es das Paris des Balkans? Oder vielmehr eine orientalische Stadt, in der man den Bosporus riechen kann, wie kurz zuvor der Reiseautor Sacheverell Sitwell geschrieben hat?
Jakimov, der im Pelzmantel seines Vaters gekleidete verarmte Adlige, weiß sich immer wieder einzuschmeicheln, Geld auszuborgen und liebenswürdig aus Affären zu ziehen. Er verkörpert geradezu Rumäniens politische Lage: allen Seiten gewogen, solange die eigenen Interessen verfolgt werden können. Er versucht in den besten Hotels unterzukommen oder spielt sich als Reporter mit Geheimwissen auf. Harriet sieht das Leben mit den Augen einer Malerin - es gibt wunderbare jahreszeitliche Impressionen und Tagesstimmungen - und versucht sich einen Reim auf die chaotischen politischen Vorgänge zu machen.
Im Zentrum des ersten Romanteils steht die Ermordung des Premierministers durch die Eiserne Garde; diese macht sich, unterstützt von den Deutschen, in der Stadt hemmungslos breit. Offiziell wird der Mord als Tat frustrierter junger Leute verbrämt. Mit dieser ersten großen Erschütterung schreibt sich das Weltgeschehen ins Leben der Pringles ein. Zusehends rücken Alltag und Politik näher, bis sie kaum noch zu unterscheiden sind.
Als magnetischer Ort erweist sich das Luxushotel "Athénée" mit seiner englischen Bar. Hier trifft man auf die Offiziellen der verschiedenen Mächte, tauscht Informationen, bläht sich auf, spioniert oder schmarotzt. Jakimovs Lieblingsplatz, an dem immer mal wieder ein Buffet im Türspalt erscheint und ihn erschaudern lässt, ist auch eine Halbwelt mit phanariotischen Prinzen - Mitglieder einer abgewirtschafteten griechischen Aristokratie mit Istanbuler Hintergrund -, die wie alternde zynische Falter um die Machtzentren kreisen und auch nur einen Drink wollen. Wichtigtuer zuhauf sind hier anzutreffen, ernsthafte Kulturvermittler ebenso wie Reporter und Sängerinnen. Um ein genaues Bild dieser Edel-Enklave zu erhalten, sei die Lektüre der Aufzeichnungen der oben erwähnten Gräfin Waldeck in ihrem Reportageband "Athénée Palace" (2018 auf Deutsch erschienen im Pop Verlag) empfohlen. Was Manning aus britischer Perspektive beschreibt, kann man dort einordnen in den größeren politischen und menschlichen Zusammenhang der Zeit.
Harriet nimmt das orientalisch-korrupte Flair mit großer Anspannung wahr, sie hat auch etwas gegen Bettler. Rumänen, zumal die Bauern, sind ihr nicht geheuer. Guy dagegen kann mit allen irgendwie, ist großzügig, gesprächig, positiv. Die Deutschen aber ziehen immer tiefer in die Stadt ein. Gegenüber dem britischen Informationsbüro, das mit Reisen in den Lake District wirbt, liegt das deutsche Propagandabüro. Im Schaufenster sieht man eine Karte Europas, auf der Pfeile das Vorrücken der Nationalsozialisten abbilden. Nach Polen und Norwegen ist nun Frankreich an der Reihe. Im "Athénée" werden die Engländer bald aus ihrer Bar von grölenden deutschen Nazis und Gardisten vertrieben, das Leben auf der Straße wird immer roher. Was wollen die Briten hier noch ausrichten, nachdem man sich aus Dünkirchen zurückzog? Sie hören, wie Churchill mit seiner berühmten Rede "We shall fight on the beaches" vom Juni 1940 dem sich ausbreitenden Defätismus vor der deutschen Übermacht entgegentritt - aber sie sind so fern, diese Auslandsbriten, sie können sich den Krieg noch nicht vorstellen. Englische Filme dringen nicht mehr durch, man ist auf deutsche Wochenschauen angewiesen, und im Kino fangen junge Frauen an, die deutschen blonden Krieger zu bewundern.
In dieser bedrohten Lage hilft Literatur. Der unermüdliche Guy kann 28 Kollegen und Freunde, Briten und Rumäninnen, gewinnen, ein Shakespeare-Stück einzuüben und im Nationaltheater aufzuführen. Shakespeare gibt Halt und Struktur und festigt die Freundschaft zwischen den Völkern, aber beruhigt auch die privaten Fehden zwischen einer eifersüchtigen Harriet und der schillernden Rumänin Sophie, für die Guy sich so auffällig einsetzt. Selbst der traurige und ewig hungrige Prinz Jakimov läuft zur Hochform auf. Es ist natürlich kein Zufall, dass man "Troilus und Cressida" spielt, in dem es um das belagerte Troja geht.
Olivia Manning (1908 bis 1980) schrieb diesen ersten Teil ihrer Balkan-Trilogie ein Jahrzehnt nach Ende des Krieges. Hierzulande ist sie kaum bekannt, auch wenn es schon eine unvollständige Übersetzung gab. Silke Jellinghaus hat erstmals dem ganzen Text eine frische Fassung gegeben. In Großbritannien leuchtete 1987 Mannings Ruhm noch einmal kurz auf, als die BBC ihre Bücher verfilmen ließ, mit Emma Thompson und Kenneth Branagh in den Hauptrollen. Man hat Manning mit Graham Greene oder Evelyn Waugh verglichen. Neu aber ist vor allem der weibliche Blick auf eine historisch äußerst instabile Situation, in der ein Land sich zwischen den Mächten bewegt und am Ende schließlich auf eine Seite kippt. Besser als in historischen Sachbüchern kann der Roman die geschichtliche Offenheit und Ungewissheit erzeugen, und das gelingt Manning auf großartige Weise.
Die Autorin hat diese Romane als autobiographische Werke angesehen. Ihr Mann, das Vorbild für Guy, war, wie sich später herausstellte, Agent für die Sowjets. Manning schrieb noch eine Reihe weiterer Romane und Sachbücher, aber wir wollen den nächsten Band der Trilogie auf Deutsch lesen! ELMAR SCHENKEL
Olivia Manning: "Der größte Reichtum". Roman.
Mit einem Nachwort von Rachel Cusk. Aus dem Englischen von Silke Jellinghaus. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020.
464 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Olivia Manning war eine Schriftstellerin, die vom Alltag in einem fremden Land, von der Politik und deren Berichterstattern, von faschistischen Machtallüren und sozialistischen Wolkenschiebereien so einnehmend berichten konnte, dass man das Buch nicht aus der Hand geben mag. Oliver vom Hove Wiener Zeitung 20210724
Rezensentin Petra Pluwatsch begrüßt die Neuauflage dieses Romanzyklus der britischen Schriftstellerin Olivia Manning aus den sechziger Jahren. Auf Deutsch liegt nun der erste Band vor, der die Kritikerin an der Seite des britischen Ehepaares Guy und Harriet ins Bukarest des Jahres 1939 führt. Während der Krieg bereits vor der Tür steht, trifft sich das Paar mit einer Community britischer "Snobs", um auf die rumänische Gesellschaft herabzublicken, resümiert Pluwatsch. Darüber hinaus skizziert Manning auch die Ereignisse in der Stadt, fährt die Kritikerin fort, die hier unter anderem von den Schicksalen der Juden liest. Mit "atmosphärischer" Dichte und in "feingeschliffenen" Sätzen vermag die Autorin das Ungeheuerliche in Worte zu fassen, schließt die Rezensentin.
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