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Die Auslandsnachrichtendienste der DDR und der Sowjetunion kooperierten auf internationaler Bühne. Insbesondere mit ihrer Industriespionage stützte die HVA auch die Wirtschaft der UdSSR, indem sie Spitzentechnologien aus dem Westen besorgte, die auf der CoCom-Liste standen. Der Autor, Oberst a.D. Bernd Fischer, wickelte 1990 nicht nur die Auslandsaufklärung der DDR ab, sondern gewann zuvor auch tiefe Einblicke in die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Bruderorgan. Erstmals berichtet ein Insider über die Kooperation von HVA und KGB.

Produktbeschreibung
Die Auslandsnachrichtendienste der DDR und der Sowjetunion kooperierten auf internationaler Bühne. Insbesondere mit ihrer Industriespionage stützte die HVA auch die Wirtschaft der UdSSR, indem sie Spitzentechnologien aus dem Westen besorgte, die auf der CoCom-Liste standen. Der Autor, Oberst a.D. Bernd Fischer, wickelte 1990 nicht nur die Auslandsaufklärung der DDR ab, sondern gewann zuvor auch tiefe Einblicke in die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Bruderorgan. Erstmals berichtet ein Insider über die Kooperation von HVA und KGB.
Autorenporträt
Bernd Fischer, geboren 1940 in Chemnitz, trat nach dem Studium an der Hochschule für Internationale Beziehungen in Moskau ins MfS ein. Von 1969 bis 1974 war er als Resident der HVA an der DDR-Botschaft in Kairo, danach in der Zentrale tätig, insbesondere im Bereich legal abgedeckte Residenturen im Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika und Asien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2013

Selbstbewusste Handlanger
Das Verhältnis von KGB und DDR-Staatssicherheit

Die Auslandsspionage der DDR war nichts anderes als eine Außenfiliale des KGB. Zu diesem Schluss muss kommen, wer das Buch des letzten Leiters der Hauptverwaltung A (HV A) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) liest. Der Autor heißt Bernd Fischer und amtierte in dieser Funktion ein halbes Jahr - bis Juni 1990. Der Oberst löste in dieser Zeit mit 246 Mitarbeitern die Spionageorganisation auf. In eigener Regie wurde vernichtet, was bald vierzig Jahre lang gesammelt und in über 67 000 Aktenvorgängen angelegt worden war.

Nun befasst sich Fischer mit einer Schlüsselfrage, dem Verhältnis von KGB und DDR-Staatssicherheit. Genau genommen interessiert ihn die Kooperation der Spionageabteilung des KGB (1. Hauptverwaltung) mit seinem Pendant bei der DDR-Staatssicherheit. Das kommt aus durchaus berufenem Munde. Fischer, Studienabsolvent in Moskau, gelang in der Stasi ein steiler Aufstieg. Er "repräsentierte" seinen Dienst in der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn und leitete jene legendäre Abteilung I, die gegen das Bundeskanzleramt und eine Reihe von Bundesministerien spionierte. Ein solcher Einblick in das Innenleben eines Herzstückes der Demokratie brachte ihn mit Größen des sowjetischen Spionagegeschäfts in engen Kontakt.

Von Anbeginn steuerte "der große Bruder" in Moskau die ostdeutsche Auslandsspionage, die bereits im Jahre 1947 zu diesem Zweck KPD-Genossen in der Bundesrepublik eingespannt hatte. Die bauten einen entsprechenden Apparat auf. Der firmierte ab 1951 als Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) - unabhängig von der DDR-Staatssicherheit, aber unter vollständiger Regie der "Freunde", wie der sowjetische Dienst genannte wurde. Erst Jahre später, nachdem der Repressionsapparat MfS diesen Nachrichtendienst geschluckt hatte, nannte man ihn HV A. Am Weisungsverhältnis des KGB änderte das nichts, beinahe bis zuletzt nicht. Nichts beschreibt die realen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Moskau und Ost-Berlin wie der Informationsaustausch. Ein erheblicher Teil ging an die Lubjanka (52 000), was Fischer als "Einbahnstraße" festhält, während es umgekehrt gerade einmal 13 000 für die MfS-Zentrale waren. "Das Verhältnis von Geben und Nehmen blieb immer ungleich."

Der Vorteil der Sowjets bestand darin, dass sie frei Haus die bestellten Informationen erhielten, aber nicht die Kosten tragen brauchten. Die verbleiben der DDR. Fischer zitiert den ehemaligen KGB-Vorsitzenden Wladimir Krjutschkow: "Unsere Kampfgefährten - die Aufklärer der DDR - leisteten einen riesigen Beitrag zur Stärkung des sowjetischen Staates, zur Entwicklung seiner Wirtschaft, Wissenschaft und Verteidigungsbereitschaft. Ganze Zweige der Wirtschaft und Wissenschaft entwickelten sich bei uns in bedeutendem Maße dank der Anstrengungen der deutschen Freunde aus der Aufklärung. Materialien aus der Grundlagenforschung, neueste Technologien, technische Muster wurden uns kostenlos im Rahmen der Zusammenarbeit überlassen." Selbst noch während der Selbstauflösung der HV A, im Februar 1990, intervenierten die sowjetischen "Partner", als es um die "Gesamtverfilmung der Karteien" ("Rosenholz") ging, wie Fischer sich erinnert. Ein Abteilungsleiter der HV A besaß die Filme ab dem 28. Dezember 1989, die vom 6. bis 8. April 1990 offiziell in den Schredder gingen - und zwischendurch kam eine Kopie der Verfilmung offenbar abhanden. Sie tauchte in den Vereinigten Staaten im Januar 1993 wieder auf.

Dass das Verhältnis zwischen KGB und DDR-Staatssicherheit von Fischer als "Partnerschaft" verklärt wird, die subjektiv so empfunden worden sein mag, macht nicht den Wert des kurzweiligen und mit stabilem marxistisch-leninistischen Akzent verfassten Sachbuches aus. Es sind die zahlreichen Details. Beispielsweise räumt erstmalig mit Fischer einer der tschekistischen Veteranen dem tatsächlichen, von den Sowjets eingesetzten Gründungsvater der HV A überhaupt einen Stellenwert ein. Bei dem weißen Fleck in bisherigen Selbstdarstellungen handelt es sich um Bruno Haid (1912-1993), der bislang eher als berüchtigter Staatsanwalt und als stellvertretender Kulturminister der DDR bekannt geworden ist. Haid prägte maßgeblich die ostdeutsche Auslandsspionage in den Jahren von 1947 bis 1951. Und er sorgte dafür, dass weit über die Hälfte des Informationsaufkommens der KGB-Zentrale in Berlin-Karlshorst allein von seinem Agentennetz beschafft wurde. Darunter von Bundesbürgern, die teilweise über vierzig Jahre, bis Herbst 1989, im Dienste dieser Sache standen. So etwa der deshalb 1995 verurteilte Hans-Adolf Kanter ("Fichtel"), einstmals Prokurist im Flick-Konzern mit unerhörten Einblicken in CDU und Bundeskanzleramt.

Das Novum Haid trübt Fischer sogleich wieder ein, indem er die dienstinterne, antisemitisch geprägte Jagd auf Haid ausblendet. Bei Haids Sturz im November 1952 galten seine Eltern als "Israeliten", sein Freund mit "schwarzem Haar, Brillenträger" als "israelitischer Typ". Das passt nicht zum Mythos HV A und ebenso wenig, dass Markus Wolf an Haids Entmachtung mitgewirkt hat. Der Schritt zu bekennen, auch dieses sowjetische Vorbild nachvollzogen zu haben, erscheint für Fischer zu groß - ebenso wie das Eingeständnis, lediglich ein selbstbewusster Handlanger des KGB gewesen zu sein.

HELMUT MÜLLER-ENBERGS

Bernd Fischer: Der Große Bruder. Wie die Geheimdienste der DDR und der UdSSR zusammen arbeiteten. edition ost, Berlin 2012. 224 S., 14,95 [Euro].

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