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Aufstieg, Erfolg und Scheitern dreier ganz normaler Fußballjungs
Nur eines unterscheidet Fotios, Marius und Niko von ihren Freunden in der nordbayerischen Provinz: Sie spielen alle drei unwiderstehlich gut Fußball. Noch bevor sie 14 werden, nehmen die Profiklubs 1. FC Nürnberg und Greuther Fürth sie in ihre Leistungszentren auf. Von da an führen ihre Leben in neue, unvermutete Richtungen. - Ein Buch über drei fantastische Jungs, die dribbeln wie Messi und von großen Karrieren träumen.
Ronald Reng hat die drei begleitet, hat neun Jahre lang Dramatik und Glück, Einsichten und schwere
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Produktbeschreibung
Aufstieg, Erfolg und Scheitern dreier ganz normaler Fußballjungs

Nur eines unterscheidet Fotios, Marius und Niko von ihren Freunden in der nordbayerischen Provinz: Sie spielen alle drei unwiderstehlich gut Fußball. Noch bevor sie 14 werden, nehmen die Profiklubs 1. FC Nürnberg und Greuther Fürth sie in ihre Leistungszentren auf. Von da an führen ihre Leben in neue, unvermutete Richtungen. - Ein Buch über drei fantastische Jungs, die dribbeln wie Messi und von großen Karrieren träumen.

Ronald Reng hat die drei begleitet, hat neun Jahre lang Dramatik und Glück, Einsichten und schwere Entscheidungen miterlebt, das Scheitern und Gelingen eines großes Traums.
Autorenporträt
Ronald Reng, geboren 1970 in Frankfurt, lebte viele Jahre als Sportreporter und Schriftsteller in Barcelona. Seine Biografie über Robert Enke stand zehn Wochen unter den Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste, sein Buch »Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga« erhielt den »NDR Kultur Sachbuchpreis« und wurde als »Fußballbuch des Jahres 2013« ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von ihm »Mroskos Talente. Das erstaunliche Leben eines Bundesliga-Scouts«, das 2016 ebenfalls zum »Fußballbuch des Jahres« gekürt wurde und »Warum wir laufen«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2021

Die Geschichten der 95 Prozent

Die gewaltige Macht des Zufälligen: Was lässt, trotz Verzicht, Talent und Arbeit, den Traum von der Karriere als Fußballprofi platzen?

Von Peter Körte

Wer mal etwas länger Fußball gespielt hat in seinem Leben, ob nun in den siebziger, achtziger, neunziger oder nuller Jahren, der hat, wenn er ehrlich ist, zumindest einen Nachmittag lang davon geträumt, Profi zu werden. Nicht Netzer, Zidane oder Messi, der Torjäger des Heimatclubs, der Keeper, der den Bayern ein 0:0 abtrotzte, hätte auch schon gereicht. Es ist ein typischer Jungs- und ein Jugendtraum, denn der Fußballprofi ist eine "Sehnsuchtsfigur" geworden, wie es früher Rockstars waren oder heute Influencer, schreibt Ronald Reng in seinem neuen Buch "Der große Traum".

Nicht nur geträumt, sondern ihren Traum beharrlich verfolgt haben in den letzten zehn Jahren in Deutschland 26 000 junge Menschen in 57 Nachwuchsleistungszentren. Fünf Prozent von ihnen haben den Sprung in den bezahlten Fußball geschafft - in anderen Berufsfeldern wäre man mit einer solchen Quote kaum zufrieden, weil es nach einem krassen Missverhältnis zwischen Ausbildung und Bedarf aussieht. Aber zu den glücklichen fünf Prozent aus früheren Jahren gehören eben auch die Weltmeister von 2014 als Kinder dieser Leistungszentren. Und wenn einer wie Robin Gosens es auch ohne Leistungszentrum in die Nationalmannschaft schafft, wird er mittlerweile bestaunt wie ein mittleres Wunder.

Aber was ist mit den 95 Prozent? Mit ihren Hoffnungen, Wünschen und Enttäuschungen? Was ist das für ein Gefühl, eine Jugend im Zeichen des Fußballs verbracht zu haben und dann den Traum platzen zu sehen? Wie ist es für die Familien, die diesen Traum oft geteilt und das Familienleben danach ausgerichtet haben? Es ist ein schöner Zufall, dass sich mit diesen Fragen derzeit zwei Langzeitbeobachtungen beschäftigen: das Buch von Ronald Reng und ein Dokumentarfilm von Christoph Hübner und Gabriele Voss.

Rengs Buch hat den Untertitel "Drei Jungs wollen in die Bundesliga". Es verfolgt den Weg der drei zwischen 2013 und 2021. Der Film "Nachspiel" beschließt eine Trilogie, die Ende der neunziger Jahre in der damals erfolgreichen Dortmunder A-Jugend einsetzte. Über ein paar der Jungs haben Hübner/Voss 2003 einen ersten Film ins Kino gebracht, "Die Champions", es folgte 2010 "Halbzeit". Und während der erste Film den Untertitel "Der Traum vom Fußball" trug, ging es im zweiten um den Weg "Vom Traum ins Leben". Jetzt, 2021, geht es um das Leben nach dem Fußball.

Reng kam eher zufällig zu seinem Stoff. Nach einer Lesung sprach ihn die Mutter des Profis Markus Steinhöfer an. Sie hatte im Fränkischen eine kleine Agentur gegründet und kümmerte sich um drei Jungs, damals 17 und 18 Jahre alt, die weite Strecken aus ihren Heimatorten in die Leistungszentren von Nürnberg und Fürth zurücklegten. "Als ich Niko, Marius und Foti schließlich kennenlernte, hatten alle drei gute Chancen, Profi zu werden", erinnert sich Reng.

Reng erzählt, wie man das von ihm kennt, lebendig und mitreißend, er taucht ein in die jeweiligen Lebenswelten, erfährt von ersten Freundinnen und Verletzungen, von Trainern, die demütigen, und solchen, die aufbauen. Foti hat mehr mit der Strenge am bayrischen Fußballgymnasium zu kämpfen als mit gegnerischen Abwehrspielern. Marius wird nach mühsam erkämpftem Realschulabschluss die Banklehre schmeißen. Niko wird seinen Vater, der Fliesenleger ist, enttäuschen, wenn er selber Fliesenleger wird, weil er keine Lust mehr auf die Quälerei in der Regionalliga hat. Was er mit dem guten Spruch kommentiert, früher habe er immer Fußballer im Fernsehen beobachtet, "heute schaue ich automatisch auf jeder Toilette, wie die Fliesen verlegt sind".

Die jeweilige Entwicklung, das wird schnell sichtbar, ist nicht nur eine Frage des Talents, auch nicht des puren Wollens, es spielen viele andere Faktoren hinein, nicht zuletzt, wie auf dem Platz, das Timing. Da sind frühe Hoffnungen, an denen einer zu lange festhält, aber eben auch späte Triumphe, sich gegen Trainer, die einen schon ausmustern wollten, durchgebissen zu haben.

Ronald Reng hat sehr viel Zuneigung für die jungen Männer und über die Jahre auch ihr Vertrauen gewonnen, sodass sie ihm viele Einblicke in ihr Leben gewährten. Da ist immer noch Kontakt zu Niko und zu Foti, der demnächst seine Lehre als Versicherungskaufmann abschließen wird. Und sogar zu Marius Wolf, dem Bundesligaprofi, dem das 2013 am wenigsten zuzutrauen war. Mit 26 Jahren hat er inzwischen fast mehr Vereine gesehen als Tattoos gesammelt. Seine Zukunft beim BVB ist ungewiss. Aber Reng schafft es, dass man auch in Wolf, dessen Auftritte nicht unbedingt hohe Sympathiewerte erzielen, vor allem den Träumer sieht, der kaum fassen kann, dass das alles wirklich in Erfüllung gegangen ist.

Von Borussia Dortmund, dem Klub, bei dem Wolf derzeit unter Vertrag steht, geht in dem Film der erfahrenen Dokumentaristen Hübner/Voss alles aus. Auch hier war, wie bei Reng, im ersten Film alles offen. "Nachspiel" setzt nun ein mit dem Karriereende von Florian Kringe, dem Einzigen, der es dauerhaft in den Profifußball geschafft hat. Er ist Mitte dreißig und arbeitet jetzt für einen Spielerberater. Den Preis für die Karriere sieht man gleich: ein Termin beim Orthopäden, eine neue Hüfte muss her.

Mohammed Abdulai, der zweite Akteur, kam mit 17 Jahren aus Ghana nach Dortmund. Er habe dort ein Studium sausen lassen, sagt er. Er hat sich über die Jahre in der zweiten belgischen und bulgarischen Liga verdingt, es hat beim BVB nicht gereicht. Er sei "eingebrochen", sagt sein ehemaliger Trainer. Heute ist Abdulai ein deutscher Busfahrer, eingebürgert in Wattenscheid, der in der Pause den Teppich im Bus ausrollt und betet. Er sei "glücklich", sagt er, obwohl er allein lebt und seine Familie in Ghana ist. Ab und zu schickt er Fußballausrüstung nach Ghana, sein alter Trainer unterstützt ihn, einer vom Typ "Haudegen", der nicht immer, das wird auch unausgesprochen klar, das nötige Fingerspitzengefühl und den richtigen Blick hatte.

Sehr deutlich wird das bei Heiko Hesse, für den der Fußball heute so fern ist wie die Weltbank vom Borsigplatz. Bei der Weltbank in Washington war Hesse, heute arbeitet er in Brüssel bei der EU. Die Tempodefizite, die ihn nicht über die U 23 hinauskommen ließen, spielen keine Rolle mehr. Er hat Wirtschaftswissenschaften in Oxford und Essex studiert, war in Yale, hat sich mit Fußball das Studium finanziert. So mustergültig und geradlinig, wie sich das liest, war es aber nicht. Hesse macht daraus keinen Hehl, er erzählt, wie er mit sich haderte, über Tolstoi-Romanen grübelte und nicht wusste, ob der Weg vom Platz ins akademische Leben der richtige sein würde. "Man kriegt ja nichts geschenkt", sagt der Ökonom lapidar, der aus einer Bergmannsfamilie kommt und in einer Zechensiedlung aufgewachsen ist.

Auch Hübner und Voss, die diese drei Wege geschickt und mit viel Gespür für Rhythmus verschränkt haben, arbeiten ohne Kommentar und mit viel Empathie: gegenüber den Träumen der jungen Männer, die ja nicht Flausen, Hirngespinste oder realitätsferne Fantastereien waren. Sondern Arbeit, Verzicht auf ein normales Leben, wie es die gleichaltrigen Freunde und Mitschüler hatten. Es braucht Einfühlungsvermögen dafür, wie es ist, wenn man eine Zeit lang geschwebt hat, um dann auf dem Boden zu landen und den anderen, die im selben Leistungszentrum waren, zuzusehen, wie sie in großen Klubs spielen.

Vor allem aber zeigen Buch wie Film die gewaltige Macht der Kontingenz, des Zufälligen. Da verläuft immer nur eine dünne Linie zwischen Gelingen und Scheitern. Reng und Hübner/Voss widerstehen souverän der Versuchung, die so oft in Rückblicken liegt: dass das Ende schon im Anfang absehbar gewesen sei, dass es so etwas wie ein Drehbuch des Schicksals gebe. Die beiden Jungs bei Reng, die keine Profis wurden, sagen voller Überzeugung, sie würden alles noch mal genauso machen. Und die drei im Film, die nun mit ein wenig mehr Abstand ihrem jugendlichen Selbst begegnen, haben ebenfalls nichts zu bedauern.

Und es geht bei alldem, in Film und Buch, ja auch nie nur um Fußball. Es geht um Biographien, um das, was man erreicht, und um das, was man verfehlt. Man sieht diesen sechs jungen oder nicht mehr ganz so jungen Männern stellvertretend für viele, viele andere dabei zu, wie sie lernen, was für sie individueller Erfolg im Leben bedeutet und was Scheitern; und wie man darüber zu dem wird, der man heute ist. Mit Narben, Rückschlägen, euphorischen Momenten und Zuversicht. Man kann deshalb dieses Buch und diesen Film betrachten, wie man einen sehr vitalen, realistischen und wahrhaftigen Entwicklungsroman liest.

Ronald Reng: "Der große Traum. Drei Jungs wollen in die Bundesliga". Piper Verlag, 528 Seiten, 22 Euro.

"Nachspiel" ist zurzeit in ausgewählten Kinos zu sehen (Termine unter www.realfictionfilme.de). Die beiden Vorgängerfilme kann man für jeweils 6 Euro auf Vimeo ansehen (https://vimeo.com/ondemand/diechampions und https://vimeo.com/ondemand/halbzeit).

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Voller Empathie und Sachverstand, nah zu den Jungs und doch mit Distanz.« Lippische Landes-Zeitung 20220108
Die Geschichten der 95 Prozent

Die gewaltige Macht des Zufälligen: Was lässt, trotz Verzicht, Talent und Arbeit, den Traum von der Karriere als Fußballprofi platzen?

Von Peter Körte

Wer mal etwas länger Fußball gespielt hat in seinem Leben, ob nun in den siebziger, achtziger, neunziger oder nuller Jahren, der hat, wenn er ehrlich ist, zumindest einen Nachmittag lang davon geträumt, Profi zu werden. Nicht Netzer, Zidane oder Messi, der Torjäger des Heimatclubs, der Keeper, der den Bayern ein 0:0 abtrotzte, hätte auch schon gereicht. Es ist ein typischer Jungs- und ein Jugendtraum, denn der Fußballprofi ist eine "Sehnsuchtsfigur" geworden, wie es früher Rockstars waren oder heute Influencer, schreibt Ronald Reng in seinem neuen Buch "Der große Traum".

Nicht nur geträumt, sondern ihren Traum beharrlich verfolgt haben in den letzten zehn Jahren in Deutschland 26 000 junge Menschen in 57 Nachwuchsleistungszentren. Fünf Prozent von ihnen haben den Sprung in den bezahlten Fußball geschafft - in anderen Berufsfeldern wäre man mit einer solchen Quote kaum zufrieden, weil es nach einem krassen Missverhältnis zwischen Ausbildung und Bedarf aussieht. Aber zu den glücklichen fünf Prozent aus früheren Jahren gehören eben auch die Weltmeister von 2014 als Kinder dieser Leistungszentren. Und wenn einer wie Robin Gosens es auch ohne Leistungszentrum in die Nationalmannschaft schafft, wird er mittlerweile bestaunt wie ein mittleres Wunder.

Aber was ist mit den 95 Prozent? Mit ihren Hoffnungen, Wünschen und Enttäuschungen? Was ist das für ein Gefühl, eine Jugend im Zeichen des Fußballs verbracht zu haben und dann den Traum platzen zu sehen? Wie ist es für die Familien, die diesen Traum oft geteilt und das Familienleben danach ausgerichtet haben? Es ist ein schöner Zufall, dass sich mit diesen Fragen derzeit zwei Langzeitbeobachtungen beschäftigen: das Buch von Ronald Reng und ein Dokumentarfilm von Christoph Hübner und Gabriele Voss.

Rengs Buch hat den Untertitel "Drei Jungs wollen in die Bundesliga". Es verfolgt den Weg der drei zwischen 2013 und 2021. Der Film "Nachspiel" beschließt eine Trilogie, die Ende der neunziger Jahre in der damals erfolgreichen Dortmunder A-Jugend einsetzte. Über ein paar der Jungs haben Hübner/Voss 2003 einen ersten Film ins Kino gebracht, "Die Champions", es folgte 2010 "Halbzeit". Und während der erste Film den Untertitel "Der Traum vom Fußball" trug, ging es im zweiten um den Weg "Vom Traum ins Leben". Jetzt, 2021, geht es um das Leben nach dem Fußball.

Reng kam eher zufällig zu seinem Stoff. Nach einer Lesung sprach ihn die Mutter des Profis Markus Steinhöfer an. Sie hatte im Fränkischen eine kleine Agentur gegründet und kümmerte sich um drei Jungs, damals 17 und 18 Jahre alt, die weite Strecken aus ihren Heimatorten in die Leistungszentren von Nürnberg und Fürth zurücklegten. "Als ich Niko, Marius und Foti schließlich kennenlernte, hatten alle drei gute Chancen, Profi zu werden", erinnert sich Reng.

Reng erzählt, wie man das von ihm kennt, lebendig und mitreißend, er taucht ein in die jeweiligen Lebenswelten, erfährt von ersten Freundinnen und Verletzungen, von Trainern, die demütigen, und solchen, die aufbauen. Foti hat mehr mit der Strenge am bayrischen Fußballgymnasium zu kämpfen als mit gegnerischen Abwehrspielern. Marius wird nach mühsam erkämpftem Realschulabschluss die Banklehre schmeißen. Niko wird seinen Vater, der Fliesenleger ist, enttäuschen, wenn er selber Fliesenleger wird, weil er keine Lust mehr auf die Quälerei in der Regionalliga hat. Was er mit dem guten Spruch kommentiert, früher habe er immer Fußballer im Fernsehen beobachtet, "heute schaue ich automatisch auf jeder Toilette, wie die Fliesen verlegt sind".

Die jeweilige Entwicklung, das wird schnell sichtbar, ist nicht nur eine Frage des Talents, auch nicht des puren Wollens, es spielen viele andere Faktoren hinein, nicht zuletzt, wie auf dem Platz, das Timing. Da sind frühe Hoffnungen, an denen einer zu lange festhält, aber eben auch späte Triumphe, sich gegen Trainer, die einen schon ausmustern wollten, durchgebissen zu haben.

Ronald Reng hat sehr viel Zuneigung für die jungen Männer und über die Jahre auch ihr Vertrauen gewonnen, sodass sie ihm viele Einblicke in ihr Leben gewährten. Da ist immer noch Kontakt zu Niko und zu Foti, der demnächst seine Lehre als Versicherungskaufmann abschließen wird. Und sogar zu Marius Wolf, dem Bundesligaprofi, dem das 2013 am wenigsten zuzutrauen war. Mit 26 Jahren hat er inzwischen fast mehr Vereine gesehen als Tattoos gesammelt. Seine Zukunft beim BVB ist ungewiss. Aber Reng schafft es, dass man auch in Wolf, dessen Auftritte nicht unbedingt hohe Sympathiewerte erzielen, vor allem den Träumer sieht, der kaum fassen kann, dass das alles wirklich in Erfüllung gegangen ist.

Von Borussia Dortmund, dem Klub, bei dem Wolf derzeit unter Vertrag steht, geht in dem Film der erfahrenen Dokumentaristen Hübner/Voss alles aus. Auch hier war, wie bei Reng, im ersten Film alles offen. "Nachspiel" setzt nun ein mit dem Karriereende von Florian Kringe, dem Einzigen, der es dauerhaft in den Profifußball geschafft hat. Er ist Mitte dreißig und arbeitet jetzt für einen Spielerberater. Den Preis für die Karriere sieht man gleich: ein Termin beim Orthopäden, eine neue Hüfte muss her.

Mohammed Abdulai, der zweite Akteur, kam mit 17 Jahren aus Ghana nach Dortmund. Er habe dort ein Studium sausen lassen, sagt er. Er hat sich über die Jahre in der zweiten belgischen und bulgarischen Liga verdingt, es hat beim BVB nicht gereicht. Er sei "eingebrochen", sagt sein ehemaliger Trainer. Heute ist Abdulai ein deutscher Busfahrer, eingebürgert in Wattenscheid, der in der Pause den Teppich im Bus ausrollt und betet. Er sei "glücklich", sagt er, obwohl er allein lebt und seine Familie in Ghana ist. Ab und zu schickt er Fußballausrüstung nach Ghana, sein alter Trainer unterstützt ihn, einer vom Typ "Haudegen", der nicht immer, das wird auch unausgesprochen klar, das nötige Fingerspitzengefühl und den richtigen Blick hatte.

Sehr deutlich wird das bei Heiko Hesse, für den der Fußball heute so fern ist wie die Weltbank vom Borsigplatz. Bei der Weltbank in Washington war Hesse, heute arbeitet er in Brüssel bei der EU. Die Tempodefizite, die ihn nicht über die U 23 hinauskommen ließen, spielen keine Rolle mehr. Er hat Wirtschaftswissenschaften in Oxford und Essex studiert, war in Yale, hat sich mit Fußball das Studium finanziert. So mustergültig und geradlinig, wie sich das liest, war es aber nicht. Hesse macht daraus keinen Hehl, er erzählt, wie er mit sich haderte, über Tolstoi-Romanen grübelte und nicht wusste, ob der Weg vom Platz ins akademische Leben der richtige sein würde. "Man kriegt ja nichts geschenkt", sagt der Ökonom lapidar, der aus einer Bergmannsfamilie kommt und in einer Zechensiedlung aufgewachsen ist.

Auch Hübner und Voss, die diese drei Wege geschickt und mit viel Gespür für Rhythmus verschränkt haben, arbeiten ohne Kommentar und mit viel Empathie: gegenüber den Träumen der jungen Männer, die ja nicht Flausen, Hirngespinste oder realitätsferne Fantastereien waren. Sondern Arbeit, Verzicht auf ein normales Leben, wie es die gleichaltrigen Freunde und Mitschüler hatten. Es braucht Einfühlungsvermögen dafür, wie es ist, wenn man eine Zeit lang geschwebt hat, um dann auf dem Boden zu landen und den anderen, die im selben Leistungszentrum waren, zuzusehen, wie sie in großen Klubs spielen.

Vor allem aber zeigen Buch wie Film die gewaltige Macht der Kontingenz, des Zufälligen. Da verläuft immer nur eine dünne Linie zwischen Gelingen und Scheitern. Reng und Hübner/Voss widerstehen souverän der Versuchung, die so oft in Rückblicken liegt: dass das Ende schon im Anfang absehbar gewesen sei, dass es so etwas wie ein Drehbuch des Schicksals gebe. Die beiden Jungs bei Reng, die keine Profis wurden, sagen voller Überzeugung, sie würden alles noch mal genauso machen. Und die drei im Film, die nun mit ein wenig mehr Abstand ihrem jugendlichen Selbst begegnen, haben ebenfalls nichts zu bedauern.

Und es geht bei alldem, in Film und Buch, ja auch nie nur um Fußball. Es geht um Biographien, um das, was man erreicht, und um das, was man verfehlt. Man sieht diesen sechs jungen oder nicht mehr ganz so jungen Männern stellvertretend für viele, viele andere dabei zu, wie sie lernen, was für sie individueller Erfolg im Leben bedeutet und was Scheitern; und wie man darüber zu dem wird, der man heute ist. Mit Narben, Rückschlägen, euphorischen Momenten und Zuversicht. Man kann deshalb dieses Buch und diesen Film betrachten, wie man einen sehr vitalen, realistischen und wahrhaftigen Entwicklungsroman liest.

Ronald Reng: "Der große Traum. Drei Jungs wollen in die Bundesliga". Piper Verlag, 528 Seiten, 22 Euro.

"Nachspiel" ist zurzeit in ausgewählten Kinos zu sehen (Termine unter www.realfictionfilme.de). Die beiden Vorgängerfilme kann man für jeweils 6 Euro auf Vimeo ansehen (https://vimeo.com/ondemand/diechampions und https://vimeo.com/ondemand/halbzeit).

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