Produktdetails
  • Verlag: dtv
  • ISBN-13: 9783423091749
  • ISBN-10: 3423091746
  • Artikelnr.: 25097010
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.03.2011

DAS HÖRBUCH
Fluch der Freiheit
Peter Matic liest Dostojewskis
Legende vom Großinquisitor
Wer gern über Natur und Bestimmung des Menschen nachdenkt, der kommt an Fjodor Michailowitsch Dostojewskis Legende vom Großinquisitor nicht vorbei. Sie findet sich in dem Roman „Die Brüder Karamasow“, den Dostojewski Ende der 1870er Jahre schrieb. Es geht um die menschliche Existenz in einer Welt, der Gott gestorben ist. Wie soll man da leben? Die Schicksale von drei Brüdern werden erzählt. Einer von ihnen, der Nihilist Iwan, trägt seinem jüngeren Bruder, dem Novizen Aljoscha, die Geschichte vom Großinquisitor vor. Die Erfindung ist einfach und wuchtig. Im 16. Jahrhundert erscheint Christus noch einmal in Menschengestalt auf der Erde, in Sevilla, auf dem Platz vor der Kathedrale. Er heilt einen Blinden, erweckt ein siebenjähriges Mädchen von den Toten. Man erkennt den Erlöser. Der Großinquisitor, ein asketischer Greis von scharfem Verstand, lässt Christus unverzüglich verhaften und in das Verlies des Heiligen Tribunals bringen. Als es Nacht geworden ist in Sevilla, besucht er den Gefangenen: „Weshalb denn kamst Du, uns zu stören?“ Er rechnet nicht mit einer Antwort, ja, er bestreitet Christus das Recht, „dem von Dir früher schon Gesagten irgend etwas hinzuzufügen“.
Es folgt ein menschenfreundlich klingender Monolog über die Unfähigkeit des Menschen zur Freiheit. Nur wenige seien in der Lage, über Gut und Böse zu entscheiden. Die Mehrheit sei damit überfordert, Christus habe ihnen zu viel zugemutet. Man müsse die Herde von der Last der „persönlichen und freien Entscheidung“ befreien, die Vielen zur Arbeit zwingen und die freien Stunden so organisieren, „dass ihnen das Leben wie ein Kinderspiel, mit Kinderliedern, Chorgesängen und unschuldigen Tänzen“ erscheint.
Peter Matic liest die Parabel zurückhaltend, eindringlich, ohne dem Hörer eine Deutung aufzuzwingen. Der autoritäre Greis wirkt nicht unsympathisch. Die Fragen nach der Bestimmung des Menschen sind nicht entschieden. Sind sie entscheidbar? Der Gefangene nähert sich „dem Alten und küsst ihn sachte auf seine blutleeren neunzigjährigen Lippen“ und geht aus dem Verlies.
JENS BISKY
FJODOR M. DOSTOJEWSKI: Der Großinquisitor. Aus dem Russischen übertragen von Albert Bolliger. Gelesen von Peter Matic. Sinus Verlag, Kilchberg 2010. 75 Min, Booklet 80 S., 24,80 Euro.
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