Chinas weltweiter Einfluss auf Wirtschaft und Politik wächst in rasantem Tempo. Schmuggel, Korruption und die Unterstützung von Diktaturen gehören zum Instrumentarium des Regimes, das seine Interessen mit Gewalt vertritt und seinen Rohstoffhunger rücksichtslos befriedigt. Im Ausland wird China unterstützt von einem Heer von Chinesen. Diese "stille Armee" besteht aus unscheinbaren Händlern, die die billigen Arbeitskräfte vor Ort gnadenlos ausbeuten, und Arbeitern, die unter unmenschlichen Bedingungen schuften. Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo haben zwei Jahre lang 25 Länder bereist und liefern eine schockierende Analyse, wie China seine Expansion vorantreibt - und was das für uns bedeutet.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Es ist die Industriespionage, die den Vorsprung des Westens gegenüber China in Technologie und Know-how weiter und weiter verringert, lernt Manfred Osten mit diesem, wie er findet, außergewöhnlichen Buch von Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo. Dass die beiden Autoren einen neuen Weg einschlagen, um Chinas Expansion, seinen Rohstoffbedarf und die Auswirkungen des Wachstums auf die Menschen im Land zu ergründen, leuchtet ihm ein. So facettenreich die Entwicklungen, so erkennt Osten, so facettenreich der eingeschlagene Weg der Autoren, die auf ihrer Reise durch 25 Länder, von Sibirien bis Kongo, über 500 Interviews geführt haben, in Kupferminen, gasreichen Wüsten und an Staudämmen. Am Ende steht für Osten die Erkenntnis: nicht China wird verwestlicht, sondern die Welt wird sinisiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2014Der Panda ist hungrig
Zwei Spanier übertreiben Chinas "Beutezug"
Die Publikationen über die Wirtschaftsmacht China sind so vielfältig und widersprüchlich wie das Reich der Mitte selbst. Die beiden amerikanischen Ökonomen Daron Acemoglu und James A. Robinson meinen etwa in ihrem im Jahre 2012 erschienenen Buch "Warum Nationen scheitern", dass Chinas Wachstum auf der Übernahme bestehender Technologien und kurzfristiger Investitionen beruhe, nicht auf schöpferischer Zerstörung. Daher werde das Wachstum Chinas im Sande verlaufen.
Dagegen sind die spanischen Journalisten Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo davon überzeugt, dass China mächtiger und mächtiger werde, was negative Folgen für die ganze Welt haben wird. Um ihre These zu unterfüttern, haben sie mehrere Jahre lang Regionen besucht, in denen sich "Chinas stille Armee" - das sind vor allem Han-Chinesen und chinesische Staatsunternehmen - ausbreitet, Rohstoffe abbaut und Handel betreibt. Die Autoren hörten, dass Chinesen "tun, was sie können, um zu kriegen, was sie wollen, entweder mit der rechten oder mit der linken Hand", wobei die letzte Wendung "legal oder illegal" bedeutet.
Die spanische Originalausgabe des Buches erschien im Jahre 2011. Sie wurde breit diskutiert - und hätte sofort ins Deutsche übersetzt werden müssen - denn beim Thema China sind drei Jahre Verzug zu lang. Stattdessen hat der Hanser Verlag die englische Ausgabe aus dem Jahr 2013 der Übersetzung zugrunde gelegt und sogleich beim Titel geschummelt: "Der große Beutezug - Chinas stille Armee erobert den Westen", heißt es, doch vom "Westen" ist weder im Original noch im englischen Titel die Rede. Der Werbetext auf der Rückseite des Bandes klärt zudem auf, dass "der asiatische Riese nun an die Tore Europas klopft".
Er klopft also höflich an und hat uns noch nicht erobert. Diese Analyse hat auch mehr Sinn, denn die Autoren reisten für ihre Recherchen nach Südamerika, Afrika und Asien. Während mit jeder Übersetzung der Titel des Buches dramatisiert wurde, geschah mit dem Titelbild erstaunlicherweise das Gegenteil. Es wurde immer weiter profanisiert: Die Originalausgabe zeigt das Bild eines Chinesen und eines Schwarzen im Außenlager eines Unternehmens. Gerade bricht der Abend an. Der Schwarze trägt einen Sack, der Chinese die Verantwortung.
Dieses Motiv illustriert die These der beiden Autoren: China ist überall, und China lässt arbeiten. Die englische Ausgabe des Buches ziert kein prägnantes Foto, sondern überrascht mit einem abstrakt gezeichneten Weltkugelausschnitt, auf dem viele rote Fähnchen zu sehen sind, die wohl China symbolisieren sollen. Für die deutsche Ausgabe hat sich der Hanser Verlag für eine Fotomontage entschieden. Es zeigt einen freundlich blickenden Pandabären, der zärtlich eine Weltkugel umarmt. Man fühlt sich an den putzigen Bao Bao aus dem Berliner Zoo erinnert.
Im Werbetext der Innenklappe des Buches heißt es: "China weitet seine Machtsphäre mit skrupellosen Methoden unaufhaltsam aus: Schmuggel, Korruption, Menschenhandel und die Unterstützung von Diktaturen." Im Buch selbst liest man allerdings von einem anderen Vorgehen der Chinesen: Sie schließen Verträge mit Entwicklungsländern, bauen dort Straßen, Schulen und Krankenhäuser und dürfen dafür Rohstoffe ausbeuten. Weil die Menschen vor Ort oft eine andere Arbeitsethik als Han-Chinesen haben, bringen Letztere ihre Arbeitskräfte gleich mit.
Und da es in vielen Entwicklungsländern weder funktionierende Verwaltungen noch Rechtssysteme gibt, werden im großen Stil Bestechungsgelder bezahlt. Weshalb China das alles macht? "Um seinen Rohstoffhunger rücksichtslos zu befriedigen", schreiben die Autoren, aber man könnte auch schlussfolgern: Das Riesenreich will seine Bürger aus der Armut befreien - besser, als beispielsweise den Kommunismus zu exportieren. "Der Westen" zahlt übrigens auch Bestechungsgelder und ist ebenso hungrig auf Rohstoffe, wie die Autoren zumindest in einer Passage des Buches eingestehen: "Illegal geschlagene Baobab-Bäume, Ebenholz und Mahagoni kommen ins Land und werden zu Parkett, Tischen, Schränken und Sofas verarbeitet, die dann auf den lukrativen Märkten in den Vereinigten Staaten und Europa verkauft werden."
Die Autoren haben zwei Jahre lang in 25 Ländern Chinesen gesucht und gefunden. Viele Zustände sind erschreckend, wie beispielsweise im peruanischen San Juan de Marcona, wo ein chinesischer Konzern eine Eisenmine betreibt und sich gerade so viel um Arbeitsschutz, Menschenrechte oder die Umwelt kümmert, wie es die laxen örtlichen Vorschriften erfordern. Doch kann man von China verlangen, zuerst Institutionen nach westlichem Vorbild zu etablieren, bevor es auf Einkaufstour geht? Zu kurz kommt in dem Buch zudem die Situation in Festlandchina. Zweifel am Wirtschaftswachstum wären nämlich durchaus angebracht.
Die Küstenstädte des Riesenreichs versinken im Smog. Die Kohlendioxidimmissionen lagen vor zehn Jahren noch auf EU-Niveau, seitdem haben sie sich mehr als verdoppelt. Neue Regierungsanalysen zur Raumordnung zeigen, dass große landwirtschaftliche Nutzflächen verseucht sind. Reiche Chinesen lassen Milch aus der Eifel importieren, weil sie den heimischen Anbietern nicht vertrauen. All dies könnte man durch einen besseren Rechtsrahmen verändern.
Doch die Probleme beginnen schon damit, dass chinesische Bauern nicht dieselben Eigentumsrechte wie Wohnungskäufer in den Großstädten besitzen. Die urbane Mittelschicht fürchtet sich vor einsamen Entscheidungen der Parteifunktionäre, die ganze Stadtviertel dem Abriss preisgeben können. Cardenal und Araújo haben diese Entwicklungen nur am Rande reflektiert. Für eine derart lange Reise bietet das Buch viele Erzählungen, aber zu wenige Erkenntnisse.
JOCHEN ZENTHÖFER
Juan Pablo Cardenal/Heriberto Araújo: Der große Beutezug - Chinas stille Armee erobert den Westen. Hanser, München 2014, 390 Seiten, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Spanier übertreiben Chinas "Beutezug"
Die Publikationen über die Wirtschaftsmacht China sind so vielfältig und widersprüchlich wie das Reich der Mitte selbst. Die beiden amerikanischen Ökonomen Daron Acemoglu und James A. Robinson meinen etwa in ihrem im Jahre 2012 erschienenen Buch "Warum Nationen scheitern", dass Chinas Wachstum auf der Übernahme bestehender Technologien und kurzfristiger Investitionen beruhe, nicht auf schöpferischer Zerstörung. Daher werde das Wachstum Chinas im Sande verlaufen.
Dagegen sind die spanischen Journalisten Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo davon überzeugt, dass China mächtiger und mächtiger werde, was negative Folgen für die ganze Welt haben wird. Um ihre These zu unterfüttern, haben sie mehrere Jahre lang Regionen besucht, in denen sich "Chinas stille Armee" - das sind vor allem Han-Chinesen und chinesische Staatsunternehmen - ausbreitet, Rohstoffe abbaut und Handel betreibt. Die Autoren hörten, dass Chinesen "tun, was sie können, um zu kriegen, was sie wollen, entweder mit der rechten oder mit der linken Hand", wobei die letzte Wendung "legal oder illegal" bedeutet.
Die spanische Originalausgabe des Buches erschien im Jahre 2011. Sie wurde breit diskutiert - und hätte sofort ins Deutsche übersetzt werden müssen - denn beim Thema China sind drei Jahre Verzug zu lang. Stattdessen hat der Hanser Verlag die englische Ausgabe aus dem Jahr 2013 der Übersetzung zugrunde gelegt und sogleich beim Titel geschummelt: "Der große Beutezug - Chinas stille Armee erobert den Westen", heißt es, doch vom "Westen" ist weder im Original noch im englischen Titel die Rede. Der Werbetext auf der Rückseite des Bandes klärt zudem auf, dass "der asiatische Riese nun an die Tore Europas klopft".
Er klopft also höflich an und hat uns noch nicht erobert. Diese Analyse hat auch mehr Sinn, denn die Autoren reisten für ihre Recherchen nach Südamerika, Afrika und Asien. Während mit jeder Übersetzung der Titel des Buches dramatisiert wurde, geschah mit dem Titelbild erstaunlicherweise das Gegenteil. Es wurde immer weiter profanisiert: Die Originalausgabe zeigt das Bild eines Chinesen und eines Schwarzen im Außenlager eines Unternehmens. Gerade bricht der Abend an. Der Schwarze trägt einen Sack, der Chinese die Verantwortung.
Dieses Motiv illustriert die These der beiden Autoren: China ist überall, und China lässt arbeiten. Die englische Ausgabe des Buches ziert kein prägnantes Foto, sondern überrascht mit einem abstrakt gezeichneten Weltkugelausschnitt, auf dem viele rote Fähnchen zu sehen sind, die wohl China symbolisieren sollen. Für die deutsche Ausgabe hat sich der Hanser Verlag für eine Fotomontage entschieden. Es zeigt einen freundlich blickenden Pandabären, der zärtlich eine Weltkugel umarmt. Man fühlt sich an den putzigen Bao Bao aus dem Berliner Zoo erinnert.
Im Werbetext der Innenklappe des Buches heißt es: "China weitet seine Machtsphäre mit skrupellosen Methoden unaufhaltsam aus: Schmuggel, Korruption, Menschenhandel und die Unterstützung von Diktaturen." Im Buch selbst liest man allerdings von einem anderen Vorgehen der Chinesen: Sie schließen Verträge mit Entwicklungsländern, bauen dort Straßen, Schulen und Krankenhäuser und dürfen dafür Rohstoffe ausbeuten. Weil die Menschen vor Ort oft eine andere Arbeitsethik als Han-Chinesen haben, bringen Letztere ihre Arbeitskräfte gleich mit.
Und da es in vielen Entwicklungsländern weder funktionierende Verwaltungen noch Rechtssysteme gibt, werden im großen Stil Bestechungsgelder bezahlt. Weshalb China das alles macht? "Um seinen Rohstoffhunger rücksichtslos zu befriedigen", schreiben die Autoren, aber man könnte auch schlussfolgern: Das Riesenreich will seine Bürger aus der Armut befreien - besser, als beispielsweise den Kommunismus zu exportieren. "Der Westen" zahlt übrigens auch Bestechungsgelder und ist ebenso hungrig auf Rohstoffe, wie die Autoren zumindest in einer Passage des Buches eingestehen: "Illegal geschlagene Baobab-Bäume, Ebenholz und Mahagoni kommen ins Land und werden zu Parkett, Tischen, Schränken und Sofas verarbeitet, die dann auf den lukrativen Märkten in den Vereinigten Staaten und Europa verkauft werden."
Die Autoren haben zwei Jahre lang in 25 Ländern Chinesen gesucht und gefunden. Viele Zustände sind erschreckend, wie beispielsweise im peruanischen San Juan de Marcona, wo ein chinesischer Konzern eine Eisenmine betreibt und sich gerade so viel um Arbeitsschutz, Menschenrechte oder die Umwelt kümmert, wie es die laxen örtlichen Vorschriften erfordern. Doch kann man von China verlangen, zuerst Institutionen nach westlichem Vorbild zu etablieren, bevor es auf Einkaufstour geht? Zu kurz kommt in dem Buch zudem die Situation in Festlandchina. Zweifel am Wirtschaftswachstum wären nämlich durchaus angebracht.
Die Küstenstädte des Riesenreichs versinken im Smog. Die Kohlendioxidimmissionen lagen vor zehn Jahren noch auf EU-Niveau, seitdem haben sie sich mehr als verdoppelt. Neue Regierungsanalysen zur Raumordnung zeigen, dass große landwirtschaftliche Nutzflächen verseucht sind. Reiche Chinesen lassen Milch aus der Eifel importieren, weil sie den heimischen Anbietern nicht vertrauen. All dies könnte man durch einen besseren Rechtsrahmen verändern.
Doch die Probleme beginnen schon damit, dass chinesische Bauern nicht dieselben Eigentumsrechte wie Wohnungskäufer in den Großstädten besitzen. Die urbane Mittelschicht fürchtet sich vor einsamen Entscheidungen der Parteifunktionäre, die ganze Stadtviertel dem Abriss preisgeben können. Cardenal und Araújo haben diese Entwicklungen nur am Rande reflektiert. Für eine derart lange Reise bietet das Buch viele Erzählungen, aber zu wenige Erkenntnisse.
JOCHEN ZENTHÖFER
Juan Pablo Cardenal/Heriberto Araújo: Der große Beutezug - Chinas stille Armee erobert den Westen. Hanser, München 2014, 390 Seiten, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"... der erste wirklich lesenswerte Überblick zum chinesischen Handel." Christoph Giesen, Süddeutsche Zeitung, 28.01.14
"Wer wissen will, was passiert, wenn sich ein geschäftstüchtiges 1,3-Milliarden-Volk auf den Weg in die Weltwirtschaft macht, muss dieses Buch lesen." Wolfgang Hirn, manager magazin, 2/2014
"...liest sich so spannend wie beunruhigend." Marko Martin, Deutschlandradio "Lesart", 28.06.14
"Wer wissen will, was passiert, wenn sich ein geschäftstüchtiges 1,3-Milliarden-Volk auf den Weg in die Weltwirtschaft macht, muss dieses Buch lesen." Wolfgang Hirn, manager magazin, 2/2014
"...liest sich so spannend wie beunruhigend." Marko Martin, Deutschlandradio "Lesart", 28.06.14